Mutig loslegen

Jungunternehmer Florian Scherl nutzt künstliche Intelligenz intensiv, rät dasselbe dem Mittelstand und wirbt für mehr Entrepreneurship an Schulen.
Von Eva Schröder, IHK-Magazin 01–02/2024
Nicht jeder Unternehmer hat mit 20 Jahren bereits Fototermine mit Wirtschaftsministern, Verbandsspitzen und Firmenchefs. Florian Scherl, Abiturient von 2022 aus Traunstein, schon. Er mag für sein Alter früh dran sein, seine Geschäftsidee trifft den Zeitgeist jedenfalls genau. „Geschäftsschädigend wäre, die Riesenchance KI erst mal aufzuschieben und den Wissensaustausch als Mittelständler nicht ernst zu nehmen“, sagt er – und legt gleich los, wie er „das abstrakte Thema künstliche Intelligenz für den Mittelstand konkret machen will“.
Dabei ist sein Firmenname Programm: Die FAST AI Movies UG transformiert seit Mai 2022 Firmentexte zu Schulungsvideos, die Mitarbeitende verständlich, unterhaltsam und kostengünstig auf den aktuellen Stand bringen.
An die 20 Kunden hat er bereits, darunter den Sparkassenverband Bayern, einen Klinikverbund und 4 Ämter. Andreas Lehnig, Marketingleiter von Schattdecor SE, sagt: „Mit FAST AI Movies konnten wir Mitarbeiter aus 17 Standorten und 6 Repräsentanzen weltweit effizient und einheitlich schulen. Und fit für unseren Messeauftritt machen.“
KI-gestützte Software übersetzt Erfahrungswissen
Mit 2 Co-Foundern hat Scherl ein Transformermodell programmiert, das als Deep-Learning-Anwendung über den bekannten Textbot ChatGPT hinausgeht. Produktdatenblätter, Prozessabläufe, aber auch Stichpunkte aus dem Gedächtnis einzelner Mitarbeitender – also schwer dokumentierbares Erfahrungswissen – werden durch eine KI-gestützte Software „übersetzt“ in gesprochene Sprache und Kurzvideos.
Das Besondere: „Unsere Web-App erkennt aus den Texten oder Stichpunkten die Beziehungen zwischen den Begriffen, etwa a ist die Folge aus b und bewirkt c.“ Dies wird automatisiert zu Clips mit Icons und Grafiken, die wiederum in maximal 5-Minuten-„Happen“ unterteilt werden – mit Auswahlfragen in Quizform garniert.
Erkenntnisse der Lernpsychologie einbauen
„Studien haben gezeigt, dass spielerische Elemente den Lernerfolg um 65 Prozent erhöhen“, sagt Scherl. Deshalb gehören auch zwei Psychologiestudentinnen zum Team, die regelmäßig wissenschaftliche Paper nach neuen lernpsychologischen Erkenntnissen durchforsten. 30 Halbtagskräfte – Werkstudenten und Praktikanten – hat er bereits an Bord, 2024 sollen 3 Vollzeitmitarbeitende hinzukommen.
Aktuell seien 70-Stunden-Wochen für ihn normal, erzählt der angehende Informatiker, der sich mit 12 Jahren die Programmiersprache Python selbst beibrachte und mit 15 sein erstes KI-Modell mit PyTorch entwickelte.
TUM Incubator als Booster
Einer seiner Lehrer am Chiemgau-Gymnasium in Traunstein empfahl ihm die kostenfreien E-Learning-Seminare einer renommierten Softwarestiftung. Ein weiterer, Georg Klumpner, unterstützte ihn beim ersten Businessplan. „All das hat mein Feuer entfacht, selbst weiter zu programmieren.“ Weil er sehr erfolgreich an Wettbewerben wie „Startup Teens“ und „Jugend gründet“ teilnahm, erhielt Scherl Förderung und Preisgelder, die er re-investierte. Ein Booster war die Aufnahme in den TUM Incubator der Technischen Universität München, wo er nun für 5 Monate ein Büro, Coaching und Netzwerk hat.
„Schulfach Entrepreneurship wäre sinnvoll“
„Das Beste am Unternehmersein ist die Abwechslung“, erzählt Scherl begeistert. „Auch wenn wir schon Routinen haben, gibt es hier einen Kundenbesuch, da ein Mentorenmeeting, übermorgen einen Lunch mit anderen Gründern – einfach super! Anderen von meinen Plänen zu erzählen, hat mich und die Firma echt weitergebracht.“ Das komme in der Schule oft zu kurz. Scherl fände daher das Schulfach „Entrepreneurship“ ab Klasse 9 sinnvoll, um Interesse am Unternehmertum zu entfachen. Wenn Firmenchefs Klassenbesuche machten, erhöhe das die Glaubwürdigkeit und mache Mut.