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Hinterfragen erlaubt

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Kinderarbeit – heikles Thema im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz kann für kleinere Betriebe, die dem Gesetz eigentlich gar nicht verpflichtet sind, eine große Herausforderung sein. Weil sie von Kunden in die Mitverantwortung genommen werden. Ein neuer Leitfaden des BAFA erklärt, wozu sie wirklich verpflichtet sind – und wozu nicht.

Von Gabriele Lüke, 12/2023

Als Distributor von Produkten für die Gebäudeinfrastruktur und IT-Netzwerke ist die NetPeppers GmbH in Grafrath international ein gefragter Geschäftspartner. Das kleine Unternehmen mit 10 Mitarbeitenden pflegt Geschäftsbeziehungen nach China und in die USA, vertreibt in Deutschland und Europa mehr als 200 Produkte von dortigen Herstellern. „Das ist ein erfolgreiches, wachstumsorientiertes Geschäftsmodell“, sagt Geschäftsführerin Silvia Nebel. Jetzt macht das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) dem kleinen Betrieb große Sorgen. „Zwar sind wir aufgrund unserer Größe nicht in der Pflicht, das LkSG umzusetzen. Aber wir haben Kunden, die gesetzlich verpflichtet sind. Diese fragen nun an, ob wir selbst beziehungswiese unsere Lieferanten die menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflichten, die das Gesetz auferlegt, auch erfüllen.“

Nebel unterstreicht: „Eine pauschale Erklärung zu unterschreiben, dass dies gegeben ist, wäre nicht zu verantworten. Das tun wir nicht. Alles haargenau nachzuprüfen würde uns andererseits zeitlich wie finanziell überfordern – zumal unsere Lieferanten sehr viele Zulieferer auf mehrere Ebenen haben, die wir ja letztendlich alle prüfen müssten.“ Sie wünscht sich „klare Informationen, wo unsere LkSG-Pflichten beginnen und enden, wie wir agieren sollen“.

Kunden wollen kleine Betriebe mit einbinden

Viele kleinere Unternehmen sind aktuell in einer ähnlichen Situation. Seit dem 1. Januar 2023 verpflichtet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten zu berichten, wie sie die menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten umsetzen. Ab 2024 fallen auch Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern unter das Gesetz. Die gesetzlichen Anforderungen beziehen sich auf den eigenen Geschäftsbereich, auf Vertragspartner und anlassbezogen auch auf mittelbare Zulieferer. „Kleine Unternehmen müssen daher verstärkt damit rechnen, dass ihren Kunden entsprechende Informationen abfragen und sie auffordern, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen“, beobachtet IHK-Fachfrau Henrike Purtik.

Kostenfreie Handreichung des BAFA

Doch zu was sind KMU wirklich verpflichtet? In welchen Situationen müssen sie ihren Kunden zuarbeiten? Dürfen sie auch nein sagen? Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das als Kontrollbehörde für das LkSG fungiert, hat dazu die Handreichung „Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern“ entwickelt. Die Handreichung und die begleitenden „Wichtigsten Fragen und Antworten für KMU“ sind für große und kleine Unternehmen gleichermaßen relevant“, betont Purtik. „Denn die Handreichung legt ausführlich dar, was große Unternehmen von ihren Zulieferern verlangen dürfen und was nicht. Beziehungsweise mit welchen Forderungen sie eventuell sogar gegen das Gesetz verstoßen.“

Nicht zulässig: Pauschale Übertragung der Pflichten

Purtik fasst die zentrale Aussage für beide Seiten zusammen: „Eine pauschale Übertragung der Pflichten aus dem LkSG an Zulieferer ist nicht zulässig. Verpflichtete Unternehmen müssen risikobasiert vorgehen und bei Informationsabfragen gegenüber ihren Lieferanten begründen, warum sie welche Informationen benötigen. Für KMU bedeutet das, dass sie durchaus auch hinterfragen dürfen, ob sie wirklich alle Anforderungen der Kunden erfüllen müssen.“

BAFA erwartet von KMU Zusammenarbeit

Gleich zu Anfang stellt der Leitfaden klar: KMU müssen bezogen auf ihre Lieferkette im Gegensatz zu den verpflichteten Unternehmen

  • keine eigene Risikoanalyse durchführen,
  • nicht selbst prüfen, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen sie durchführen sollten
  • kein eigenes Beschwerdeverfahren einrichten,
  • keine Berichte an das BAFA übermitteln oder daran mitwirken.

Zugleich erwartet das LkSG von kleineren Zulieferern eine Zusammenarbeit mit ihren Kunden, also den verpflichteten Unternehmen. Denn unter Umständen kann das verpflichtetet Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen ohne die Informationen und Kooperation seiner Zulieferer nicht erfüllen. Dennoch ist es laut BAFA auch legitim, dass KMU ihren Kunden beschreiben, warum sie verlangte Maßnahmen mit ihren Ressourcen nicht durchführen können. Wenn der Kunde darauf nicht eingeht, können die KMU eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.

Konkretisierung verlangen

6 ausgewählte Hinweise vom BAFA für KMU zum Umgang mit Kundenanforderungen:

  1. Sie sollten ihrem Kunden – also dem verpflichteten Unternehmen – nicht pauschal vertraglich zusichern, dass sie alle Pflichten aus dem LkSG erfüllen. Dies zu verlangen ist von Seiten der Kunden unter Umständen sogar ein Verstoß gegen das LkSG.
  2. Wenn der Kunde Daten verlangt, dürfen KMU immer auch eine Begründung verlangen, warum speziell durch sie konkrete Risiken im Sinne des LkSG bestehen.
  3. Sie dürfen darauf verweisen, dass die abgefragten menschenrechtlichen und Umweltrisiken bei ihrer Tätigkeit keine Rolle spielen und eine Begründung einfordern, warum sie dennoch Daten liefern sollen.
  4. Sie dürfen um Konkretisierung bitten oder auch nach der Kostenaufteilung für Abhilfemaßnahmen fragen, wenn der Kunde die Beteiligung an Abhilfemaßnahmen verlangt.
  5. Sie dürfen in den Informationen, die sie bereitstellen, Geschäftsgeheimnisse unkenntlich machen; oder sie können mit den Kunden Verschwiegenheitsklauseln vereinbaren.
  6. Wenn sie sich beteiligen, sollten sie darum bitten, die Tools des Kunden zur Risikoermittlung mitzubenutzen.
Verhältnismäßigkeit wahren

Silvia Nebel hat den BAFA-Leitfaden inzwischen ausführlich gelesen. „Ganz ist meine Sorge noch nicht geschwunden“, sagt sie. „Als kleinerer Partner geraten wir in die Bredouille, sind gegebenenfalls auch ersetzbar, wenn wir die Vorstellungen unserer Kunden in Bezug auf das Gesetz nicht erfüllen oder von unseren Lieferanten zu viel Informationen verlangen und damit letztendlich auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit vieler Jahre anzweifeln – selbst wenn wir auf das Gesetz verweisen.“ Sie betont: „Das LkSG an sich ist gut und wichtig, Missachtung von Menschenrechten oder Umweltrisiken darf es nicht geben. Aber insbesondere für kleine, gesetzlich nicht verpflichtete, mittelbar betroffene Unternehmen müssen die Anforderungen verhältnismäßig sein.“

IHK-Info zum BAFA-Leitfaden und zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Kleine und mittlere Unternehmen unterliegen nicht dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, arbeiten aber häufig verpflichteten Unternehmen zu. Hier gibt es Informationen, wie sie mit den Anforderungen ihrer Kunden umgehen können:

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