Im Krisenmodus

Der Kampf gegen das Coronavirus hat die Welt im Griff. Das öffentliche Leben ist auf ein Minimum heruntergefahren, die Einschnitte ins Wirtschaftsleben sind drastisch. Wie können Firmen reagieren Welche Services und Hilfen stehen zur Verfügung?
Ausgabe 04/20
Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung zählen, mussten schließen. Fitnessstudios, Kinos und andere Freizeitangebote sind ebenfalls dicht. Messen, Veranstaltungen – alles abgesagt. Das gilt auch für Prüfungen in Ausbildungsberufen und in der Weiterbildung. Schulen und Kitas sind verwaist. Wer das Haus verlassen will, müsse triftige Gründe haben, betonte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), als er am 20. März 2020 weitreichende Ausgangsbeschränkungen verkündete. Wenn das öffentliche Leben heruntergedimmt wird, so die Hoffnung, lässt sich die Ausbreitung des Coronavirus derart verlangsamen, dass das Gesundheitssystem die Lage noch bewältigen kann. Unabhängig vom Erfolg dieser Maßnahmen ist schon jetzt sicher: Die Pandemie und ihre Bekämpfung werden weitreichende und lang anhaltende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Ministerpräsident Söder will der bayerischen Wirtschaft ein Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro zur Verfügung stellen und verspricht: »Wir werden keinen hängen lassen.« Priorität habe derzeit der Erhalt der Liquidität von Unternehmen. Zudem soll es Steuerstundungen geben. Um die Folgen der Coronakrise in den Betrieben zu bewältigen, sind flexible und rigorose Lösungen notwendig. Wie können Unternehmen mit der Pandemie im Betrieb umgehen? Was ist zu tun, wenn Beschäftigte in Quarantäne sind? Wie funktioniert Kurzarbeit? Welche Förderung gibt es in Notlagen? Wir geben auf den nächsten Seiten Antworten auf diese und weitere Fragen rund um die Coronakrise.
Mit welchen finanziellen Hilfen können Unternehmen rechnen?
Die Regierung in Berlin hat sich auf ein Investitionspaket geeinigt. »Wir werden die Investitionen des Bundes in den Jahren 2021 bis 2024 um jeweils 3,1 Milliarden Euro verstärken«, heißt es im Abschlusspapier des Koalitionsausschusses. Bayern wird zusätzlich ein Sondervermögen von bis zu zehn Milliarden Euro einrichten. So erhält die LfA Förderbank Bayern einen zusätzlichen Bürgschaftsrahmen von 500 Millionen Euro. Die Ausfallbürgschaften werden auf bis zu 90 Prozent erhöht. Im absoluten Notfall kann sich der Freistaat außerdem an Unternehmen beteiligen, um sie zu erhalten. Firmen, die unmittelbar in Not geraten sind, sollen überdies unbürokratisch Soforthilfe beziehen können. Der Betrag liegt zwischen 5000 und 30000 Euro. Das Antragsformular ist hier abrufbar.
Welche steuerlichen Erleichterungen sind für Firmen vorgesehen?
Die Finanzbehörden können Steuern stunden, wenn die Einziehung eine erhebliche Härte darstellen würde. Die Finanzverwaltung wird angewiesen, dabei keine strengen Anforderungen zu stellen. Vorauszahlungen sollen einfacher an die aktuelle Situation eines Unternehmens angepasst werden können. Sobald klar ist, dass die Einkünfte der Steuerpflichtigen im laufenden Jahr voraussichtlich geringer ausfallen, werden die Steuervorauszahlungen unkompliziert und schnell herabgesetzt. Auf Vollstreckungsmaßnahmen wie zum Beispiel Kontopfändungen beziehungsweise Säumniszuschläge soll bis zum 31. Dezember 2020 verzichtet werden, solange der Schuldner unmittelbar von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen ist. Das Bundeszentralamt für Steuern soll bei seiner Zuständigkeit für die Versicherungssteuer und die Umsatzsteuer entsprechend verfahren. Den Antrag auf zinslose Stundung von Steuern beziehungsweise auf Herabsetzung von Vorauszahlungen finden Unternehmen hier.
Der Betriebsablauf ist massiv gestört – welche rechtlichen Regeln gelten?
Die Auswirkungen von Corona sind in vielen Firmen spürbar. Es fehlen Zulieferteile, Mitarbeiter fallen aus, weil sie sich in Quarantäne befinden, Waren können nicht versandt werden. Der Betriebsablauf ist massiv gestört. In diesen Fällen gilt: Das sogenannte Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber. Er muss seinen Arbeitnehmern also auch dann die vereinbarte Vergütung zahlen, wenn er deren Arbeitsleistung etwa aufgrund von Unterbrechungen der Lieferkette nicht einsetzen kann. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich zur Arbeitsleistung bereit und in der Lage wäre, er also zum Beispiel nicht aufgrund von Krankheit ohnehin arbeitsunfähig ist. Der Arbeitsausfall durch eine behördliche Betriebsschließung mit dem Ziel des Infektionsschutzes ist ebenfalls ein Fall des Betriebsrisikos, das dem Arbeitgeber zugewiesen ist. Auch wenn der Arbeitgeber also keinerlei Einfluss auf das Geschehen hat, es sich für ihn demnach als »höhere Gewalt« darstellt, muss er seine Arbeitnehmer während dieses Arbeitsausfalls bezahlen. Sowohl Produktionsausfälle aufgrund von coronabedingten Lieferschwierigkeiten als auch Ausfälle aufgrund von Betriebsschließungen können ein Grund für Kurzarbeit sein. Der Bezug von Kurzarbeitergeld wurde erleichtert.
Viele Mitarbeiter mit Kindern müssen zu Hause bleiben, weil Kitas und Schulen geschlossen sind. Was sagt das Arbeitsrecht zu solchen Fällen?
Wenn das Kind noch in einem Alter ist, in dem es nicht über die gesamte Arbeitszeit allein zu Hause gelassen werden kann und keine andere Betreuungsperson zur Verfügung steht, ist ein persönlicher Verhinderungsgrund gegeben. Der Arbeitnehmer ist somit berechtigt, zur Betreuung seines Kindes zu Hause zu bleiben. Er muss den Arbeitgeber allerdings frühzeitig über die Verhinderung informieren.
Wie sieht es mit der Vergütung aus, wenn ein Kind zu Hause betreut werden muss?
Wenn für solche Fälle keine explizite Regelung in einem anwendbaren Tarifvertrag oder im einzelnen Arbeitsvertrag getroffen wurde, liegt grundsätzlich ein Fall des Paragrafen 616 BGB vor. Demnach behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Vergütung, wenn er für verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden daran gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Nach allgemeiner Auffassung sind unter »verhältnismäßig kurzer Zeit« maximal fünf Arbeitstage zu verstehen. Dauert die Verhinderung aufgrund des Betreuungsbedarfs länger oder ist – was unproblematisch vereinbart werden kann – die Anwendung von Paragraf 616 BGB arbeitsvertraglich ausgeschlossen, besteht kein Anspruch (mehr) auf Fortzahlung der Vergütung. Am besten überlegen Arbeitgeber und Beschäftigte gemeinsam, wie sie die Situation bewältigen können. Mitarbeiter können etwa Überstunden abbauen, Urlaub nehmen oder ins Homeoffice gehen.
Was gilt, wenn Arbeitnehmer sich in einem Coronarisikogebiet aufgehalten haben?
Für Rückkehrer aus Risikogebieten in Europa oder China gilt die allgemeine Empfehlung, 14 Tage lang nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen. In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Vergütung ordnungsgemäß weiterzuzahlen.
Was müssen Unternehmen beachten, wenn einzelne Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt werden?
Ist der Arbeitnehmer erkrankt, gilt die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach den allgemeinen Regeln. Für nicht Erkrankte, die aber von Quarantänemaßnahmen betroffen sind, sieht das Infektionsschutzgesetz einen Entschädigungsanspruch in Höhe des Verdienstausfalls (Nettoentgelt) vor. Für Arbeitnehmer wird diese Entschädigungsleistung nach Paragraf 56 Infektionsschutzgesetz durch den Arbeitgeber erbracht. Allerdings werden diese Zahlungen auf Antrag von der Behörde erstattet. Die Entschädigung gibt es auch für Selbstständige. Grundlage dafür ist der Gewinn, der im Steuerbescheid für das letzte Kalenderjahr festgestellt wurde. Die Entschädigung ist binnen drei Monaten beim zuständigen Gesundheitsamt zu beantragen. Genaueres zum Verfahren, die örtlich zuständigen Behörden sowie das Formular gibt es im Internet auf dem BayernPortal.
Müssen Verträge eingehalten werden?
Unternehmen, die wegen des Coronavirus nicht mehr oder nur eingeschränkt produzieren können, weil ein Großteil der Belegschaft erkrankt ist oder das Material für die Lieferung ausbleibt, haften in der Regel nicht. Gleiches gilt für Dienstleister, die ihre Verträge nicht erfüllen können, etwa weil Veranstaltungen, Events oder Messen abgesagt werden. Können Unternehmer ihre Leistungspflichten aus dem Vertrag nicht erfüllen, weil sie unmittelbar vom Coronavirus betroffen sind, müssen sie für die Folgen nicht einstehen. Das Gesetz spricht in diesem Fall von der Unmöglichkeit der Leistung, besser bekannt unter dem Begriff der »höheren Gewalt«. Darunter fallen alle unabwendbaren Ereignisse, wie Naturkatastrophen jeder Art oder eben auch Pandemien.
Wer zahlt bei höherer Gewalt?
Es gilt der Grundsatz, dass jeder selbst für entstandene oder noch entstehende Schäden aufkommen muss. Die Erstattung von Aufwendungen für Arbeiten, die schon durchgeführt wurden, kann allerdings verlangt werden. Der Unternehmer, der von den Coronafolgen betroffen ist, muss seinem Vertragspartner keinen Schadenersatz leisten, wenn er die dadurch entstandenen Schäden nicht zu verantworten hat. Jeder Unternehmer, der seine Leistungen wegen des Coronavirus nicht oder nicht mehr erfüllen kann, ist jedoch verpflichtet, unverzüglich seinen Vertragspartner hierüber zu informieren. Besteht die Möglichkeit einer Ersatzlieferung – beispielsweise aus einem anderen Land oder von einem anderen Zulieferbetrieb –, die aber wesentlich teurer ist als die ursprünglich kalkulierte, hat der Unternehmer die Wahl. Er kann sich wegen der Unmöglichkeit der Leistung von dem Vertrag lösen oder vom Vertragspartner eine Anpassung des Vertrags und damit Zahlung der nun anfallenden Mehrkosten verlangen. Die Vertragsparteien sollten sich hierzu ebenfalls frühestmöglich abstimmen.