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Kunstobjekt oder schlicht Sandale?

Felix Geringswald/Adobe Stock ©
Scheiterte mit Anspruch auf Urheberrecht – Sandalenhersteller Birkenstock

In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof einer ikonischen Sandale keinen Urheberrechtschutz als Objekt der angewandten Kunst gewährt. Ein wegweisendes Urteil für kreative Unternehmen und Selbstständige.

Von Gabriele Lüke, 6/2025

Ein Schuh ist ein Schuh – oder vielleicht auch ein Kunstwerk? Für die bekannten Sandalen der Marke Birkenstock mit ihren typischen und geformten Korksohlen, Schnallen und Lederriemen kam der Bundesgerichtshof (BGH) im Februar 2025 zu einem eindeutigen Urteil. Demnach ist die Birkenstock-Sandale tatsächlich „nur“ ein Schuh und kein Kunstwerk.

Was war geschehen? Die Unternehmen Tchibo, Bestseller und shoe.com boten Schuhe an, die den Birkenstock-Sandalen ähnelten. Birkenstock sah darin eine Nachahmung seiner Produkte, zog vor Gericht und verklagte die Wettbewerber auf Unterlassung, Rückruf, Vernichtung und Schadenersatz. Die Birkenstock-Anwälte beriefen sich dabei diesmal auf das Urheberrecht. Birkenstock-Sandalen, so ihre Argumentation, seien Objekte der angewandten Kunst und damit urheberrechtlich geschützt.

2013: Urheberrecht auch für Gebrauchskunst

Tatsächlich sichert das Urheberrecht einem Schöpfer ein Leben lang (und auch darüber hinaus) bestimmte exklusive Rechte an seinem Werk, etwa das Recht auf Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Darstellung oder Modifikation und eben auch die Verwertung. So kann der Urheber die Nutzung seines Werks kontrollieren und wirtschaftlich profitieren. Das Urheberrecht kann vererbt werden und erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers. Anders als beim Design- oder Markenrecht muss das Werk auch in kein Register eingetragen sein, um Schutz zu erlangen.

Dass auch Objekte der angewandten – und nicht nur der zweckfreien – Kunst urheberrechtlich geschützt werden können, ist noch eher neu. Es geht zurück auf das sogenannte BGH-Geburtstagszug-Urteil aus dem Jahr 2013. Damals sprach der BGH einer Designerin das Urheberrecht an einem von ihr entworfenen Spielzeugzug zu, auf den Zahlen und Kerzen gesteckt werden können.

Gestaltungshöhe ist entscheidend

„Das hat die Rechtsprechung verändert, seitdem sind angewandte und zweckfreie Kunst grundsätzlich urheberrechtlich gleichgestellt“, erläutert IHK-Juristin Tatjana Neuwald. „Die Anforderungen an die Gestaltungshöhe sind dabei für beide Werkarten sehr hoch.“  
Birkenstock hatte sich die Kunsthaftigkeit seiner Sandalen zuvor von Gutachtern bestätigen lassen. Das Unternehmen führte aus, dass bei der Gestaltung eines Schuhs, insbesondere bei der Sohlenform, dem Sohlenschnitt und der Materialwahl zahlreiche Möglichkeiten bestünden, der Unternehmensgründer Karl Birkenstock habe diese ganz individuell ausgeführt. So sei ein „ikonisches, brutalistisches, typisches Design“ entstanden – eben angewandte Kunst.

BGH erteilt Absage

Nach mehreren Revisionen landete der Fall schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Die höchsten Richter lehnten in ihrem Urteil einen urheberrechtlichen Schutz nun final ab. Sie beriefen sich auf die erforderliche nicht zu geringe Gestaltungshöhe: „Ein freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt“, so die Richter.

Tatjana Neuwald ordnet das Urteil ein: „Einerseits haben Unternehmen das Interesse, ein Produkt exklusiv zu besitzen, andererseits aber wollen auch die Wettbewerber produktfähig sein. Das Urteil steckt hier den Rahmen weiter ab.“ Der Geburtstagszug auf der einen Seite und die Birkenstock-Sandalen auf der anderen seien gute Leitplanken, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie die eigene Produktidee oder die eines Dritten geschützt ist – auch, wenn es keinen eingetragenen Marken- oder Designschutz dafür gibt.

Deutliche eigene Akzente setzen

Neuwald betont: „Wer im Bereich der angewandten Kunst arbeitet, sollte also prüfen, welchen Schutz er seinen Schöpfungen geben kann, damit er sich vor Nachahmung schützen kann. Ob er Design- und Markenschutz eintragen lässt oder ob es reicht, sich auf die wettbewerbliche Eigenart oder das Urheberrecht zu berufen.“ Eine wettbewerbliche Eigenart liegt immer dann vor, wenn die prägenden Eigenheiten eines Produkts von den Verbrauchern sofort einem Hersteller zugeordnet werden oder sich von anderen Produkten deutlich abheben. Auch das schützt vor Nachahmung.

Neuwald ergänzt: „Und für alle Wettbewerber gilt: Finger weg von fremdem geistigem Eigentum, eigene Kreativität entwickeln, deutliche eigene Akzente setzen. Das ist nicht nur ehrbar und fair, sondern schützt auch vor Abmahnungen und Prozessen.“

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