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„Kleinigkeiten zu schätzen wissen“

Gerd Schönfelder ©
Der mehrfache Paralympics-Sieger Gerd Schönfelder referiert auf dem IHK-Selbstständigentag zum Thema Motivation

Paralympics-Rekordgewinner Gerd Schönfelder über Motivation in Leben, Sport und Unternehmertum.

Von Eva -Müller-Tauber 5/2025

Hallo Herr Schönfelder, mussten Sie sich heute schon motivieren?
Nein, ich habe immer was vor und es riecht nach Frühling, das allein motiviert mich schon.

Da sind wir gleich beim Thema: Wie entsteht Motivation? 
Immer dann, wenn ich einen Antrieb habe, ein Ziel vor Augen, etwas erreichen möchte. Als Sportler zum Beispiel muss ich stetig an mir arbeiten, um besser zu werden.

Das ist oft hart, erfordert Biss und Ausdauer.
Deshalb muss ich Spaß an dem haben, was ich tue. Ich muss mit Leidenschaft dabei sein, dann habe ich jeden Tag einen Anreiz, und kann auch über meine Grenzen gehen. Das hilft, mein Ziel zu erreichen. Dann kann ich leiden und schaffe es.

Wie hält man Motivation lebendig? 
Indem man Kleinigkeiten zu schätzen weiß. Das habe ich nach meinem Unfall gelernt. Ich bin dankbar, sehe nicht mehr alles als selbstverständlich an.

Lächeln – und Energielevel bestimmen

Zudem rate ich, mit einem Lächeln in den Tag zu starten. Es liegt schließlich an einem selbst, was man aus dem Tag macht, mit welcher Energie man da rein geht. Natürlich ärgert man sich über Negatives, aber es geht fast immer noch schlimmer. Dessen sollte man sich bewusst sein.

IHK-Info: IHK Selbstständigentag am 14. Mai 2025

Spannende Impulse zu E-Rechnung, IT-Notfall-Plan und KI erhalten Kleinunternehmer auf dem 4. IHK Selbstständigentag. Zum Abschluss der Halbtagesveranstaltung in der IHK München referiert Paralympics-Sieger Gerd Schönfelder zu MOTIVATION – living on the edge.

Also die Perspektive wechseln: das Bierglas als halbvoll und nicht halbleer betrachten?
Genau. Denn umgekehrt, was ist die Konsequenz, wenn ich mich hängenlasse? Wird es dann besser? Nein. Auch ich habe mich nach meinem Unfall gefragt: Mit nur einem Finger, was soll ich, was kann ich überhaupt noch machen? Da kann man gleich einen Deckel draufmachen.

Wie haben Sie sich zurückgekämpft?
Wenn es einem schlecht geht, lernt man das Leben richtig zu schätzen, wird kreativ. Ich bin lebensfroh, mich haben kleine Fortschritte motiviert. Und so habe ich mir viele Dinge wieder zurückerobert, im Alltäglichen, im Job und im Privaten, fahre auch wieder Motorrad und Mountainbike.

Eigene Begeisterung übertragen

Heute kann ich sagen: Der Unfall war schlimm, aber was daraus entstanden ist, würde ich nicht mehr gegen einen zweiten Arm eintauschen wollen. Wer weiß, wie mein Leben sonst verlaufen wäre. Abgesehen davon: Was nützt es, wenn ich zwei gesunde Hände habe, sie aber in den Schoß lege?

Das können sich die Besucher des Selbstständigentages, an dem Sie dieses Jahr referieren, nicht leisten. Damit sind wir beim Unternehmertum: Warum ist Motivation hierfür das Lebenselixier?
Wer Unternehmer wird, hat in der Regel eine Vision, will etwas Neues umsetzen oder etwas besser, anders machen als andere. Das ist sein innerer Antrieb, mit dem er sein Unternehmen auf Erfolgskurs bringen und halten kann. Im Idealfall gelingt es ihm, die Begeisterung für seine Idee dauerhaft auf seine Mitarbeitenden zu übertragen.

Kritik als Anregung verstehen

Wie schafft man das?
Aus meiner Tätigkeit als Para-Trainer kann ich sagen, es ist besonders wichtig, mit jedem auf Augenhöhe und ehrlich zu kommunizieren, den Einzelnen als wichtig zu erachten, ihm zuzuhören, zu fördern und zu fordern, wahre Wertschätzung zu zeigen. Außerdem sollte ein Chef eine Teamkultur pflegen, in der alles offen angesprochen werden kann und in der auch er Kritik nicht persönlich nimmt, sondern als Anregung versteht. Denn hier teilen die Mitarbeitenden ihre Perspektiven mit ihm. Wenn sich Mitarbeitenden ernst genommen fühlen, motiviert sie dies. Je kleiner die Firma, desto wichtiger ist der Draht zum Chef und das Umfeld.

Realistische Ziele setzen

Firmenchefs wie Trainer müssen aber auch Orientierung geben.
Unbedingt! Sie geben die Richtung vor, eröffnen sich, ihrem Unternehmen und ihren Mitarbeitern gemeinsame Perspektiven. Und sie definieren mit diesen die Ziele – aber die müssen realistisch sein, sonst erreichen sie das Gegenteil und demotivieren. Ich kann niemandem sagen „Du wirst bei diesem Rennen die Goldmedaille holen“, wenn er dafür nicht, oder noch nicht, das Potenzial besitzt. Aber ich kann sagen: „Du kannst es unter die ersten 20 schaffen.“

 


 

Zur Person: Gerd Schönfelder

Gerd Schönfelder wurde 1970 in Kulmain in der nördlichen Oberpfalz geboren. Nach seiner Ausbildung zum Elektroniker verlor er 1989 im Alter von 19 Jahren bei einem Zugunfall den rechten Arm und alle Langfinger der linken Hand. Diesen schweren Schicksalsschlag zum Trotz bildete er sich beruflich zum Elektrotechniker fort und startete 1990 seine Karriere im Deutschen Paralympics Skiteam alpin. Bis zu seinem Rücktritt im Jahr 2011 gewann er bei 6 Paralympics-Teilnahmen insgesamt 22 Medaillen. Mit 16x Gold, 4x Silber und 2x Bronze ist er bis zum heutigen Zeitpunkt der international erfolgreichste Athlet in der Geschichte der Winter-Paralympics. Zudem wurde er 14-mal Weltmeister und 8-mal Weltcupgesamtsieger. 2010 bekam er als erster Deutscher den IOC Disabled Athlete Award und wurde 2011 vom IPC zum Weltbehinderten Sportler geehrt. 2012 wählten ihn die Deutschen Spitzenathleten zum Champion des Jahres der Deutschen Sporthilfe. Beruflich ist Gerd Schönfelder als Trainer im Paralympics-Ski-Team engagiert und arbeitet in verschiedenen Bereichen im Marketing. Zudem hält er Vorträge, um andere Menschen zu motivieren.

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