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Mit Klimaneutralität werben

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Gefährdetes Klima: OLG Schleswig definiert Klimaneutralität

Darf ein Produkt als klimaneutral beworben werden, auch wenn die Klimaneutralität nur durch CO2-Kompensation und nicht CO2-Vermeidung entstanden ist? Das Oberlandesgericht Schleswig sagt Ja.

Von Gabriele Lüke, 04/2023

Produkte werden immer klimaneutraler – zumindest wenn es nach der Werbung geht. Aber stimmt das auch? Ist wirklich Klimaneutralität gegeben, nur weil Klimaneutralität draufsteht? Oder können es die Verbraucher nicht doch mit einer Irreführung und damit handfestem Greenwashing zu tun haben? Das Oberlandesgericht Schleswig hat im Sommer 2022 klargestellt, wann die Bewerbung eines Produkts als klimaneutral zulässig ist – nämlich immer dann, wenn der CO2-Fußabdruck bei Null liegt. Dabei sei es egal, ob dies durch CO2-freie Produktion oder durch CO2-Kompensation erreicht wurde.

Begriff „klimaneutral“ zu unpräzise?

In Gang gebracht wurde die Diskussion durch die Wettbewerbszentrale, die mehrere Unternehmen wegen des Claims „klimaneutral“ abgemahnt hatte. Ihre Begründung: Die Klimaneutralität sei in den beanstandeten Fällen lediglich durch Kompensation mit CO2-Zertifikaten erreicht worden. Es sei quasi keine echte, durch CO2-Vermeidung entstandene Klimaneutralität. Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig sah dies anders. „Klimaneutral“ könne ein Produkt auf unterschiedlichen Wegen werden. CO2-Zertifikate seien mittlerweile ein üblicher und dem Verbraucher bekannter Weg. Zudem gebe es keine Vorschrift, der zufolge bei der Werbung mit „Klimaneutralität“ näher erläutert werden muss, auf welche Weise die Klimaneutralität erreicht wird. Die beanstandete Werbung sei damit zulässig.

OLG Schleswig: Klimaneutralität ist messbar

Die Argumentation des Gerichts im Einzelnen: Im Gegensatz zum unscharfen Begriff der Umweltfreundlichkeit sei der Begriff der Klimaneutralität messbar, er enthalte also eine klare und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Aussage. In der international gültigen Norm DIN EN ISO 14021 seien die Anforderungen an umweltbezogene Anbietererklärungen zudem klar geregelt: „CO2-neutral“ bedeutet, dass der Kohlendioxid-Fußabdruck des Produkts Null beträgt oder ausgeglichen worden ist. Der Begriff umfasse also beides. Entscheidend für die Neutralität ist also nur, dass beim CO2 unterm Strich eine Null steht.

Die Richter gingen davon aus, dass sich auch in Verbraucherkreisen, die an Umweltaussagen interessiert sind, dieses Verständnis etabliert habe. Insofern sei die Angabe „klimaneutral“ auch nach Paragraf 5 a Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht schon irreführend, auch wenn der Verbraucher ohne nähere Erläuterungen nicht beurteilen kann, wie die Klimaneutralität erreicht wurde. Angaben dazu, auf welche Weise die beworbene Klimaneutralität erzielt wird, seien nicht als wesentliche Information im Sinne des Paragraf 5 UWG zu verstehen.

Aussagen eindeutig auf das Produkt beziehen

Zur praktischen Umsetzung empfiehlt IHK-Rechtsexpertin Viktoria Apitzsch dennoch, etwas weiterzugehen als es die Richter des OLG Schleswig im zugrundeliegenden Fall fordern: „Auf der sicheren Seite sind Unternehmen, wenn die Angabe „klimaneutral“ sich optisch eindeutig auf das Produkt bezieht und gut sichtbar, im besten Fall im Blickfeld des Claims, ergänzt wird, auf welche Weise die Klimaneutralität erreicht wurde.“ Auch sollte „klimaneutral“ nicht in Nähe zum Unternehmensnamen auftauchen. Denn dann könnte der Eindruck entstehen, es handle sich um eine unternehmensbezogene statt produktbezogene Umweltaussage. Es sei denn, das Unternehmen ist tatsächlich als Ganzes klimaneutral.
OLG Schleswig, Urt. v. 30.6.2022 – 6 U 46/21

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