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Abseits der Norm

Marion Vogel ©
Lieben das Ausgefallene – KARE-Chefs Peter Schönhofen (r.) und Jürgen Reiter mit Hund Toto

KARE-Möbel stehen für Lebensfreude, Design, Toleranz und ein bisschen Verrücktheit. Mit diesem Nischenkonzept sind die beiden Gründer seit mehr als 40 Jahren international erfolgreich.

HARRIET AUSTEN, Ausgabe 07-08/2022

»Unsere einzige Zukunftschance ist, Erlebnis- und Gefühlswelten zu inszenieren«, versichert Peter Schönhofen. Was er und sein Kompagnon Jürgen Reiter darunter verstehen, erleben Kunden, die in München-Sendling durch das KARE-Möbelhaus streifen: Neben Klassikern stehen lila Samtsofas vor roter Schrankwand, goldene Kugellampen, kuschelige weiße Fellsessel, mit Strass belegte riesige Tierfiguren – Wohnwelten voller Glitzer und Glamour, die Lebensfreude ausstrahlen und zu ungewöhnlichen Kombinationen inspirieren. Das gilt im Grunde für alle 200 Markenshops des Unternehmens weltweit.

Paradies »für Junggebliebene jeglichen Alters«

»Unsere Artikel passen überallhin«, sagt Reiter selbstbewusst. Gegründet haben dieses Paradies »für Junggebliebene jeglichen Alters« (Schönhofen) zwei Freunde, die sich seit dem Gymnasium kennen, sich für das Gleiche begeistern und den Mut haben, Möbel, Lampen und Accessoires jenseits des Mainstreams anzubieten – verrückt, verspielt, extravagant.

»Mehr Geschmack als Geld« in den wilden 80ern

Woher diese Lust am Ausbrechen aus der Norm? Die beiden Unternehmer lachen. Es habe sicher an den wilden, schrillen und bunten 1980er-Jahren gelegen, in denen sie sich selbstständig machten. Aber auch daran, dass »wir als mittellose Studenten die Möbel, die es gab, todlangweilig oder zu teuer fanden«. Was lag näher, als nach dem Credo »Mehr Geschmack als Geld« nach eigenen Lösungen zu suchen? In ihrem ersten Laden verkauften sie noch selbst konfektionierte Regalsysteme und ausgefallene Wohnaccessoires.

Durchbruch der »zwei Wohnsinnigen«

Der Durchbruch gelang mit dem Umzug in ein größeres Geschäft, der Erweiterung des Sortiments und dem Werbespruch »KARE – die zwei Wohnsinnigen«. »Damit waren wir auf einen Schlag bekannt und der Handel stand Kopf«, erinnert sich Schönhofen, auch weil beide Gesicht zeigten: als Pappaufsteller im Laden oder auf großformatigen Fotos auf den Schaufensterscheiben.

»Freiheit, eigene Ideen zu verwirklichen«

Was ihnen auf Dauer weniger Spaß machte, war, ausschließlich Fremdkollektionen zu vertreten. Der Schritt in den Großhandel »bedeutete für uns Freiheit, eigene Ideen zu verwirklichen«, sagt Reiter.

Womit wir bei der Aufgabenverteilung wären: Während Reiter den KARE-Look prägt, sich um Produkte, Gestaltung und Finanzen kümmert, befasst Schönhofen sich mit E-Commerce, Vertrieb und Marketing. Der eine reist 200 Tage im Jahr um die Welt, um sich Anregungen zu holen, und entwickelt dann gemeinsam mit seinem Kreativteam oder Designern ausgefallene und qualitativ hochwertige Möbelstücke. Der andere sorgt mit provokanten Vermarktungsideen für Wirbel.

Franchise international

Nach ersten Erfolgen erkannten beide, »dass wir unsere spezielle Nische international nutzen können«, sagt Schönhofen. So entstand das Franchisesystem. Heute gehen 75 Prozent der Artikel in den Export. Eine eigene Akademie kümmert sich um Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern und Partnern, damit alle Läden ein einheitliches Niveau halten und die Marke nicht verwässert wird. Nach einer weltweiten Digitalisierungsoffensive sind in fast allen Dependancen digitale Rundgänge und 3-D-Einrichtungsberatung möglich. Einen Onlineshop gibt es natürlich ebenfalls.

10.000 Quadratmeter im Heizkraftwerk

Auch in München tat sich einiges: Umzug der ständig wachsenden Firma – im Angebot sind derzeit 7.000 Artikel – mit Headquarter, Logistik, Lager und dem Show-Room redboxx nach Garching und Eröffnung des 10.000 Quadratmeter großen Flagshipstores in Sendling. »Wir brauchten eine außergewöhnliche Immobilie für unser Haus der Fantasie«, so Reiter. In dem ehemaligen Heizkraftwerk sind neben Möbeln auch Kunst, Kultur und Gastronomie zu Hause.

Was schweißt zwei zusammen, die sich seit einer gefühlten Ewigkeit kennen und gemeinsam die Geschicke des Hauses lenken? »Erst mal die Überzeugung, dass es zu zweit einfacher und spaßiger ist als allein«, sagt Schönhofen. Beide seien sie in der Lage, Kompromisse einzugehen und auf Rechthaberei zu verzichten. Reiter fügt hinzu: »Bei uns ist der übliche Streitpunkt, das Geld, untergeordnet. Es geht nicht nur um Bilanzzahlen, sondern auch um die Weiterentwicklung der Menschen.«

Ein buntes Team

In München arbeiten 380 Mitarbeiter aus 46 Nationen, ein buntes Team, das wie eine Familie zusammenhält. Schönhofen und Reiter sehen den Erfolg ihrer Firma denn auch im Konzept eines Familienbetriebs, in dem schon die zweite Generation aktiv ist. Reiters Nichte leitet seit zehn Jahren den Einkauf, eine von Schönhofens Töchtern ist im Online- und Franchisebereich tätig. »Wir freuen uns, wenn es eine Nachfolge aus der Familie gibt, wir verlangen es aber nicht«, versichert Reiter.

Zu den Personen: Jürgen Reiter und Peter Schönhofen

Jürgen Reiter (64) und Peter Schönhofen (65) kennen sich seit ihrer Schulzeit in Trier. Nach Ausbildungen zum Bankkaufmann (Reiter) und Bürokaufmann (Schönhofen) wechselten beide nach München und studierten Betriebswirtschaftslehre, 1981 eröffneten sie ihr erstes Ladenlokal für Regalsysteme, aus dem die KARE Design GmbH entstand. Sie sind beide Inhaber und CEO des Möbelhauses, das in mehr als 50 Ländern 1.500 Mitarbeiter beschäftigt und zuletzt 170 Millionen Umsatz machte. Reiter ist ledig, Schönhofen verheiratet und Vater zweier Töchter.

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