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Jetzt besser handeln

Waren zum Anfassen und Ausprobieren – Händler können auf die Anziehungskraft realer Geschäfte bauen

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 03/2020

Der E-Commerce wächst, doch das stationäre Geschäft liefert nach wie vor den Großteil des Umsatzes. Für Einzelhändler mit klassischen Läden stehen die Chancen daher gut – wenn sie sich auf neue Entwicklungen einstellen.

Für den Einzelhandel in Deutschland war 2019 ein passables Jahr: Um 3,38 bis 3,52 Prozent legten die Umsätze nominal zu, rechnete das Statistische Bundesamt hoch. Besonders erfolgreich war dabei der Online- und Versandhandel. Er wies, wie schon in den Jahren zuvor, deutlich höhere Steigerungsraten auf als der stationäre Handel. Holger Seidenschwarz (43), Handelsexperte bei ibi research an der Universität Regensburg, erwartet, dass sich der Trend fortsetzt: »Aus unserer Sicht ist noch kein Ende des Onlinebooms absehbar.« Bis zum Jahr 2025 rechnet ibi research mit einem Onlineanteil von 15,5 Prozent an den Einzelhandelsumsätzen. Derzeit sind es rund elf Prozent. »Der E-Commerce kann künftig sogar noch stärker wachsen – falls sich zum Beispiel auch in Deutschland der Online-Lebensmitteleinkauf auf breiter Front durchsetzen sollte«, so Seidenschwarz. Doch trotz des Höhenflugs der Onlineshops gilt: Der Großteil des Einzelhandelsumsatzes wird auf absehbare Zeit stationär erwirtschaftet. Der klassische Einzelhandel bietet daher auch in Zukunft noch gute Chancen, betont IHK-Einzelhandelsexpertin Carla Kirmis – trotz der zahlreichen Herausforderungen, die etwa durch veränderte Konsumgewohnheiten, neue Geschäftsmodelle oder zusätzliche Wettbewerber entstehen.

Strategien für den Wandel

Die gute Nachricht dabei ist: Es gibt zahlreiche Strategien, wie Unternehmen auf den Wandel reagieren können. »Händler sollten sich unter anderem darauf einstellen, dass die Kunden dank Internet immer besser informiert in die Geschäfte kommen«, sagt IHK-Expertin Kirmis. »Daher ist es wichtig, das Verkaufspersonal zu schulen und auch selbst einmal online nachzuschauen, wie das eigene Sortiment dort vermarktet wird.« Die hohe Transparenz, die das Internet herstellt, sorgt dafür, dass die Preissensibilität der Kunden steigt. »Hier können stationäre Einzelhändler, die ja ganz andere Kostenstrukturen haben als Online-Player, vor allem mit durchdachter Sortimentsgestaltung und cleveren Marketingideen gegensteuern«, sagt Kirmis. Dazu gehöre, das Internet als Werbe- und Kommunikationsmedium zu nutzen. »Auch für stationäre Händler ist eine Onlinepräsenz heute auf jeden Fall wichtig«, ist Theresa Schleicher, Geschäftsführerin der Vorn Strategy Consulting GmbH und Handelsexpertin des Zukunftsinstituts, überzeugt. »Das muss kein eigener Shop sein. Händler müssen jedoch im Internet sichtbar sein«. Die Möglichkeiten dafür sind vielfältig und reichen vom Google-My-Business-Eintrag über Newsletter-Marketing, Facebook- und Instagram-Accounts bis hin zu ausgefeilten Onlinekampagnen. Gegen sinkende Frequenzen, über die mehr als die Hälfte der Händler klagen, kann es helfen, Ladenflächen mit Veranstaltungen zu Stätten der Begegnung und Inspiration zu verwandeln. Selbstverständlich kann auch der Einstieg in den Onlineverkauf sinnvoll sein. Wie eine Multichannel-Strategie bestens funktioniert, zeigt das Musikhaus Kirstein aus Schongau, dem es gelingt, on- und offline geschickt zu verknüpfen. Händler sollten sich darüber im Klaren sein, dass der Schritt ins Internet zahlreiche neue Aufgaben mit sich bringt. »Neben technischen und logistischen Herausforderungen muss ein Onlineshop auch konsequent gepflegt und mit attraktiven Fotos und Produktbeschreibungen bestückt werden«, so Kirmis. Zudem sind Investitionen in Onlinewerbung, Suchmaschinenmarketing und -optimierung notwendig, um potenzielle Kunden auf das Angebot aufmerksam zu machen.

Plattformen für den Einstieg

»Einen leichteren Einstieg in den E-Commerce bieten Plattformen«, sagt Kirmis. Neben den großen US-amerikanischen Playern Amazon, eBay und Etsy haben weitere Anbieter, darunter real, Otto und Zalando, ihre Onlineshops für Drittanbieter geöffnet. »Durch den Verkauf auf Plattformen kann ein mittelständisches Handelsunternehmen sein Einzugsgebiet relativ unkompliziert ausweiten«, sagt die IHK-Handelsexpertin. »Allerdings sind auch hier ein leistungsfähiges Warenwirtschaftssystem und ausreichend Manpower im Kundenservice wichtige Erfolgsbausteine.« Moderne Technologien im Laden lohnen sich nicht nur für Multichannel-Händler. Sie können auch die Anziehungskraft eines rein stationären Händlers erhöhen. Auf der Internet World Expo, die im März in München stattfindet, zeigen zahlreiche Aussteller die neuesten Entwicklungen. Dort findet auch der BIHK-Kongress statt, der unter dem ermutigenden Motto »Retail neu entdecken – das Ladengeschäft als Chance im E-Commerce-Zeitalter« steht. »Die große Stärke stationärer Geschäfte besteht schließlich darin, dass die Kunden Waren dort anfassen, anprobieren und sich live inspirieren lassen können«, sagt IHK-Expertin Kirmis. »Auf diesen Stärken sollten Händler ihre Strategien aufbauen – und dann zielgerichtet investieren.« 
 

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