Klimaschutz | Betrieb + Praxis

Klimarisiken verringern

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Anhaltende Hitzewellen – in Spanien und Italien verdorren Olivenbäume

Starkregen, Überschwemmungen, Hitze – die Klimarisiken für die Wirtschaft nehmen zu. Wie können sich Unternehmen dagegen wappnen?

Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 07-08/2024

Für Michael Sendl, Inhaber des Bio-Supermarkts Biomichl OHG in Weilheim, sind die Folgen des Klimawandels deutlich zu spüren: Aktuell kann er seinen Kunden zum Beispiel nur wenig und sehr teures Olivenöl anbieten. „Das liegt an den Dürren, den schlechten Ernten, die das Hauptlieferland Spanien in den letzten zwei Jahren erlebt hat“, berichtet er. „Und Olivenöl wird nicht das einzige Produkt bleiben, das der Hitze zum Opfer fällt.“

Um solche klimabedingten Engpässe aufzufangen, hat der Unternehmer einen eigenen Klimaanpassungsplan entwickelt: „Wir verändern das Sortiment, erklären den Kunden aber auch, warum wir das tun und was noch passieren kann.“ Der Klimawandel werde dazu führen, dass sie in Zukunft nicht mehr immer alles ausreichend und zu jeder Zeit bekommen. „So nehme ich sie in die Klimaanpassung mit.“ Ganz praktisch hat er ans Olivenölregal einen Zettel geklebt, der die Gründe für den Lieferengpass und die Preiserhöhung nennt und zugleich Rapsöl als Alternative vorschlägt.

Extremwetter immer häufiger und intensiver

Hitze und Dürre zu Hause oder in den Lieferländern – das sind nur zwei von mehreren Klimarisiken, auf die Unternehmen sich einstellen müssen, je mehr die Erderwärmung zunimmt. Auch häufige und intensivere Extremwetterereignisse sind zu erwarten. Wie verheerend sich zum Beispiel Starkregen auswirken kann, zeigte sich gerade erst Anfang Juni in Bayern und Baden-Württemberg. Gewaltige Niederschläge richteten in kürzester Zeit enorme Schäden an.

Sich zu wappnen und Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen, ist daher sinnvoll. „Klimaanpassung ist Vorsorge, sichert die Rentabilität, schafft Vertrauen, sorgt für Zukunftsfähigkeit“, betont Andri König, Referent für Nachhaltigkeit bei der IHK für München und Oberbayern.

Folgen für Mitarbeitende und Prozesse

Einige der Auswirkungen des Klimawandels zählt Holger Komischke, Leiter des Klima-Zentrums (KliZ) am Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg, auf: „Hitze kann zu zeitweiligen Engpässen in der Kühlwasserversorgung führen, weil die Flüsse zu warm sind. Leicht verderbliche Lebensmittel oder andere sensible Güter können hitzebedingt nicht mehr wie bisher produziert, gelagert, transportiert werden. Und wenn Arbeitsstätten zu sehr aufheizen, werden Mitarbeiter krank.“

Überflutungen oder Starkregen können wiederum Gebäudeteile, Anbauflächen oder die Infrastruktur zerstören. Die Folgen für die Unternehmen sind meist gravierend: Produktionsprozesse und Lieferketten geraten ins Stocken, es entstehen Produktionsverluste und -ausfälle.

Klimaanpassung auch von CSRD angemahnt

Mit den physischen Klimarisiken und den daraus resultierenden finanziellen Folgen gehen weitere regulatorische Risiken einher, ergänzt die Münchner Klimaberaterin Sibylle Zavala. So verlangt die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), dass die berichtspflichtigen Unternehmen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette Klimarisiken benennen und Gegen- beziehungsweise Anpassungsmaßnahmen ergreifen.

„Wer Klimarisiken nicht antizipiert, stellt gegebenenfalls seine Kreditwürdigkeit infrage, riskiert seine Reputation als zuverlässiger Partner“, warnt Zavala. Sie beobachtet, dass das Bewusstsein für die Gefahren in der Wirtschaft zugenommen hat. „Unternehmen berücksichtigen zunehmend Klimarisiken und Klimaanpassung in ihren Planungen.“

Mit einer Risikoanalyse starten

Wie gehen Firmen in der Praxis am besten vor? „Zunächst geht es darum, die Risiken zu analysieren“, rät Zavala. Hat es in der Region des Unternehmens oder in den Lieferländern schon Extremwetterereignisse gegeben? Welche und wie oft treten sie auf? Was könnte in Zukunft drohen?

Von Verschattung bis Diversifizierung

Hier zählt auch die eigene Beobachtung, denn für kleinere Regionen liegen exakte Klimamodulationen meist nicht vor. Danach gilt es, die Folgen abzuschätzen und präventive Maßnahmen zu entwickeln. Zavala nennt als Beispiele:

  • bauliche und technische Maßnahmen wie Verschattung, Dämmung, Gründächer, Entsiegelung oder Versickerungsmulden
     
  • Diversifizierung von Zulieferern oder alternative Transportwege, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen
     
  • organisatorische Maßnahmen wie die Einführung von Überwachungs- und Frühwarnsystemen, flexible Arbeitsorte wie Homeoffice, um den Betrieb auch während extremer Wetterereignisse aufrechtzuerhalten, oder Cloudsysteme zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenverfügbarkeit bei physischen Schäden an lokalen Servern
     
  • Elementarschaden- oder Betriebsunterbrechungsversicherungen, langfristig die Anpassung des Geschäftsmodells über Diversifizierung, Sortiments-, Material- oder Produktmodifikationen – oder auch durch die Aufgabe von nicht klimaresilienten Geschäftszweigen.

Hinzu kommen Schulungen der Mitarbeitenden, ein Kommunikationsplan, der den Stakeholdern, Partnern und Kunden etwaige Veränderungen erklärt, und ein Notfallplan.

Förderprogramme sichten

Das Infozentrum UmweltWirtschaft (IZU) hat mit dem Klima-Zentrum eine praxisnahe Handlungshilfe zur Klimaanpassung in Unternehmen erstellt (siehe Link am Ende des Textes). KliZ-Chef Komischke rät zudem, Förderprogramme zu sichten. Zugleich gibt es auch für Firmen mehr und mehr Beratungsangebote, zum Beispiel von der Bayerischen Architektenkammer. Letztendlich geht es in den meisten Fällen um ein Maßnahmenbündel.

Biomichl-Chef Sendl etwa hat nicht nur das Sortiment angepasst, sondern schon vor 10 Jahren eine Kühlung installiert, die das Grundwasser nutzt, damit sowohl seine Waren als auch seine Beschäftigten die wachsende Hitze im Sommer besser aushalten. Für seine Rinder legt der Nebenerwerbslandwirt Futterreserven an, falls während der heißen Sommer seine Wiesen verdorren.

Wetter torpediert Material und Zeitpläne

Auch bei der COPLAN AG in Eggenfelden mit Niederlassung in München hat der Klimawandel bereits zu Anpassungen geführt. Das Ingenieurbüro plant und berät im Hoch- und Tiefbau. Die Beschaffenheit der Böden ändert sich durch Extremwetter, manche Baumaterialien halten zum Beispiel die Hitze nicht gut aus.

„Schutz vor Starkregen oder Überflutungen muss mehr denn je von vornherein in Bauten integriert werden“, erklärt Vorstand Christoph Gottanka. „Mitarbeiter nehmen durch Hitze Schaden, zudem torpediert Extremwetter die Zeitpläne – all dies berücksichtigen wir inzwischen in unseren Planungen. Wir haben damit im Übrigen schon vor 10 Jahren begonnen, jetzt nehmen unsere Kunden es immer besser an.“

Klimasimulationen vor Baustart

In der Praxis simulieren die COPLAN-Mitarbeitenden Starkwetterereignisse, um dann zu entscheiden, wie die Gebäude, Plätze und Straßen, die sie planen, klimaresilienter werden können. Zu den Maßnahmen gehören zum Beispiel mehr Verschattung, Gründächer, größer dimensionierte Regenwasserabläufe oder der Einsatz von Lehm als kühlendem Baumaterial.

Beim eigenen Betriebsgebäude in Eggenfelden gibt es ebenfalls ein Gründach und Nachtkühlung im Sommer, um den Mitarbeitenden eine angenehme Arbeitstemperatur zu ermöglichen. „Letztendlich ist die beste Klimaanpassung aber“, sagt Gottanka, „so nachhaltig und CO2-neutral wie möglich zu bauen und zu wirtschaften und so dazu beizutragen, die Erderwärmung zu stoppen.“

Mit Kommunen kooperieren

Dringend notwendig sei angesichts der Komplexität der Klimawandelfolgen zudem die Kooperation von Kommunen mit ihrer Bürgerschaft und mit Unternehmen, ergänzen Anne von Streit von der Ludwig-Maximilians-Universität und Marie-Theres von Schickfus vom ifo Institut in München. Sie arbeiten gemeinsam im Projekt KARE (abgekürzt für Klimawandelanpassung auf regionaler Ebene). Das Projekt will Städte und Gemeinden im bayerischen Oberland für die Folgen des Klimawandels sensibilisieren und entwickelt gemeinsam mit Akteuren aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft praxisrelevante Instrumente für das kommunale Starkregenrisikomanagement.

„Unternehmen sollten sich Gedanken machen, welche Infrastrukturen für ihren Betrieb relevant und bei Starkregen eventuell gefährdet sind“, sagt von Schickfus. „Dann können sie sich über ihre Verbände, die Kammern oder individuell an ihre Kommunen wenden und einbringen.“

Gemeinsame Handlungsansätze entwickeln

Die Bayerische Klima-Anpassungsstrategie (BayKLAS) 2016 beinhaltet ebenfalls kooperative Ansätze und bezieht die Wirtschaft als Akteur mit ein. Das neue Klimaanpassungsgesetz, das Mitte 2024 in Kraft tritt, sieht zwar keinen Erfüllungsaufwand für Unternehmen vor, sondern nimmt vor allem Länder und Kommunen in die Pflicht. „Aber die werden auch die Wirtschaft ins Boot holen“, prognostiziert Expertin Zavala.

Sie empfiehlt Unternehmen, nicht nur auf die Städte und Gemeinden zuzugehen. Sie sollten sich auch untereinander weiter vernetzen, von- und miteinander lernen, gemeinsame Handlungsansätze finden. „Je früher Unternehmen sich auf Klimarisiken vorbereiten, desto stärker werden sie später davon profitieren.“

Sich mit anderen Unternehmen vernetzen

Unternehmer Sendl zum Beispiel engagiert sich im BioMarkt Verbund, einem Zusammenschluss von selbstständigen Biomärkten. Er regt dort Sortimentsanpassungen an, um bei Engpässen Alternativen zu haben. „Untereinander teilen wir Verbundmitglieder Ideen – so ist auch der Olivenöl-Zettel entstanden“, berichtet er. Zudem thematisiert der Unternehmer im IHK-Regionalausschuss Weilheim den Klimawandel.

Das Ingenieurbüro COPLAN wiederum geht auf Hersteller von Baumaterialien zu, setzt sich im Verband der planenden Ingenieure, in der Bauinitiative Sustainable Bavaria oder über den IHK-Regionalausschuss Rottal-Inn für Klimaschutz ein. „Wir nutzen zudem, dass wir viel für die öffentliche Hand arbeiten, bringen hier Ideen ein“, sagt COPLAN-Vorstand Gottanka.

Klimawandel birgt geschäftliche Chancen

Neben all den Risiken birgt die Klimaanpassung auch eine unternehmerische Chance. Mehr und mehr werden neuartige technische Lösungen, Dienstleistungen oder Beratung gebraucht. Mario Browa, Geschäftsführer der Browatech GmbH & Co. KG im fränkischen Geroldsgrün, hat zum Beispiel ein Drainagetextil für Dächer entwickelt: Es ist aus speziell gewebtem Industriestoff und wird in begrünte Dächer integriert.

Textilien gegen Regenfluten

Es saugt bei Starkregen das Wasser auf und drosselt so dessen Abfluss in die Kanalisation. Entsprechend zeitverzögert fließt das Wasser nach und nach ab. So wird die Kanalisation nicht überlastet, Überschwemmungen bleiben aus. Die Turnhalle einer Grundschule ist das erste deutsche Pilotprojekt. Das Hauptgeschäft macht Browa mit seiner Idee bereits seit mehreren Jahren in den USA.

Erderwärmung stoppen

Dass er mit seiner Lösung auch Geld verdient, sei ein schöner Nebeneffekt der eigentlichen Absicht, sagt Browa: „Klimaanpassung ist eine leider notwendige Folge des fortschreitenden Klimawandels – ihn müssen wir stoppen.“

IHK-Info zum Klimaschutz

Klimaanpassung ist eine wachsende Herausforderung. Hier gibt es Informationen.

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