Zum Träumen

Von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt kann der Weg sehr weit sein. Wie Markus Wiesböck die Kultschlafsack GmbH trotz aufwendiger Produktentwicklung und einer schwierigen Herstellersuche zur Erfolgsgeschichte machte.
Sabine Hölper, Ausgabe 04/2021
Die Entwicklungskosten sind hoch, doch das hält den Unternehmer nicht ab. Den perfekten Schlafkomfort gibt es eben nicht zum Nulltarif. Markus Wiesböck verfolgt seit rund zehn Jahren das Ziel, den perfekten Schlafsack zu erfinden. Rund 40 Modelle, die diesem Anspruch zumindest sehr, sehr nahe kommen, hat er bereits auf den Markt gebracht.
Wiesböck ist Unternehmer, seit er 26 ist. Zunächst gründete der heute 50-Jährige in Kolbermoor den Outdoorladen »Sport Go West«, später das »Brotkaffee«. 2010 begann er schließlich, Schlafsäcke zu entwerfen, und gründete die Kultschlafsack GmbH in Bad Feilnbach.
Wichtige Hinweise von Kunden
Warum eigentlich Schlafsäcke? »Es hätten auch Wanderschuhe sein können«, antwortet Wiesböck. Aber er hatte nun einmal seit seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann jahrelang in einem großen Sporthaus in München in der Abteilung für Schlafsäcke gearbeitet. Dass er von Kindheit an außerdem viel Campingurlaub gemacht hat und noch immer gerne Trecking-Touren unternimmt, ist da fast nebensächlich. Er war für Schlafsäcke zuständig, also lernte er alles über Schlafsäcke. Vor allem die Kunden gaben ihm wichtige Hinweise: »Die Industrie hat immer kleinere und leichtere Schlafsäcke auf den Markt gebracht«, sagt er. »Doch die Käufer wollten komfortable Schlafsäcke und nicht solche, die so eng sind, dass man Platzangst bekommt.«
40 Produktionsstätten in Europa ausprobiert
Wiesböck wollte den Outdoor-Fans geben, wonach sie suchten – einen warmen, kuscheligen, bequemen Schlafsack, in dem man weder friert noch schwitzt. Der Unternehmer plante, gemeinsam mit zwei Mitstreitern in Oberbayern innovative Schlafsäcke zu entwickeln. Ein Betrieb in der Umgebung – also zumindest in Europa – sollte sie fertigen.
Doch die Herstellersuche gestaltete sich viel schwieriger als gedacht. »Mehr als 40 verschiedene Produktionsstätten in ganz Europa haben wir ausprobiert«, sagt Wiesböck. Keine konnte die Qualität liefern, die der Unternehmer für seine Marke Grüezi bag definiert hatte.
Gleich einer der ersten Hersteller in Deutschland, dem er seine Wünsche nach weniger Plastik und anderen Kriterien vorgetragen hatte, war ein »Reinfall«, so Wiesböck. Das Unternehmen sei »mehr an Gewinn als an guten Schlafsäcken interessiert« gewesen. »Die Sache endete im Streit und vor Gericht.«
Schwierige Lieferantensuche
Also recherchierte Wiesböck weiter, googelte Firmen in Asien und flog mit drei Adressen in der Tasche nach China. Aber mit keinem der Unternehmen dort kam er ins Geschäft. Schließlich rief er daheim an, bei einem Freund mit Kontakten in China. Und der konnte tatsächlich einen Manager vermitteln, mit dem Wiesböck bei mehreren chinesischen Herstellern vorfahren konnte. Kontaktaufnahmen und Gespräche fielen nun leichter – und waren am Ende tatsächlich erfolgreich: Ein Unternehmen, das auch für andere Firmen Schlafsäcke produziert, schlug ein. Wiesböck konnte seine Vorstellungen von Materialien und Design verwirklichen.
Wenngleich er auch »erschrocken war, was für ein Aufwand das ist: Wenn man ein Schlafsackdesign in zehn Farben hat, braucht man zehn Riesenrollen aus Aluminium mit fünf Metern Länge und 60 Zentimetern Durchmesser als Drucknegativ. Und die sind teuer.«
Innovationen besprochen und ausprobiert
Schließlich aber konnte Wiesböck mit seinem fertigen Schlafsack unterm Arm zum TÜV SÜD in Shanghai gehen. Der prüfte, ob das Produkt auch alle Vorgaben und Bestimmungen erfüllt und nahm es ab. Wiesböcks erster eigener Schlafsack aus Kunstfasern war marktreif.
Nun entwickelte Wiesböck einen Daunenschlafsack, den »Spider Down«. Die Idee eines Kammersystems, das wie ein Spinnennetz aufgebaut ist, hatte er bereits seit vielen Jahren im Hinterkopf. Der Netzaufbau sollte verhindern, dass die Daunen verrutschen.
Kritische Expertin
Die Gespräche mit den chinesischen Herstellern waren nicht leicht. »Die Expertin war sehr kritisch«, erinnert sich Wiesböck. Doch sie ließ sich auf seine Vorstellungen ein, gemeinsam probierten und testeten sie. Sogar die Idee, Merinowolle im Fußbereich zu verwenden, um die Füße trocken und warm zu halten sowie Geruchsbildung zu vermeiden, fand nach anfänglichem Zögern Anklang bei den Produzenten. 2014 kam der Schlafsack auf den Markt und wurde über spezialisierte Einzelhändler vertrieben – mit Erfolg. Wiesböck konnte höhere Stückzahlen produzieren lassen.
Aufgeben kam nicht infrage
Die Gewinne investierte der Unternehmer in die weitere Produktentwicklung. Er schlief daheim im Bett viel besser, seit er auf Wolle lag. Also war klar, dass Wolle auch in den Schlafsack gehört. Aber wie viel? »Viel hilft viel«, dachte er zuerst. Ein Irrtum. Viel Wolle bedeutet auch viel Gewicht und eine verstopfte Waschmaschine nach dem ersten Waschen. Wiesböck gab Tausende Euro aus, verwendete viel Zeit mit seinen Mitstreitern in Bayern, konferierte mit den Produzenten in China. Doch es funktionierte nicht. Der Schlafsack hielt entweder nicht warm oder er war zu schwer oder er war nicht waschbar – »oder einfach alles zusammen«. Aufgeben kam für Wiesböck nicht infrage. Irgendwann, nach etlichen Tests im Labor, sogar mit Wärmebildkameras, war der erste Wollschlafsack erfunden. Der »Biopod Wolle Zero« erhielt gleich mehrere Auszeichnungen.
Komplett kompostierbarer Schlafsack
Wiesböck entwickelt weiter: Einen komplett kompostierbaren Schlafsack hat er bereits auf den Markt gebracht. Seine neueste Weiterentwicklung basiert auf Maisblättern, als Nylon-Ersatz. Im Oktober will er die erste Jacke herausbringen, im nächsten Jahr sollen Isomatten und T-Shirts folgen. Alle Produkte vertreibt er im eigenen Onlineshop sowie über den Fachhandel in mehreren Ländern.