Schneller und agiler

Zum 13. Mal hat die hochrangige Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) ihr Jahresgutachten vorgelegt. Der EFI-Vorsitzende Uwe Cantner erklärt, wo Deutschlands Stärken liegen und wo Handlungsbedarf besteht.
Gabriele Lüke, Ausgabe 04/20
Herr Professor Cantner, ist Deutschland noch innovativ genug?
Grundsätzlich hat Deutschland alle Kompetenzen, um die nächste Innovationsrunde gut zu bestehen und in der ersten Liga der innovativsten Staaten mitzuspielen. Zugleich aber sind wir in einigen entscheidenden Bereichen wie etwa der Elektromobilität viel zu spät dran. Wir müssen bei aller Kompetenz schneller und agiler werden.
Was fehlt uns? Geld? Gute Rahmenbedingungen?
Die Bedingungen sind partiell sogar besser geworden. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) sind auf 3,13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Das ist ein wichtiger Schritt zum anvisierten 3,5-Prozent-Ziel. Mit dem Forschungszulagengesetz gibt es nun endlich eine steuerliche FuE-Förderung als Anreiz. Eine neue Agentur soll Sprunginnovationen fördern.
Laut Ihrem Gutachten macht nicht zuletzt China uns gewaltig Konkurrenz.
China meldet tatsächlich deutlich mehr Patente als Deutschland an, aber es ist ja auch ein Land mit einer immens großen Bevölkerung und ergo vielen findigen Köpfen. Zudem treibt der anhaltende Aufholprozess der chinesischen Wirtschaft die Zahl der Patente nach oben. Die chinesischen Patentanmeldungen konzentrieren sich insbesondere auf Informations- und Telekommunikationstechnologien. Es gibt aber Indizien dafür, dass die Qualität der chinesischen Patentanmeldungen im Durchschnitt noch eher niedrig ist.
Nun wird China immer wieder vorgehalten, von ausländischen Investoren einseitig Know-how abzugreifen und das Gebot der Wettbewerbsgleichheit nicht einzuhalten.
Darauf hat das Land reagiert. Mit dem seit dem 1. Januar 2020 geltenden Investitionsgesetz ist den Behörden untersagt, Technologietransfer von ausländischen Investoren mit administrativen Mitteln zu erzwingen. Zugleich verbietet oder begrenzt das Gesetz aber in 40 Schlüsselsektoren auch Aktivitäten ausländischer Investoren. Damit fehlt dem Gesetz die letzte Konsequenz. Die deutsche Politik muss sich weiterhin dafür einsetzen, dass China ausländische Investoren fair und auf Augenhöhe behandelt.
Und wenn chinesische Unternehmen hier in Deutschland investieren?
Chinesische Firmen kaufen sich zu zwei Dritteln in Unternehmen ein, die gemäß der chinesischen Zukunftsstrategie »Made in China 2025« Schlüsselbranchen wie Maschinenbau oder Automotive bedienen. Es zeigt sich hier, dass die wirtschaftliche und auch wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der übernommenen Betriebe nicht nachlässt, etwa weil Know-how abgeschöpft würde. Dennoch bestärken wir das Bundeswirtschaftsministerium, in besonders sensiblen Bereichen Unternehmensübernahmen umfassender zu prüfen. Die Frage ist ja: Kaufen sich chinesische Konzerne als Privatunternehmen ein oder spielt der Staat mit? Denn dann geht es nicht mehr nur um ökonomische Interessen, sondern auch um eine mögliche politstrategische Einflussnahme.
Ein weiterer Schwerpunkt Ihrer Studie sind die Cybergefahren. Sie haben ermittelt, dass ein Drittel der Unternehmen aus Angst vor Cyberangriffen die Innovationstätigkeit zurückfährt.
Eine sehr gefährliche Entwicklung. Im Zeitalter von Digitalisierung und Industrie 4.0 riskieren Unternehmen ohne innovative, digitale Prozesse, Angebote oder Geschäftsmodelle ihre Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit. Sie verschenken Innovations- und Produktivitätspotenziale.
Wie groß ist die Gefahr tatsächlich?
Das ist schwer zu messen. Zumal in Deutschland niemand darüber spricht, wenn er Opfer eines Cyberangriffs wurde. Unternehmen befürchten einen Prestigeverlust, wenn es bekannt wird.
Was würde helfen?
Eine Lösung ist Transparenz. In Israel muss jeder Cyberangriff gemeldet werden. Rescue-Teams beginnen dann sofort, die Folgen des Angriffs einzudämmen. Das gelingt ziemlich gut und schützt auch die anderen.
Was ist außerdem zu tun?
Es geht um Aufklärung, Sensibilisierung und natürlich Fehlervermeidung. Wichtig sind niederschwellige Informations- und Beratungsangebote, insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen. Wir müssen Cybersicherheit in ihrer technischen wie rechtlichen Dimension in der Aus- und Weiterbildung, an den Hochschulen viel intensiver thematisieren. Praktisch schützen kryptologische Verfahren oder firmeneigene Netze.
Wie kann die Politik unterstützen?
Sie sollte die geplante Cyberagentur schnellstmöglich auf den Weg bringen, um mit ihr vor allem die Entwicklung von Cybersicherheitslösungen stärker zu fördern. Da haben wir großen Nachholbedarf. Das EFI-Gutachten ist im Internet abrufbar unter: www.e-fi.de