Gut beraten durchstarten
Mit einer individuellen Strategie und dem passenden Finanzierungsfahrplan können sich Unternehmen auch in schwierigen Zeiten Geld für Investitionen beschaffen.
Von Eva Müller-Tauber, IHK-Magazin 09/2024
Wer dauerhaft erfolgreich sein will, muss sein Geschäftsmodell immer wieder optimieren. Das wissen auch Alexander Götzner (33), Simon Werner (31) und Christoph Schulz (34). In ihrem Ladengeschäft „Lederhosen Junkies“ in Höhenkirchen-Siegertsbrunn bei München bieten sie hochwertige, personalisierte Hirschlederne an. Bisher lassen sie ihre individuell gestalteten „Kurzen“ von Firmen aus Süddeutschland für ihre Kunden maßschneidern und besticken.
Nun möchten die 3 einen Teil der Produktion ins Unternehmen eingliedern und ihren gesamten Workflow digitalisieren, inklusive Webshop und Onlinekonfigurator. So wollen sie unter anderem den Kunden, die bei den zahlreichen individuellen Gestaltungsoptionen manchmal die Qual der Wahl haben, die Entscheidung erleichtern. „Dafür benötigen wir jedoch erstmals zusätzliches Kapital in 5-stelliger Höhe“, erklärt Marketing- und Sales-Manager Schulz. Bisher hatten die Jungunternehmer ihre Ausgaben ausschließlich über Eigenmittel finanziert.
Banken zurückhaltend
Das Problem: „Als kleinem und recht jungem Unternehmen, das zudem keine bahnbrechende Innovation auf den Markt bringt, sondern ausschließlich seine Produkte und seine Geschäftsidee weiterentwickelt, bleiben uns nicht so viele Finanzierungsmöglichkeiten außer ein Bankkredit oder Förderungen beziehungsweise Zuschüsse“, sagt Schulz. Bei den umliegenden Banken haben die Unternehmer bereits angefragt. „Die reagierten jedoch sehr zurückhaltend“, so Schulz, der auch die wirtschaftlich angespannte Gesamtsituation dafür verantwortlich macht. „Aber an sich sollte ein Unternehmen gerade in schwierigen Zeiten investieren, um sich zukunftsfest aufzustellen.“
Mit der offenen Finanzierungsfrage stehen die Lederhosen Junkies nicht allein da. Ob für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, den Kauf neuer Maschinen oder Investitionen in die Digitalisierung – in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, bei einem hohen Zinsniveau ist es für Unternehmen nicht immer einfach, an Geld zu kommen.
Das liegt auch daran, dass viele Firmen vor allem auf Bankkredite setzen. „In der aktuellen Finanzlandschaft werden die Anforderungen für die Kreditvergabe durch Banken stetig strenger“, sagt Lena Weiß, betriebswirtschaftliche Beraterin bei der IHK für München und Oberbayern. Die Gründe dafür liegen etwa in einer immer strikteren Regulierung sowie in wachsenden Anforderungen an das Risikomanagement. Außerdem spielt das Thema Nachhaltigkeit eine immer stärkere Rolle bei der Kreditvergabe. Das stellt gerade kleine und mittlere Unternehmen vor Herausforderungen.
Investitionsbedarf bestimmen
Doch ein Bankkredit ist bei Weitem nicht der einzige Weg, Investitionen zu finanzieren. „Deshalb bieten wir Mitgliedsunternehmen unsere betriebswirtschaftliche Beratung und Unterstützung an, um ihnen individuelle, alternative oder ergänzende Finanzierungsmöglichkeiten aufzuzeigen“, so Weiß (siehe Kasten unten).
Was besonders zu beachten ist: „Vor jeder Investition sollten Unternehmen den Investitionsbedarf genau prüfen und hierfür einen detaillierten Business Case erstellen“, rät die IHK-Expertin. „Dieser Schritt ist entscheidend, um sicherzustellen, dass alle finanziellen Aufwendungen klar definiert sind und die Investition tatsächlich dazu beiträgt, die Unternehmensziele zu erreichen.“
Auch sei es wichtig, die goldene Finanzierungsregel zu beachten. Sie besagt, dass die Fristigkeit der Finanzierung der Dauer der Kapitalbindung der finanzierten Objekte entsprechen sollte. Langfristig gebundene Vermögensgegenstände sollten also auch mit langfristig überlassenem Kapital finanziert werden. „Dies minimiert das Risiko finanzieller Engpässe und sorgt für eine solide Finanzstruktur“, so Weiß.
Digitale Plattform und IHK-Beratung
Auch die Lederhosen Junkies haben das Beratungsangebot der IHK genutzt. Nach einer ersten telefonischen Kontaktaufnahme und einer schriftlichen Anfrage meldete sich ein betriebswirtschaftlicher Berater bei ihnen. Er machte sie unter anderem auf die Unternehmenswerkstatt UWD (www.uwd.de) aufmerksam. Diese digitale Plattform der teilnehmenden Industrie- und Handelskammern (IHK) bietet für Mitgliedsunternehmen und Gründer umfangreiche Informationen für den gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens – von der Gründung über die Weiterentwicklung der Firma bis hin zur Nachfolge. Hier lassen sich zum Beispiel detaillierte Geschäfts- und Finanzierungspläne erstellen.
Gemeinsam mit dem IHK-Berater optimierten die Lederhosen Junkies ihren Finanz- und Businessplan und bewarben sich über die Hausbank für einen Universalkredit und den Gründungs- und Wachstumskredit der LfA Bayern. Nun hofft das Trio auf eine positive Rückmeldung.
Finanzierungsplan für Nachfolge
Sebastian Gouy ist schon etwas weiter. Anfang Mai 2024 übernahm der 41-Jährige die SYMTO GmbH in Burgheim im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Der Schritt vom Geschäftsführer zum alleinigen Inhaber des mittelständischen Herstellers von Reinigungstextilien war auch für den erfahrenen Entrepreneur und Unternehmensberater, der bereits ein Start-up mitgegründet hatte, eine besondere Bewährungsprobe. „Eine Unternehmensnachfolge anzutreten, als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer, das ist herausfordernd. Schließlich übernehme ich große Verantwortung für mich, meine Familie und meine Mitarbeiter“, so der Firmenchef.
Entsprechend sorgfältig ging Gouy vor. Als die Idee zur Unternehmensnachfolge konkreter wurde, erstellte er einen Finanzierungsplan. Den Unternehmenskauf ausschließlich über Eigenmittel zu stemmen, lehnte er ab. „Da hätte ich meine Entscheidung nochmals genau überdenken müssen.“ Ein üblicher Bankkredit schien ebenfalls nicht die Lösung zu sein. „Und bei einem Investor ist man immer auch fremdbestimmt, das wollte ich nicht.“
Gründungs- und Wachstumskredit
Also suchte Gouy unter den zahlreichen regionalen und nationalen Förderprogrammen nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten. Er sicherte seine Ergebnisse und Informationen bei der betriebswirtschaftlichen Beratung der IHK ab und stellte einen Förderantrag für einen Gründungs- und Wachstumskredit der LfA Förderbank Bayern, der auch bewilligt wurde.
Ist es angesichts der wirtschaftlichen Flaute nicht ein ungünstiger Zeitpunkt für eine solche Investition? Unternehmer Gouy verneint das entschieden: „Wer legt fest, wann ein günstiger Zeitpunkt ist?“ Natürlich sei es leichter, an Geld zu kommen, wenn man es nicht unbedingt brauche. „Aber wer früh genug und gut vorbereitet mit der Bank in Kontakt tritt – nicht erst, wenn es eng wird – und wer ein durchdachtes Konzept und einen USP, ein Alleinstellungsmerkmal, vorweisen kann“, so seine Erfahrung, „der hat auch in wirtschaftlich eher angespannten Zeiten gute Chancen auf externe Finanzmittel.“
Weitere Kapitalgeber einbinden
Es lohnt sich auch, neben Bank- und Förderkrediten weitere Finanzquellen in Erwägung zu ziehen. Unternehmer können sich zum Beispiel weitere Partner suchen – so wie Furkan Yerlesmek. Nachdem die erste Finanzierungsrunde für die Gründung eines Lebensmittelgeschäfts in Rosenheim über die Bank nicht wie erhofft verlaufen war, riet ein IHK-Berater dem heute 27-Jährigen, weitere Gesellschafter mit zusätzlichem Kapital einzubinden. Yerlesmek überzeugte seine Freunde Aziz Demir und Levent Karagöz, nicht nur aktiv und mit ihrem Know-how, sondern auch mit Kapital in die Firma einzusteigen.
Seit rund 1 Jahr bietet die PAK-ET Frischmarkt GmbH im Aicherpark Outlet in Rosenheim nun tatsächlich ihre Produkte an – türkische Feinkost, Fleisch und Obst. „Zu dritt und dank der guten Beratung durch die IHK und unsere Ansprechpartner bei der Bank hat es auch mit dem Gründungsdarlehen geklappt“, freut sich Yerlesmek.
Plan B ist vorbereitet
Auch die 3 Lederhosen Junkies haben einen Plan B vorbereitet, falls es mit der Förderung wider Erwarten nichts werden sollte. „Dann verschieben wir die Investition und das Projekt zeitlich etwas nach hinten und versuchen, es in Eigenleistung zu wuppen, unsere Marke eigenständig voranzutreiben“, so Schulz. Doch er und seine Partner denken positiv: „Wir haben gut vorgearbeitet und unsere Zahlen stimmen uns optimistisch.“
IHK-Service: Betriebswirtschaftliche Beratung
Die betriebswirtschaftlichen Berater der IHK unterstützen Mitgliedsfirmen bei Fragen der Weiterentwicklung, Förderung und Finanzierung. Einen guten Überblick zu Finanzierung und Förderung liefert der IHK-Ratgeber Finanzierung und Förderung.
Nachhaltige Finanzierungsansätze, die ökologische, soziale und Governance-Aspekte (ESG-Kriterien) berücksichtigen, werden zunehmend wichtig für die Attraktivität einer Firma am Markt und für Investoren. Die IHK bietet eine dazu eine Checkliste Nachhaltigkeit.