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Im verschärften Wettbewerb

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Die Taxibranche stellt sich um

Das neue Personenbeförderungsgesetz will die Rechtsgrundlagen für Taxi-, Mietwagen- und andere Gelegenheitsverkehre an das digitale Zeitalter anpassen – der Marktentwicklung wird es dabei wohl nur bedingt gerecht.

Stefan Bottler, Ausgabe 05/2021

Wer in München nach Angeboten für die Beförderung von Personen sucht, hat die Qual der Wahl: Ein Internetportal listet rund 270 Taxi- und Mietwagenunternehmen auf. Das Spektrum reicht vom Marktführer Taxi München eG mit 3.000 Fahrzeugen bis hin zum Einzelunternehmer, der sich nebenberuflich ein paar Euro hinzuverdient.

Außerdem gibt es appbasierte Vermittlungsdienste wie Uber und Free Now, ein Joint Venture von BMW Group und Daimler AG. Beide Onlineservices kooperieren laut eigenen Angaben mit mehreren Tausend Fahrern. An Geschäftskunden wenden sich Anbieter wie die SIXT ride GmbH & Co. KG, die sich auf Flughafentransfers und Limousinenservices mit professionellen Chauffeuren spezialisiert haben.

Zwischen diesen Angeboten gibt es feine, aber entscheidende Unterschiede. »Alle Mietwagenunternehmen haben uneingeschränkten Zugang zum Markt und können Preise frei aushandeln«, erklärt Robert Weber (63), Geschäftsführer der Taxi Pasing TP AG. »Wir hingegen fahren mit Konzessionen, müssen nach Tarif abrechnen und unsere Fahrer zur Ortskundeprüfung anmelden.« Solche Einschränkungen hat der Gesetzgeber immer mit den Besonderheiten der Taxiverkehre begründet: Sie haben als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im Gegensatz zu Mietfahrzeugen einen flächendeckenden Versorgungsauftrag.

Neues Gesetz in der Diskussion

Das novellierte Personenbeförderungsgesetz (PBefG), das im März 2021 verabschiedet wurde, hält an dieser Sonderstellung der Taxis fest und formuliert Rechtsgrundlagen für alle sogenannten Gelegenheitsverkehre (Personenbeförderung, die nicht Linienverkehr ist) im digitalen Zeitalter. Die Parlamentarier im Bundestag machten keinen Hehl aus ihrer Absicht, das Taxigewerbe vor den neuen und preiswerteren Konkurrenten zu schützen.

Während die Umsätze vieler Taxiunternehmen in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen sind und auch die Coronakrise das Taxigewerbe schwer trifft, konnten Uber und Free Now in manchen Städten sogar zulegen. Als Konsequenz hält das Gesetz auch an Vorschriften fest, die nach Meinung von Kritikern längst überholt sind.

Was ändert sich konkret?
  • Wer Gelegenheitsverkehre anbietet, benötigt weiterhin prinzipiell eine Genehmigung. Wollen jedoch Kommunen »neue Verkehrsarten oder Verkehrsmittel« erproben, können sie darauf auch verzichten. Mit diesem Passus will der Gesetzgeber Vermittlungsdiensten wie Uber, Free Now & Co. entgegenkommen.
     
  • Außerdem erlaubt das Gesetz Pooling-Dienste, auch Sammeltaxis genannt. Dabei vermieten Fahrer einzelne Sitzplätze und sammeln die Nutzer während einer Tour ein.
     
  • Taxis unterliegen weiterhin der Tarifpflicht und müssen Beförderungsentgelte verlangen, welche die öffentliche Hand festgelegt hat. Allerdings können Sondertarife für einen »bestimmten Zeitraum, eine Mindestfahrtenzahl oder einen Mindestumsatz« im Monat vereinbart werden. Das erlaubt Krankenkassen, reduzierte Tarife für Kranken- und Patientenfahrten zu zahlen.
     
  • Bestand hat auch die Rückkehrpflicht für Mietfahrzeuge: Hat ein Fahrer einen Beförderungsauftrag ausgeführt, muss er in der Regel »unverzüglich« zum Betriebssitz zurückkehren. Ohnehin darf er nur Aufträge entgegennehmen, die an seinem Betriebssitz oder seiner Wohnung eingegangen sind. Taxifahrer hingegen können jeden Taxistand in der Stadt beziehungsweise im Landkreis ihres Betriebssitzes anfahren. Sie dürfen unterwegs neue Aufträge annehmen.
Den Status quo zementieren?

Branchenkenner halten solche Unterscheidungen, die in den 1980er-Jahren ins Personenbeförderungsgesetz aufgenommen wurden, für völlig aus der Zeit gefallen. »Die Rückkehrpflicht für Mietwagen wird nicht funktionieren, weil sie nicht kontrollierbar ist«, sagt Hubertus Baumeister (62), Partner der Kanzlei BBG und Partner Partnerschaftsgesellschaft mbB in Bremen. »Der Gesetzgeber tut dem Taxigewerbe keinen Gefallen, wenn er den Status quo zementieren will.« Baumeister berät München und andere Kommunen in ÖPNV-Fragen.

»Schwere Nachteile« für Städte und Gemeinden?

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) warnte in einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ebenfalls vor »schweren Nachteilen« für Städte und Gemeinden. »In der Praxis würde dieses Gesetz den Verwaltungsaufwand zur Steuerung der digitalen Gelegenheitsverkehre massiv erhöhen«, schreibt Reiter. Er wünscht sich ein Gesetz, das »komfortable, flexible und schnelle Alternativen« zum motorisierten Individualverkehr etabliert.

Alternativen für Stadt und Land

Solche Alternativen wurden in dem vom Bundesverkehrsministerium geförderten Projekt Easyride getestet: Zwei Jahre lang loteten zehn Projektpartner aus Wirtschaft und Wissenschaft aus, wie mit vernetzten und automatisierten Gelegenheitsverkehren das Verkehrsaufkommen reduziert werden kann. Die Easyride-Partner sehen großes Potenzial besonders bei Ride-Pooling-Angeboten, bei denen sich mehrere Verkehrsteilnehmer mit ähnlichen Zielen ein Fahrzeug teilen.

»Taxibranche stellt sich auf die neue Zeit ein«

Ohnehin ist der Markt in Bewegung. Vor allem auf dem Land bieten viele Taxiunternehmen mittlerweile ebenfalls Mietwagen an. Solche Kombinationen machte bereits das alte Gesetz mit sogenannten Mischkonzessionen unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Und selbstverständlich kooperieren viele Taxler mit den neuen Dienstleistern. Im Großraum München beteiligen sich mehr als 900 Unternehmen bei Free Now. »Die Taxibranche stellt sich auf die neue Zeit ein«, sagt Korbinian Leitner, Referatsleiter Verkehrsinfrastruktur und Logistik bei der IHK für München und Oberbayern.

Dem stimmt auch Taxi-Pasing-Geschäftsführer Weber zu. »Wir müssen zusätzliche Dienstleistungen anbieten«, sagt er und nennt als Beispiel Begleitservices für Senioren, die nicht allein in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus gehen können. Wenn sich autonomes Fahren durchsetzt, möchte Weber solche Fahrzeuge ebenfalls für Gelegenheitsverkehre anbieten. Die Einzelheiten muss dann eine weitere PBefG-Novellierung regeln.

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