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Neues Leben für leere Flächen

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Leerstehende Ladenlokale zwischennutzen und für neues Leben in den Innenstädten sorgen

An Leerständen herrscht in vielen Innenstädten kein Mangel. Zwischennutzungen sorgen für neues Leben. Zugleich können die Zwischennutzer neue Geschäftskonzepte testen oder ihre Geschäfte saisonal ausweiten.

Von Stefan Bottler, 10/2024

Wenn der Kunde nicht zum Unternehmen kommt, muss das Unternehmen zum Kunden kommen. An diesem Grundsatz orientierte sich Jacob Kiefl, als er mit seinem Bruder Valentin Kiefl das Geschäftskonzept für „Urban Gardeners“ in einer zwischengenutzten Immobilie entwarf. „Viele Verbraucher aus der Innenstadt finden nicht zu unserem Markt am Rande des Großraums München“, sagt der Juniorchef des Gartencenters Kiefl in Gauting. „Mit Urban Gardeners konnten wir diese Zielgruppe mitten im Zentrum der Landeshauptstadt erreichen.“

Für ein halbes Jahr mieteten die Brüder die Flächen des früheren Sporthändlers Münzinger im Münchner Rathaus. Hier präsentierten sie ausgesuchte Zimmerpflanzen und überraschten mit IT-gestützten Dienstleistungen. „Wir wollen den Einkauf zum Erlebnis machen“, sagt Kiefl über das Geschäftskonzept, das Teil des Förderprojekts Future Retail Store der Rid Stiftung war. Die gemeinnützige Organisation will digitale Projekte im Einzelhandel unterstützen.

Leerstand nimmt zu

 „Urban Gardeners“ ist ein Paradebeispiel für die befristete Nutzung leerstehender Gebäude. Leerstand entsteht, wenn Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt saniert oder abgerissen werden soll, doch schon alle bisherigen Mieter ausgezogen sind. Oder wenn neue unbefristete Mieter erst zeitversetzt nach dem Auszug des Vormieters einziehen können. Kurzfristige Zwischennutzungen können hier ausgleichen.

„Angesichts der wachsenden Leerstände steigern sie damit auch die Attraktivität von Innenstädten“, ist IHK-Referatsleiterin Annette Hilpert überzeugt. Denn wenn Geschäftslokale und -häuser leer stehen, verleidet solche Tristesse vielen Verbrauchern auch die Einkaufsfreude. Sie suchen die Innenstädte gar nicht erst auf. Der Leerstandsmelder im Standortportal der bayerischen Industrie- und Handelskammern verzeichnet hierzu seit Jahren einen wachsenden Trend. „Vor allem innerstädtische Randlagen haben mit Leerständen zu kämpfen“, sagt IHK-Referentin Elisabeth Zehetmaier-Krocker. „Aber auch aus kleineren Städten kommen vermehrt Leerstandsmeldungen von privaten oder kommunalen Eigentümern.“

Einfach mal ausprobieren

An Zwischennutzungen zeigten sich bislang oft Veranstalter von Kulturevents interessiert. Ein Beispiel ist die Ausstellung „Meisterwerke“ Anfang 2024 in der ehemaligen Galeria Kaufhof am Stachus. „Aber auch für Handels- oder Dienstleistungsunternehmen – dabei nicht zuletzt für kleinere Firmen oder Gründer – sind Zwischennutzungen eine Option, wenn sie neue Geschäftskonzepte testen oder für ihr Saisongeschäft zusätzliche Flächen suchen“, sagt Hilpert.

Standardmietverträge reichen

Das rechne sich allerdings nur, wenn das Gebäude weiterhin die baulichen und gesetzlichen Anforderungen erfülle. Außer der Versorgung mit Strom und Wasser nennt die Innenstadtexpertin flexible Grundrisse und effizienten Brandschutz.

Die IHK-Vertragsexpertin Andrea Nützel empfiehlt, in der Präambel des Mietvertrags den Zweck der Vermietung und damit den Sinn der Befristung aufzunehmen, ansonsten reichen Standardgewerbemietverträge. Solche Empfehlungen werden auch die Kiefls im Kopf behalten. Für 2025 ziehen sie eine Wiedereröffnung von Urban Gardeners an einem anderen innerstädtischen Standort in Betracht.

IHK-Info zu Gewerbemietverträgen

Die IHK hat auf ihrer Website umfangreiche Informationen zu Gewerbemiet- und Pachtverträgen bereitgestellt.

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