Standortpolitik

Erdgas in Bayern: Schatz in der Tiefe

Terrain Energy ©
Bohrstelle – Förderung von regionalem Erdgas seit Jahren rückläufig

Bayerisches Erdgas liefert derzeit nur einen geringen Beitrag zur Energieversorgung. Sein Potenzial wäre längst noch nicht ausgeschöpft, doch es gibt Hindernisse.

JOSEF STELZER, Ausgabe 11/2022

Tief unterhalb der oberbayerischen Gemeinde Holzkirchen wartet ein Schatz. »Rund 650 Millionen Kubikmeter Erdgas, mit dem wir München ein Jahr lang komplett versorgen könnten, liegen 3.000 bis 3.500 Meter unter der Oberfläche in Sandsteinschichten, die durch ehemalige Flussläufe gebildet wurden«, erläutert Marcus Endres (47), Geschäftsführer der Terrain Energy Germany GmbH, München. Diesen Schatz will er heben und damit zur Gasversorgung in Oberbayern beitragen. Das Unternehmen gehört zur Evoterra Limited in London, die sich mit Erdgas- und Ölförderung sowie mit der Vermarktung von Strom aus Windenergie beschäftigt.

Nur 1,5 Millionen Kubikmeter Erdgas 2021 

Erdgasförderung hat in Bayern eine lange Tradition. Die intensive Nutzung der heimischen Vorkommen begann in den 1950er-Jahren. Der Freistaat konnte noch in den 1970er-Jahren bis zu 30 Prozent seines Bedarfs aus heimischen Lagerstätten decken. Seither ist die Erdgasförderung stark rückläufig gewesen und belief sich nach Zahlen des Bundesverbands Erdöl, Erdgas und Geoenergie 2021 auf nur noch 1,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Bundesweit wurden insgesamt 5.200 Millionen Kubikmeter gefördert, der allergrößte Teil davon in Niedersachsen. Zum Vergleich: Der Jahresverbrauch in Deutschland lag vor dem Krieg in der Ukraine bei rund 90.000 Millionen Kubikmetern.

In Bayern könnten womöglich weitere, bisher ungenutzte Erdgasvorkommen für die regionale Versorgung hilfreich sein und in industriellen Prozessen das nun fehlende Erdgas aus Russland teilweise ersetzen. Unternehmen, die eine Erdgasförderung anpacken wollen, kommen jedoch oft nicht voran.

Bürgerproteste verhindern Erdgasförderung

In Irlach im Landkreis Rosenheim hat das Erdöl- und Erdgasunternehmen Wintershall DEA Deutschland GmbH ein Vorhaben zur Erdgasförderung nach Bürgerprotesten aufgegeben. Terrain-Energy-Geschäftsführer Endres zufolge umfassen die dortigen Vorkommen rund eine Milliarde Kubikmeter Erdgas. In Bad Endorf ließ die österreichische Rohöl-Aufsuchungs Aktiengesellschaft (RAG) ihre Pläne für eine Erdgasförderung nach massiven Protesten bereits vor Jahren fallen.

»Die Vorbehalte in Deutschland sind teilweise groß, obwohl die klassischen Bohr- und Fördertechniken lange erprobt sind«, erklärt Günter Bauer, Geschäftsführer der Münchner Bayerngas GmbH. Das Unternehmen ist in verschiedenen Bereichen des Gasgeschäfts tätig, unter anderem im Handel sowie im Transport. Um ein Projekt zu realisieren, seien viel Aufklärungsarbeit und eine ehrliche Kommunikation wichtig, meint Bauer und fügt noch hinzu: »Und die Landes- und Kommunalpolitik muss sich positionieren und Haltung zeigen.«

Fehlende politische Unterstützung

Vor hohen Hürden steht auch Terrain Energy bei seinem Vorhaben in Holzkirchen. »Obwohl geologische Gutachten bestätigen, dass durch Probebohrungen und Gasförderung keinerlei Gefahren entstehen – weder durch seismische Aktivitäten, also durch Mini-Erdbeben, noch für das Grundwasser –, fehlt die politische Unterstützung«, ärgert sich Geschäftsführer Endres und bekräftigt: »Wir werden auf keinen Fall irgendeine Art von Fracking einsetzen.« Beim sogenannten unkonventionellen Fracking, das in Deutschland für den kommerziellen Einsatz ohnehin nicht zulässig ist, müsste ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck ins Gestein gepresst werden.

Bislang jedoch hat die Gemeinde für die sogenannte Aufsuchungsbohrung keinen Bohrplatz zur Verfügung gestellt. Im Gemeinderat gibt es Befürchtungen, dass die Bohrung die geothermische Anlage der Gemeinde, die sich in unmittelbarer Nähe des strittigen Erdgasprojekts befindet, beschädigen könnte. Terrain Energy führt dazu ein Gutachten der Berliner Geomecon GmbH an, wonach sich solche Gefahren ausschließen ließen. Zwischen dem genutzten geothermischen Reservoir und den vom Unternehmen ins Auge gefassten gasführenden Schichten lägen mindestens 600 Meter abdichtende Schichten. Zudem würden sich die Bohrpfade von Gasbohrung und Geothermie mit zunehmender Tiefe voneinander entfernen.

18 Monate zwischen Antrag und Start Gasförderung

Zwar benötigt Terrain Energy für Probebohrungen nicht unbedingt die Zustimmung der Gemeinde, notfalls könnte das Unternehmen auch Privatgrund für sein Vorhaben pachten oder kaufen. »Ohne die Projektunterstützung vonseiten der Gemeinde wäre das Vorhaben allerdings viel schwieriger umzusetzen«, so Endres. Einen Antrag auf Erteilung der gewerblichen Erlaubnis zur Erdgasförderung, für die das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie zuständig ist, hat er bislang jedenfalls nicht gestellt. Im Idealfall sei es möglich, die Gasförderung 18 Monate nach den Antragstellungen bei den zuständigen Behörden, dem Wirtschaftsministerium und dem Bergamt Südbayern, zu starten.

Lukrative Investitionen

Lukrativ wäre die Erdgasförderung allemal. »Die Investitionen hätten sich schon 2017 gerechnet, als das Vorkommen entdeckt wurde, bei den explosionsartig angestiegenen Gaspreisen ist das nun erst recht der Fall«, sagt Endres. Das Gas ließe sich direkt in die lokalen Versorgungsnetze einspeisen und könnte die Region Holzkirchen über Jahre hinaus versorgen, glaubt er.

Garantien gefordert

Christoph Schmid (CSU), Bürgermeister in Holzkirchen, möchte sichergehen, dass das Geomecon-Gutachten, das ihm Terrain Energy vorgelegt hat, hieb- und stichfest ist. Ein Ingenieurbüro soll dies prüfen. Schmid will letztlich die Geothermie-Investition in Höhe von 70 Millionen Euro schützen, zumal die Gemeinde das unternehmerische Risiko für den Betrieb trägt. Außerdem erwartet er vom Bayerischen Wirtschaftsministerium eine Zusicherung, dass der Staat einen etwaigen Schaden an der Geothermieanlage als Folge von Erdgasbohrungen, der aus seiner Sicht nicht auszuschließen sei, übernähme. Schmid: »Hierzu wären wohl Garantien in zweistelliger Millionenhöhe nötig.«

Erdgas aus Bayern

Auf dem Lechfeld in Schwaben wird zwischen Kleinaitingen und Schwabmünchen seit 1979 Erdöl gefördert, pro Jahr etwa 30.000 Tonnen aus mehr als 1.000 Metern Tiefe. Erdgas ist dort ein Nebenprodukt, das vor Ort in das Gasnetz des regionalen Versorgers fließt. Rechnerisch ließe sich damit der jährliche Erdgasverbrauch von rund 300 Einfamilienhäusern decken. Das Erdgasfeld Inzenham-West bei Rosenheim dient zur Eigenversorgung des dortigen Gasspeichers. Nach Angaben des Bayerischen Wirtschaftsministeriums gab es in den letzten zehn Jahren keine neuen Bohrungen zur Erdgaserschließung.

Ende September hat nun das Ministerium die Aufsuchungserlaubnis »Lech« für drei Jahre an ein Berliner Gasunternehmen erteilt. Die Firma kann jetzt die Genehmigung zur Durchführung der Erkundungsbohrung beim zuständigen Bergamt beantragen. Nach dieser sicherheitstechnischen Zulassung ist der Start der Bohrung möglich. Im Gebiet um Kinsau im Landkreis Landsberg werden mehrere 100 Millionen Kubikmeter Erdgas vermutet.

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