»In den Kopf des Kunden gelangen«
Wer mit seinem Angebot nicht in der Masse untergehen will, muss deutlich zeigen, was er besonders gut kann. Wie Unternehmer sich von ihren Wettbewerbern abheben.
Eva Müller-Tauber, Ausgabe 07/20
»Warum sollten wir gerade in Sie und Ihr Produkt investieren?« Unternehmer, die diese Frage nicht überzeugend kurz und knapp beantworten können, haben bei der TV-Show »Die Höhle der Löwen« kaum eine Chance, einen Investor für sich zu gewinnen.
Was in diesem Fernsehformat gilt, lässt sich auch auf die Realität übertragen: »Wer sein Alleinstellungsmerkmal sorgfältig herausarbeitet beziehungsweise ein unschlagbares Verkaufsargument besitzt – Stichwort: Unique Selling Point/Proposition (USP) –, kann sein Produkt oder seine Dienstleistung besser vermarkten und so außer Investoren auch künftige Kunden von sich und seinem Angebot leichter überzeugen«, betont IHK-Gründungsberaterin Claudia Rottmann.
Der perfekte Partner für Problem XY
Gerade Selbstständigen und Kleinunternehmern fällt dies jedoch oft schwer. »Sie sind derart ins Tagesgeschäft eingebunden, dass sie sich oft nicht intensiv genug mit solchen strategischen Dingen auseinandersetzen«, weiß Johannes Weidl, IHK-Referent Selbstständige und Kleinunternehmen. »Dabei ist es unheimlich wichtig, zu formulieren und zu kommunizieren, warum man der perfekte Partner für die Lösung eines Problems XY ist und welchen besonderen Nutzen das eigene Produkt oder der Service dem Kunden bietet.«
Mit Blick auf den Kunden Nische finden
Den Kundennutzen sichtbar darzustellen, ist in der Regel bei Produkten ein wenig einfacher als bei Dienstleistungen. Denn hier ist die Einzigartigkeit oft mit den Sinnen erlebbar. Sie kann etwa in der ungewöhnlichen Formgebung, im Geschmack, der technologischen Problemlösung oder im Produktnutzen liegen. »Jeder sollte versuchen, mit Blick auf den Kundennutzen eine Nische zu finden, in der er mit seinem Know-how punkten kann«, rät Gründungsberaterin Rottmann. Darauf aufbauend gelte es, Produkt oder Dienstleistung mit den passenden Instrumenten zu vermarkten, »allerdings muss der Aufwand hierfür den – bei kleinen Firmen personell wie finanziell begrenzten – Ressourcen angepasst sein.«
Dass ein Alleinstellungsmerkmal wichtig ist, weiß auch Martina Anzer – wenngleich sie sich zu Beginn ihrer Selbstständigkeit als Beraterin für Organisationsentwicklung darüber keine Gedanken machen musste. »Als Soloselbstständige bekam ich meine Aufträge fast ausschließlich durch Empfehlungsmarketing«, erinnert sich die heute 45-Jährige. Die Bankkauffrau und Betriebswirtin mit den Schwerpunkten Rechnungswesen und Controlling, sowie Personalmanagement, die auch ein Zusatzstudium Knowledge-Management absolviert hat, profitierte von bestehenden Kontakten und ihrer langjährigen Erfahrung.
Warum sich als Kunde für Sie entscheiden?
Doch dann gründete sie mit ihrer Zwillingsschwester Christiane Räbiger – Industriekauffrau und ebenfalls Betriebswirtin – eine Managementberatung. Ein neues Team, ein erweitertes Betätigungsfeld, ein größerer Kundenkreis, »da mussten wir uns mit dem Thema USP schon auseinandersetzen«, so Anzer.
Die Zielgruppe war schnell ausgemacht: Mit ihrer twinnovativ GmbH unterstützen die Schwestern veränderungsbereite Mittelständler und Start-ups bei der Gestaltung ihrer Organisation und stellen dabei die Mitarbeiter mit ihren persönlichen Stärken in den Mittelpunkt. »Aber was genau zeichnet uns aus, warum sollen sich Kunden für uns entscheiden?«, überlegten die beiden. Anzer hatte unter anderem eine Steuerkanzlei mit aufgebaut, Wissensmanagementsysteme eingeführt sowie federführend Projekte im Bereich Organisationsentwicklung/Change-Management in der Steuerberatung betreut. Räbiger war vor allem in der SAP- und Prozessberatung sowie im Projektmanagement unter anderem in der Automobilbranche tätig gewesen, hatte zudem ein berufsbegleitendes Zusatzstudium Wirtschaftspsychologie, Leadership und Management zum Master of Sciene absolviert.
Mehrere Reflexionsschleifen
»Wir haben nachgedacht: Was genau bieten wir an? Wer sind wir? Wie nehmen wir uns gegenseitig und wie nehmen uns andere wahr? Was sind unsere Stärken? Wo stimmen wir überein, wo ergänzen wir uns?«, erzählt Anzer. Nach mehreren Reflexionsschleifen hatte das Duo sein spezielles Profil herausgearbeitet, mit dem es sich im umkämpften Markt der Managementberatungen nun positioniert: »Als Zwillinge bilden wir eine Symbiose aus intuitiv-emotionalem und rational-strukturiertem Vorgehen mit jeweils gespiegelten Schattierungen: Wir nehmen unsere Kunden aus zwei Perspektiven wahr und verstehen uns in unserer Arbeit blind. Das sorgt für kurze Abstimmungen und mehrdimensionale Wahrnehmungen in unseren Projekten.«
Was bewirken möchten - und was nicht?
Manchen Unternehmern fällt es allerdings schwer, das Besondere ihres Angebots treffend auf den Punkt zu bringen. Marketingexpertin Maren Martschenko (47) warnt davor, um jeden Preis einen Unterschied zur Konkurrenz suchen zu wollen: »Viele denken, dass sie Dinge anders angehen, ihr Kundenversprechen anders ausdrücken, ihre Webseite ganz anders gestalten müssen als ihre Wettbewerber. Doch Abgrenzung beginnt nicht bei den anderen, sondern bei einem selbst.« Man müsse sich klar darüber werden, für wen man arbeiten möchte und für wen nicht; wie und wo man arbeiten möchte und wie und wo nicht.
»Und ganz wichtig: was man bewirken möchte und was nicht«, ergänzt Martschenko. »Wer das weiß, kann es nach außen klar transportieren«, auch wenn dafür in der Regel ein Satz nicht genüge. So können andere Menschen sich ein Bild von einem machen und dieses einordnen. Das sei gerade bei Dienstleistern wichtig, bei denen neben der Qualifikation vor allem die Persönlichkeit über geschäftlichen Erfolg oder Misserfolg entscheide. »Manche scheuen deutliche Positionen, aber so funktioniert Differenzierung«, sagt Martschenko.
Networking und Geduld
Hilfreich sei dabei beispielsweise ein Blog oder Newsletter auf der eigenen Website, in dem Unternehmer zu bestimmten Themen Stellung beziehen. Sie könnten auch in selbst gewählten Medien als Experten zu bestimmten Themen auftreten. »Ziel muss es sein, in die Köpfe der potenziellen Kunden zu gelangen«, sagt die Marketingexpertin. Es gehe darum zu erreichen, dass Kunden sofort an einen denken, wenn sie jemanden suchen, der bestimmte Probleme für sie löst. »Noch näher an den Kundenbedarfen zu sein, das ist der neue USP«, erklärt Martschenko. Neben einem gepflegten und aussagekräftigen Internetauftritt hält sie gerade in der digitalen Zeit persönliches Networking für sehr wichtig – und Geduld: »Im Endeffekt ist es die Summe der stimmigen Eindrücke beim Kunden, die darüber entscheidet, wer für ihn die richtige Person ist, um sein Problem zu lösen.«
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