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Holz bei Hallen hoch im Kurs

Markus Zotz, Reif AG ©
Der Holzbau der Reif AG inklusive Fundament stand nach etwa acht Wochen Bauzeit und kostete insgesamt rund 400000 Euro

Während Stahl- und Betonkonstruktionen in der Vergangenheit dominierten, gewinnt Holz bei Gewerbebauten an Popularität. Der natürliche Baustoff punktet: Er ist stabil, optisch ansprechend und in Sachen Klimaschutz und Brandschutz vorbildlich.

Klaus Mergel, Ausgabe 05/2021

Jahrzehntelang wurden beim Hallenbau viele Vorurteile gegenüber Holz gepflegt. Dass es nicht so lange hält. Dass es hochgradig feuergefährlich ist. Und dass es weniger tragfähig sein soll als Stahl und Beton. Ikonen der Moderne wie Eiffelturm oder Golden Gate Bridge schienen genau die Überlegenheit jener harten und schweren Materialien zu beweisen.

Doch Holz kann mehr: 2018 wurde zum Beispiel mit dem HoHo in Wien ein 85-Meter-Hochhaus aus Holz erbaut. Auch im Gewerbe- und Hallenbau liegt eine hölzerne Unterkonstruktion im Trend: Moderne Konstruktionen mit Brettschichthölzern stecken Belastungen genauso gut weg wie Stahl oder Beton. »Holz hat sich sehr gut rehabilitiert«, sagt Michael  Hörmann, Mitglied der Geschäftsführung der Rudolf Hörmann GmbH & Co. KG in Buchloe. Sein Unternehmen ist einer der Big Player, wenn es um Hallenbau in Bayern und im Allgäu geht. Mit 700 Mitarbeitern erwirtschaftet es einen Jahresumsatz von 155 Millionen Euro. Eigentlich, so der 27-jährige Ingenieur, sei Holz heute für fast alle Gewerbebereiche geeignet. Ausnahmen sind Orte, an denen geschweißt wird oder hohe Feuchtigkeit herrscht. »Aber da reden wir vom einstelligen Prozentbereich«, so Hörmann.

In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach gewerblichen Holzbauten stark gestiegen. Von 600 Gebäuden, die man pro Jahr errichte, sei bei 500 irgendwo Holz verbaut, so Hörmann. Das Unternehmen arbeitet unter anderem mit »BauBuche« des Thüringer Herstellers Pollmeier: ein Furnierschichtholz, das eine noch höhere Zugfestigkeit als Fichte aufweist.

Holz bietet viele Vorteile

Generell gebe es viele stichhaltige Argumente, um Hallen oder Gewerbebauten mit Holz zu errichten, erklärt der unabhängige Tragwerksplaner Philipp Knappich (39): »Holz überzeugt durch ausgezeichneten Brandschutz und hohe Tragfähigkeit bei schlanken, leichten Trägern. Positiv ist auch das niedrige Gewicht.« Und natürlich Nachhaltigkeit: »Holz ist CO2 -neutral und verbraucht bei der Produktion weitaus weniger Energie als Stahl oder Beton.«

Unternehmer Markus Zotz hat sich bewusst für Holz als Material für einen Hallenbau entschieden. Zusammen mit vier Mitgesellschaftern betreibt der 33-Jährige in Halfing die Kälte- und Klimatechnik Reif  AG. Seit 2014 installiert, repariert und wartet das Unternehmen Klimaanlagen und Kühlanlagen für gewerbliche Kunden und Privatleute im Rosenheimer Raum. Der Betrieb brauchte mehr Platz – und investierte in eine neue Halle.

»Angenehme Atmosphäre«

Die Eckdaten des kürzlich fertiggestellten Gebäudes: 250 Quadratmeter Grundfläche plus 185 Quadratmeter Zwischendecke. Raum genug für Werkstatt, Büro, Lager und Aufenthaltsraum. Das Gebäude ist 6,50 Meter hoch. Das Pultdach besteht aus Sandwichbauelementen mit dämmendem PU-Kern: eine populäre Lösung, da die vorgefertigten Dachelemente schnell verlegt sind und eine tragende Funktion übernehmen. »Die Atmosphäre ist angenehm im neuen Firmengebäude«, lobt Reif-Vorstand Zotz. »Die Holzelemente sind optisch ansprechend gelungen. Im Chiemgau baut man viel mit Holz – da wollten wir etwas, das zum regionalen Baustil passt.«

Denn auch im Gewerbe spielt Optik eine Rolle. »Mancher Kunde aus dem Automobilbereich wünscht wegen dem Metallbezug Stahl. Mancher Fahrrad- oder Motorradhändler dagegen möchte für seine Fahrzeuge filigrane und optisch warme Holzträger«, sagt Hörmann.

Der Holzbau der Reif AG stand inklusive Fundament nach etwa acht Wochen Bauzeit. Die Kosten: 200.000 Euro für die »nackte« Halle, mit Infrastruktur, Außenanlagen und Innenausbau sowie Photovoltaik-Anlage rund 400.000 Euro. Diese Gewerke leistete oder vergab der Bauherr selbst.

Wirtschaftliche Argumente für den Holzbau

Auch wenn sich Holzbauten in puncto Kosten und Bauzeit nicht wesentlich von denen in Stahl- oder Betonbauweise unterscheiden: Es gebe durchaus wirtschaftliche Argumente für den Holzbau, sagt Hörmann. »Nach bayerischem Baurecht ist bei einer Halle mit Holz bis 5.000 Quadratmetern Fläche keine teure Sprinkleranlage nötig – bei der Ausführung in Stahl ist dies nur bis 2.700 Quadratmeter zulässig.« Und: Holzträger, die eine Strecke von 25 Metern überspannen, wiegen nur einen Bruchteil von Stahlträgern. »Damit komme ich ohne schweres Montagegerät aus«, erklärt Tragwerksplaner Knappich. »Ein 200-Tonnen-Kran kostet in drei bis vier Tagen schon mal 15.000 Euro.«

Klimaneutrale Alternativen?

Dieser Aspekt war beim Reif-Gebäude durchaus von Vorteil, wie Projektleiter Tobias Hiemer berichtet: »Die Bedingungen vor Ort waren beengt. Da war das geringe Eigengewicht von Stützen und Trägern ein großer Vorteil.« Bauherr Zotz hat im Rückblick keinen Grund zu klagen: »Wir sind voll zufrieden, auch die Ausführung lief gut.« Den Aspekt der Nachhaltigkeit von Holz sehe er durchaus. Die Balken könne man eines Tages problemlos verheizen. »Aber beim Dach mit seinen PU-Paneelen habe ich so meine Zweifel.«

Experte Knappich kennt dieses Problem. Doch wirklich klimaneutrale Alternativen gebe es nicht. Ein Dach aus Vollholz? Unbezahlbar. Eine Dämmung mit Holzfasermatten? Extrem zeitaufwendig und damit zu teuer. »Wenn wir ehrlich sind: Für viele Gewerbetreibende ist das Gebäude in erster Linie eine notwendige, schützende Hülle«, sagt Knappich. Zwar gebe es Fördermöglichkeiten über die KfW – die seien jedoch selten entscheidungsprägend. Am Ende müsse die Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich sein.

Stichwort: Holzkonstruktionen – Vor- und Nachteile

Philipp Knappich, Zimmerer, Ingenieur und freiberuflicher Tragwerksplaner, bewertet die Eigenschaften des wiederentdeckten Baustoffs Holz im Gewerbe- und Hallenbau:

  • Dauerhaftigkeit: Solange Holz keiner Staunässe ausgesetzt ist, gibt es kein Problem. Im erdberührenden Bereich und bei Dachabdichtungen müssen Stützen oder Träger sorgfältig geschützt werden. Bei Stahl oder Beton spielt das keine Rolle.
  • Verfügbarkeit: Holzlieferungen dauern derzeit (05/2021) bis zu zehn Wochen. Die Nachfrage ist groß, durch Corona sind die Lieferketten zusätzlich länger. Zum Vergleich: Stahl ist in circa zwölf Wochen verfügbar, da alles exakt vorgeplant werden muss und der Rohstoff aus dem Ausland kommt. Fertige Stahlbetonteile brauchen sechs bis acht Wochen, Ortbeton, der dort erhärtet, wo er verbaut wird, nur einen Tag.
  • Brandschutz: Holz ist zwar brennbar, hat jedoch eine geringe Abbrandrate. Wird ein Balken von vier Seiten angebrannt, bildet die sogenannte Kokelschicht eine schützende Oberfläche – der Holzkern verfügt noch über 100 Prozent Tragfähigkeit. Damit kann nachgewiesen werden, dass Holz dem Feuer 30 Minuten widersteht (F30). Versagen kündigt sich akustisch an. So kann die Feuerwehr in ein Gebäude gehen, um Menschen zu retten. Stahlträger werden weich und verlieren schnell 90 Prozent ihrer Tragfähigkeit.
  • Schallschutz: Holz ist schallschluckend. Allerdings bringt es nicht viel, wenn nur Stützen und Träger aus Holz sind. Stahl und Beton reflektieren stark und müssen verkleidet werden.
  • Tragfähigkeit: Gerade bei großen Spannweiten sind Holzbalken gegenüber Stahl und Beton durch das geringe Gewicht klar im Vorteil. So lässt sich filigraner bauen und Raum gewinnen. Die großen Lasten durch Stahl und Beton müssen dementsprechend stark unterstützt werden.
  • Eignungsbereiche: Für Feuchträume, bei Schweißarbeiten, bei offenen Arbeiten im organischen Bereich (Abfallentsorgung/Lebensmittelherstellung) sowie für die Reinraumnutzung ist Holz nur eingeschränkt geeignet. Stahl und Beton sind hier neutral.
  • Aufbau/Umbau: Bei schwer zugänglichen Baustellen ist Holz unproblematisch, da kein schweres Montagegerät wie zum Beispiel ein Kran notwendig ist. Umbauten sind leichter umsetzbar als bei Stahl oder Beton.
  • Bauzeit: Abbund und Aufstellen von Stützen und Trägern gehen schnell. Doch der Einbau von hochfesten Verbindungen bei sehr großen Konstruktionen – anhand von Schlitzblechen und Stabdübeln – ist zeitraubend. Ein Stahlträger wird einfach verschraubt.
  • Kosten: Sie sind unter anderem von den Dimensionen abhängig. Beim Holzbau großer Hallen fallen durch Vorfertigung und Montage viele Arbeitsstunden an, auch die Holzpreise werden langfristig steigen. Dafür ist der Innenausbau einfach. Außerdem können durch den Verzicht auf einen Kran und die bessere Brandschutzbewertung Preisvorteile gegenüber anderen Baumaterialien erreicht werden.
  • Klimafreundlichkeit: Holz speichert CO2 und ist ein nachwachsender Rohstoff. Die Entsorgung durch Verbrennen ist als CO2-Rückführung kein Problem. Auch bei der Herstellung wird weitaus weniger Energie verbraucht als bei der Produktion von Stahl oder Beton. Allerdings sollte auf Regionalität geachtet werden: Importholz hat lange Transportwege hinter sich.

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