Klimaschutz | Unternehmen

Problemlöser Reverion: „Doppelte Leistung“

Thorsten Jochim ©
Flexibles Kraftwerk am Start – Reverion-Chef Stephan Herrmann

Brennstoffzellen-Kraftwerke: Reverion-Gründer Stephan Herrmann hat mit seinem Team eine Technologie entwickelt, mit der sich aus Biogas viel effizienter und günstiger Energie gewinnen lässt.

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 05-06/2023

Die Wirkung wäre beachtlich: „Falls alle rund 9.700 Biogasanlagen in Deutschland mit unserer Technologie ausgerüstet wären, würden sie im besten Fall so viel Strom erzeugen wie etwa 20 Kernkraftwerke mit der Leistung von Isar 2, und zwar ohne klimaschädliche Treibhausgasemissionen“, rechnet Stephan Herrmann vor. Der 37-Jährige ist Geschäftsführer der Reverion GmbH. Seine innovative Kraftwerkstechnologie soll helfen, die Energiekrise besser in den Griff zu bekommen.

Die neuartigen Brennstoffzellen-Kraftwerke des Unternehmens erzeugen aus herkömmlichem Biogas entweder grünen Strom oder grünen Wasserstoff – ganz nach Bedarf. Biogas entsteht bei der Vergärung von Biomasse wie etwa Grasschnitt, Mist oder Futtermittel. Eines dieser „Mikro-Kraftwerke“ passt in einen herkömmlichen 20-Fuß-Transportcontainer, lässt sich einfach per Lkw bewegen und mit einer der vielerorts vorhandenen Biogasanlagen verbinden.

Hoher Wirkungsgrad durch Hochtemperatur

Herrmann hat die Technologie in jahrelanger Entwicklungsarbeit als Doktorand und später als Abteilungsleiter am Lehrstuhl für Energiesysteme der Technischen Universität München (TUM) gemeinsam mit den 4 späteren Reverion-Mitgründern ausgetüftelt. In seiner Doktorarbeit „Verwertung von Biogas mittels Brennstoffzellen“ legte der Maschinenbauingenieur gewissermaßen das Fundament für die Technologie.

Das Prinzip: Biogas strömt zunächst aus den einige Meter hohen Biomasse-Bottichen durch Aluminiumleitungen in eine separate Gasreinigungsanlage. Von dort fließt das Gas weiter in spezielle Hochtemperatur-Brennstoffzellen, die in einer elektrochemischen Reaktion Strom produzieren. „Wir erreichen bei der Stromerzeugung einen elektrischen Wirkungsgrad von 80 Prozent. Gegenüber konventionellen Gasmotoren, die nur 40 Prozent schaffen, erzielen wir also die doppelte Leistung“, sagt Herrmann und verweist auf die am Reverion-Standort aufgebaute Testanlage. Sie habe „während mehrerer tausend Betriebsstunden nachgewiesen, dass die Technik unter realen Alltagsbedingungen problemlos funktioniert“.

Finanzierung gesichert

Ein erster Prototyp des Brennstoffzellen-Kraftwerks entstand in der Garchinger Werkstatt der TUM. Um das innovative Verfahren zu schützen, brachte die TUM 2015 und 2017 erste Patentanmeldungen auf den Weg. Im Jahr darauf erhielten die Forscher 1,8 Millionen Euro aus dem Validierungsförderungsprogramm VIP+ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, sodass sie die Weiterentwicklung der vielversprechenden Technologie vorantreiben konnten.

Schließlich folgten im Frühjahr 2022 die Firmengründung sowie der Umzug in ein neues Gewerbegebäude am neuen Entwicklungs- und Produktionsstandort Eresing. Ein weiterer Meilenstein war die wenig später abgeschlossene erste Finanzierungsrunde über insgesamt 7 Millionen Euro. Im April sammelte das Unternehmen gerade erst weitere 8,5 Millionen Euro bei Investoren ein, um die Serienproduktion voranzutreiben. Hinzu kommen 12 Millionen Euro an Forschungsmitteln für die weitere Entwicklung der Anlagen.

Energie zum viel günstigeren Preis

Unternehmer Herrmann ist überzeugt, dass die Kraftwerke einen gewichtigen Beitrag leisten könnten, um den Energiebedarf in Deutschland zu decken. Zudem produziert die Reverion-Lösung die Energie vergleichsweise preisgünstig. Abhängig von den jeweiligen Biogas-Erzeugungskosten, sei pro Kilowattstunde Strom ein Marktpreis von 7 und 8 Cent möglich, also ein Bruchteil des Ende 2022 registrierten Preisniveaus.

Die Klimabilanz ist ebenfalls gut. Zwar entsteht bei der Stromproduktion auch Kohlendioxid, das aus dem Biogas stammt. Das Treibhausgas lässt sich jedoch weiter verwenden, beispielsweise in der Getränkeindustrie. Eine Klimabelastung verursacht der Kraftwerksbetrieb selbst dann nicht, wenn das CO2 in die Umgebung entweicht.  

Brennstoffzellen im Rückwärtsbetrieb

Eine weitere Besonderheit der Reverion-Innovation liegt darin, dass die Anlagen automatisch ihren Betriebsmodus wechseln können. Die Brennstoffzellen erzeugen dabei quasi im Rückwärtsbetrieb aus überschüssigem Strom, den Photovoltaik (PV)- oder Windkraftanlagen zeitweise erzeugen, entweder aus Wasser grünen Wasserstoff oder mit dem CO2 aus dem Biogas grünes Methangas.

Der Hintergrund: Wenn gerade sehr viel Strom aus erneuerbaren Energien in die Netze fließt, drosseln die Netzbetreiber mitunter die großen PV-Anlagen oder schalten diese vorübergehend ab, um eine Netzüberlastung zu vermeiden.

Überschüssigen Strom nutzen

„Wenn wir überschüssigen PV-Strom für den reversiblen Kraftwerksbetrieb verwenden, könnten die kostspieligen Eingriffe der Netzbetreiber in die Stromnetze zumindest teilweise entfallen“, sagt Herrmann. Zudem würden die erneuerbaren Energien effizienter genutzt. Die im reversiblen Betriebsmodus entstandenen gasförmigen Energieträger lassen sich entweder speichern oder unmittelbar in die Erdgasnetze einspeisen.

Kosten nach 8 Jahren amortisiert

Beeindruckt von den Vorteilen des Reverion-Systems zeigt sich Josef Haller (66), Geschäftsführer der Bioenergie GmbH & Co. KG im niederbayerischen Waldmünchen: „Die bahnbrechende Technologie mit ihrem hohen Wirkungsgrad hat uns überzeugt.“ Ende Juni 2023 wird der Bioenergieanbieter ein Kraftwerk in Betrieb nehmen und es mit der betriebseigenen Biogasanlage verbinden, um grünen Strom oder Wasserstoff zu produzieren. Nach spätestens 7 bis 8 Jahren, so Haller, dürften sich die Investitionskosten amortisiert haben.

Anerkennung kommt auch von anderer Seite: Das Unternehmen gehört zu den Gewinnern des Bayerischen Energiepreises 2022 und des Wettbewerbs Energie Start-up Bayern 2022. „Mittlerweile häufen sich die Anfragen potenzieller Kunden“, freut sich Herrmann. Vorbestellungen in Höhe von rund 73 Millionen Euro liegen dem Unternehmen bereits vor.

50 bis 60 Anlagen jährlich

Deutlich steigen soll die Zahl der Beschäftigten. „Derzeit sind es 45, in 2 Jahren werden es voraussichtlich mindestens 100 sein“, sagt der Unternehmer. Bis dahin, so sein Plan, werden auch die Produktionskapazitäten voll ausgeschöpft sein. Herrmann: „Dann können wir pro Jahr rund 50 bis 60 Anlagen herstellen, ausliefern und bei den Kunden vor Ort installieren.“     


DIE PROBLEMLÖSER

Klimaschutz, Energiekrise, Fachkräftemangel – das sind nur einige der gewaltigen Probleme, vor denen wir gerade stehen. In Oberbayern gibt es zahlreiche Unternehmen, die diese Herausforderung annehmen: Sie entwickeln kluge Lösungen für die drängenden Aufgaben unserer Zeit. Das IHK-Magazin stellt diese Problemlöser in einer Serie vor.

Verwandte Themen