Kurzumfrage: Wie gehen Sie das Thema Bürokratie an?

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Den bürokratischen Aufwand gelassen und mit System angehen

Bürokratie kostet Zeit und ist aufwendig – wie gehen insbesondere kleinere Unternehmen und Soloselbstständige mit ihr um? Und wie stärken sich mental? Vier individuelle Einblicke in den bürokratischen Alltag.  

Von Harriet Austen, 9/2025

Simone Hornung, Medimobility GmbH, Grafing
Augen zu und durch

Wir haben keine finanziellen Mittel, um die Erledigung von gesetzlichen Pflichten auszulagern. Deshalb bleibt es an mir als Geschäftsführerin hängen. Das beste Beispiel ist die Berufsgenossenschaft (BG), die eine Fachkraft für Arbeitssicherheit vorschreibt. Ich haben diese zweitägige Ausbildung gemacht, um eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen zu können und die ganze Firma jährlich neu auf Risiken zu überprüfen. Das ist ein enormer Zeitaufwand, für den ich einen ganzen Arbeitstag brauche. In dem vorgefertigten, sehr detaillierten Onlinetool der BG muss ich Hunderte Anforderungen einzeln durchgehen und diejenigen wegklicken, die nicht für uns zutreffen. Dazu kommen noch die Maßnahmen, die wir dann ergreifen müssen. Für uns sind damit nicht nur höhere Personalkosten, sondern auch Frust und Druck verbunden, dem ich so begegne: Nicht ärgern. Augen zu und durch! 


Robert Beibl, Orange Veranstaltungstechnik, Wang
Vor allem eine Zeitfrage

Ausschreibungen von öffentlichen Stellen sind besonders aufwendig. Wir müssen schon bei geringen Beträgen eine erhebliche Reihe von Anforderungen hinterlegen: Unsere Produkte dürfen nicht aus Kinderarbeit bestehen oder aus Russland kommen, wir müssen das Lieferkettengesetz berücksichtigen und unsere Lohnkosten aufschlüsseln. Damit ist ein Fachkollege 2 Tage beschäftigt und mein Geschäftspartner fast einen Tag, um die Vordrucke auszufüllen. Wir sind gefühlt 25 Prozent unserer Arbeitszeit mit Bürokratie beschäftigt. Das ist lästig und anstrengend. Deshalb steht bei uns vor allem die Zeitfrage und weniger die mentale Seite im Vordergrund. Ich versuche, das Thema meinen Mitarbeitern gegenüber nicht überzubewerten, sonst würde man ja die Lust am Arbeiten verlieren. Dabei könnte man vor allem die kleineren Ausschreibungen wesentlich verbessern, um alle Beteiligten zu entlasten.


Sabine Schreiner, Ernährungswissenschaftlerin, -beraterin, Gräfelfing
Aufwendige Zertifizierung

Als Soloselbstständige kümmere ich mich natürlich selbst um Steuern, Buchhaltung und Bankgeschäfte. Sehr aufpassen muss ich, dass ich beim Verschicken meiner Newsletter alle Datenschutzbestimmungen erfülle und die Eintragungen DSGVO-konform sind. Am aufwendigsten sind allerdings Zertifizierungsverfahren. Da ereilt mich wirklich die Bürokratie. Für meinen neuen Onlinekurs muss ich zum Beispiel ein zeitraubendes Verfahren der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht durchlaufen, um festzustellen, ob je nach Kursformat die teure Zertifizierung nötig ist oder nicht. Damit das nicht zu viel auf einmal wird, teile ich mir die Aufgaben zeitlich auf, mache Pausen oder lange Spaziergänge. Da kommen mir die besten Ideen.


Alexander Kulla, Lernpiloten GmbH, München
Sich gegenseitig unterstützen 

Wir stellen Kindern und jungen Erwachsenen mit Einschränkungen Lernbegleiter zur Seite. Vor dem Schul- und Kindergartenstart im September haben wir aktuell 70 Genehmigungen für die Finanzierung durch die zuständigen Ämter ausstehend. Dieser Prozess ist wegen der Einzelbedarfsprüfung extrem aufwendig und dauert sehr lange – schwierig für uns, für die Familien, aber auch für die Ämter, die ja unter Personalmangel leiden. Das bedeutet für unser Team weniger Planungssicherheit, mehr Zeitaufwand, mehr Kapazitäten, mehr Kommunikation, mehr Beratung. Dazu kommt, dass wir als kleines Sozialunternehmen eventuell Risiken eingehen und die Kosten für die Betreuung des Kindes vorschießen, wenn die Genehmigung zu spät kommt. Denn die Kids müssen ja in die Schule. Um das alles zu bewältigen, unterstützen wir uns gegenseitig, betrachten es professionell und bringen Geduld sowie Verständnis in der Zusammenarbeit auf.

 

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