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Verkauf von Markenware: Achtung, Stolpersteine

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Wer in seinem Laden Markenartikel verkaufen will, sollte die Bedingungen kennen

Dürfen Händler Markenprodukte einfach so ein- und weiterverkaufen? Oder kann der Markeninhaber sie zum Schutz seiner Marke daran hindern? Zwei Grundsätze sind zu beachten.

Von Gabriele Lüke, 9/2023

Auch in Zeiten hoher Inflation bleiben viele Verbraucher ihren Lieblingsmarken treu. Insbesondere Luxusmarken werden gekauft wie eh und je. Aber wie funktioniert der Handel mit Markenware eigentlich? Dürfen Händler Markenprodukte einfach ins Sortiment nehmen, sie ohne weiteres einkaufen und weiterverkaufen? Oder müssen sie beim Markeninhaber eine Erlaubnis einholen? Laufen sie sogar Gefahr, Markenrechte zu verletzen, wenn sie nicht abklären, ob sie die Waren verkaufen dürfen?

„Markeninhaber haben alles Recht, ihre Marken zu schützen, der Weiterverkauf von Markenprodukten ist nicht trivial“, sagt IHK-Markenrechtsexpertin Tatjana Neuwald. „Frisch gegründete, noch unerfahrene Unternehmen oder auch solche, die ihr Sortiment mit Markenartikeln erweitern möchten, sollten sich daher gut informieren.“ Denn wer gegen Markenrechte verstößt, muss mit Abmahnungen oder Gerichtsprozessen rechnen. „Das lässt sich durch eine saubere Vorbereitung des Markenverkaufs vermeiden“, so die Expertin.

Zwei Wege sind üblich

Beim Inverkehrbringen von Markenprodukten sind im europäischen Binnenmarkt und den Vertragsstaaten der EU zwei Wege üblich: nach Erschöpfungsgrundsatz oder über den selektiven/exklusiven Vertrieb. Der Erschöpfungsgrundsatz ist in § 24 Abs. 1 MarkenG (Markengesetz) geregelt. Selektiver Vertrieb bedeutet, dass Hersteller und Händler einen individuellen Vertriebsvertrag schließen. Was dabei erlaubt ist und was nicht, regeln das Kartellrecht und die Vertikal-GVO (Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung).

Nach Erstverkauf sind Markenrechte erschöpft

Zunächst zum Erschöpfungsgrundsatz. Dieser besagt, dass der Markeninhaber einem Dritten nicht verbieten kann, (echte) Markenware zu verkaufen, sobald er selbst oder ein von ihm autorisierter Dritter die (echte) Markenware erstmals auf dem europäischen Binnenmarkt in Verkehr gebracht hat. „Seine Rechte haben sich dann erschöpft“, erklärt IHK-Expertin Neuwald. „Jeder weitere Händler kann die Produkte dann nach Belieben einkaufen und weiterverkaufen und auch mit ihnen werben. Der Markeninhaber darf Händlern den Vertrieb seiner (echten) Markenware nicht mehr verbieten.“

Es sei denn, die Weiterverkäufer haben Veränderungen an der Ware vorgenommen oder schädigen ihren Ruf. „Dann kann der Markeninhaber trotz Erschöpfungsgrundsatz einschreiten und sich dem Verkauf durch die betroffenen Händler widersetzen“, ergänzt Maral Noruzi, Markenspezialisten und Gründerin der Kanzlei Noruzi Law in München.

Genau hinschauen bei Einkäufen in Drittländern

Das zweite Szenario, das den Erschöpfungsgrundsatz einschränkt und über das weiterverkaufende Händler stolpern könnten: Die Händler kaufen ein auch in Europa beliebtes Markenprodukt in einem Drittland ein, etwa den Vereinigten Staaten oder Brasilien, um es dann in Europa weiterzuverkaufen. „Nur weil das Produkt in diesem Drittland einzukaufen ist und verkauft wird, heißt das nicht, dass auch in Europa der Erschöpfungsgrundsatz zum Tragen kommt“, warnt Tatjana Neuwald. Es könne sein, dass der Markenhersteller das Produkt minimal und daher kaum erkennbar für Amerika oder Brasilien abgeändert habe.

So würde es dem in Europa verkauften Produkt zwar ähneln, ihm aber nicht entsprechen. Damit wäre das spezielle Produkt also in Europa gar nicht willentlich auf den Markt gebracht, der Erschöpfungsgrundsatz nicht eingetreten. „Insofern ist es immer sinnvoll, beim Markeninhaber direkt oder einem autorisierten Dritten wie dem Großhändler in Europa einzukaufen“, rät Maral Noruzi. „Oder sich das Verkaufsrecht bestätigen zu lassen, wenn man sich aufgrund der Einkaufsbedingungen nicht hundertprozentig sicher sein kann, dass der Weiterverkauf rechtens ist.“

Sei der Verkäufer nicht bereit, eine solches Verkaufsrecht zu bestätigen, sollten die Alarmglocken schrillen und der Eigenschutz Vorrang haben, rät Tatjana Neuwald. Sonst könne aus einem vermeintlich guten Deal, schnell ein teurer Misserfolg werden.

Markenprodukte im selektiven Vertrieb

Den selektiven Vertrieb behalten sich vor allem Luxusmarken vor. Hier sucht der Markeninhaber seine Händler selbst und exklusiv aus. Natürlich können sich Händler auch darum bewerben. Kommt dieser spezielle Vertriebsweg zum Tragen, ist der Erschöpfungsgrundsatz faktisch außer Kraft. Der Markeninhaber behält die Hoheit über die Art und Weise des Vertriebs seines Produkts.

„Die ausgewählten Vertragshändler verpflichten sich in der Regel, bestimmte Bedingungen zu erfüllen etwa in Bezug auf Service, Präsentation oder Ladengestaltung. Auch kann Gegenstand der Absprachen sein, ob in dem Laden zugleich Marken anderer Hersteller verkauft werden dürfen“, erläutert Anwältin Noruzi. „Zudem können die Markeninhaber in solchen Verträgen das Territorium bestimmen, auf dem ein Händler die Ware vertreiben darf: einzelne Regionen oder ganze EU-Länder.“ Und auch der Vertrieb an Dritthändler kann beschränkt sein.

VertikalGVO regelt Verkaufsvorgaben

Umstritten war lange, ob im Rahmen eines selektive Vertriebssystems auch Vorgaben zum Onlineverkauf gemacht werden dürfen. Der Europäische Gerichtshof erkannte 2017 an, dass jedenfalls für bestimmte Produkte mit einem besonderen Beratungsbedarf oder Image solche Vertriebsbeschränkungen zulässig sein können, erklärt IHK-Fachfrau Neuwald. Seit Mitte letzten Jahres stellt auch die aktualisierte VertikalGVO klar: Internetvertrieb darf durch Vertriebsvorgaben der Markeninhaber nach wie vor nicht per se verboten und behindert werden. Vorgaben zum „wie“ und „wo“ des Verkaufs im Internet können Markeninhaber durchaus machen.

Unbekannte Marken nach Europa bringen

Bleibt ein weiterer Aspekt. Wie gehen Händler am besten vor, die neue Waren aus Drittstaaten verkaufen wollen  ̶  also Waren, die in Europa noch niemand kennt? Für die es in Europa daher auch noch gar keine autorisierten Händler oder einen selektiven Vertrieb gibt? Und welche Rolle spielt hier das Markenrecht? Dieser Fall kann beispielsweise eintreten, wenn Innenausstatter auf einer Reise außerhalb Europas hübsche Dekorationsgegenstände entdecken, die sie gern in ihren Läden verkaufen möchten. „Die Händler müssen auf jeden Fall klären, ob die Ware im Herkunftsland als Marke angemeldet ist“, sagt Noruzi.

„Dabei müssen sie auch herausfinden, ob der Markenschutz nur im Herkunftsland gilt oder vielleicht sogar weltweit.“ Im ersten Fall endet der Markenschutz an der Landesgrenze, im zweiten eben nicht. Am besten, so der Rat der Expertin, „setzen sich die Händler mit dem Hersteller vor Ort zusammen, lassen sich den Verkauf in Europa explizit genehmigen  ̶  und kümmern sich dann natürlich auch noch um die nötigen Zoll- und Einfuhrbestimmungen.“

IHK-Service: Markenrecht

Wer sich zu Markenrecht und selektivem Vertrieb vertieft informieren möchte, findet viele Informationen auf der IHK-Website.

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