Bewegung im Markt

Über Jahre hinweg sind im Großraum München kaum noch neue Logistikimmobilien entstanden. Doch das ändert sich gerade.
Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 05-06/2025
Der Neubau hat 60.000 Quadratmeter Lagerfläche, besteht aus 2.022 Betonfertigteilen und steht auf einer 24.150 Tonnen schweren Betonplatte. Im Frühjahr 2025 hat die GROUP7 AG International Logistics nach nur 1-jähriger Bauzeit das neue Logistikzentrum in Schwaig im Landkreis Erding in Betrieb genommen.
Das 48 Millionen Euro teure Gebäude lässt in puncto Energieeffizienz und Nachhaltigkeit kaum Wünsche offen. Auf dem Dach zum Beispiel versorgt eine großflächige Photovoltaikanlage den Standort mit bis zu 3 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr, auf dem Parkplatz stehen 125 Ladesäulen für E-Autos und E-Lkws und eine 20.400 Quadratmeter große Grünfläche lädt zu Arbeitspausen im Freien ein. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat das Logistikzentrum dafür mit dem Goldzertifikat ausgezeichnet.
Mehr „big boxes“ rund um München
Mit dem Bau treibt GROUP7 den Flächenumsatz im Großraum München in die Höhe. Rund 135.000 Quadratmeter wurden dem Makler- und Beratungsunternehmen Logivest GmbH zufolge 2024 neu gebaut. Das ist klar mehr als in den Vorjahren. Außerdem entstand zum 1. Mal seit fast 4 Jahren ein Neubau mit deutlich mehr als 10.000 Quadratmetern Nutzfläche. „Der Markt kommt wieder in Bewegung“, freut sich Marco Mendes (49), Chief Operating Officer (COO) von Logivest. Für die kommenden Jahre rechnet der Marktkenner mit weiteren „big boxes“ rund um München.
Gleichermaßen bleibt aber auch die Nachfrage nach kleinen Logistikflächen hoch. Im Gegensatz zu anderen Ballungszentren gibt es in der bayerischen Landeshauptstadt kaum Leerstand. „Weil viele Kommunen lange Zeit wenig aufgeschlossen für Logistikneubauten waren, ist ein Nachfragestau entstanden“, sagt Mendes. „Jetzt wachsen die Chancen, dass dieser Stau aufgelöst wird.
Steigende Mieten, kürzere Vertragslaufzeiten
Als Konsequenz sind allerdings auch die Mieten so hoch wie nie zuvor. Quadratmeterpreise zwischen 10 und 14 Euro registriert Logivest im Großraum München. Das ist deutlich mehr als in den benachbarten Logistikhochburgen. Allerdings haben auch in Augsburg und in Niederbayern die Preise mit 8 bis 8,50 Euro ein Rekordniveau erreicht. Gleichzeitig sind die Vertragslaufzeiten kürzer geworden. Viele Vermieter wollen nur noch für 5 statt für 10 Jahre abschließen.
Die Zeiten, als Städte und Gemeinden Logistikbauten ausschließlich mit ständig steigendem Lkw-Verkehr assoziierten, scheinen jedoch vorbei zu sein. Mittlerweile steuern viele Dienstleister ihre Lager- und Transportprozesse mit hochmoderner IT und investieren in Robotik und andere Automatisierungstechnik. Wenn sie diese Arbeit in energieeffizienten und nachhaltigen Neubauten verrichten, sind sie in vielen Kommunen willkommen.
Nachhaltigkeitsnachweis als Türöffner
Für Investoren und Entwickler sind deshalb DGNB-Zertifikate oder andere Nachhaltigkeitsnachweise wenigstens für größere Objekte Pflicht geworden. Wenn sie außerdem an attraktive Unternehmen vorvermieten, erhöht das die Chance auf Zustimmung der jeweiligen Kommune.
Mancher Kommunalpolitiker macht sein Ja von einem solchen Vertrag abhängig. „Weil Entwickler nur eine Baugenehmigung erhalten, wenn die künftigen Mieter den Vorstellungen der Kommunen in puncto Gewerbe, Verkehrsbelastungen und Steueraufkommen entsprechen, machen spekulative Projektentwicklungen derzeit wenig Sinn“, sagt Maximilian Sänger, Team Leader Industrial & Logistics München des Gewerbeimmobiliendienstleisters CBRE GmbH.
Standorte aufwerten mit Leuchtturmprojekten
Von Logistikzentren, die diese Voraussetzungen erfüllen, versprechen sich Kommunalpolitiker eine „Aufwertung des Wirtschaftsstandorts“, wie Stephan Keck, Erster Bürgermeister von Kirchheim bei München, es zum Beispiel für das Objekt „City Dock“ formuliert. Es wird vom Immobilienentwickler Panattoni Germany Properties GmbH aktuell für kleine und mittlere Unternehmen realisiert.
Ab Herbst können die Firmen Flächen ab 1.600 Quadratmetern nutzen. Gebaut wird mit allen möglichen Nachhaltigkeitsmaßnahmen bis hin zu einem innovativen Luftfilter, den ein Berliner Start-up entwickelt hat.
Auch für Christoph Böck, Erster Bürgermeister von Unterschleißheim, können Logistikzentren ein „Gewinn für die Stadt“ sein. Er meint damit den geplanten Neubau für die REPA Deutschland GmbH, den ebenfalls Panattoni realisiert. Voraussichtlich 2027 wird der Großhändler für Zubehör und Ersatzteile von Gastronomie- und Großküchentechnik die 32.600 Quadratmeter großen Lagerflächen beziehen.
Das Unternehmen darf sich auf ein nachhaltiges Gebäude freuen, das Dachbegrünung, Photovoltaikanlage und Regenwassernutzung aufweist und mit Fernwärme aus Geothermie beheizt wird.
Brownfields eine Option
Beide Panattoni-Gebäude entstehen auf sogenannten Brownfields, also brach liegenden Gewerbearealen, die bislang von anderen Unternehmen genutzt wurden. Die vorhandenen Bestandsbauten eines Gleisbauunternehmens in Kirchheim und einer Lebensmittelspedition in Unterschleißheim waren offenbar nicht „revitalisierungsfähig“, so Experte Mendes. „Solche Optionen müssen angesichts der hohen Nachfrage verstärkt in Betracht gezogen werden.“ Im Idealfall kann ein sanierter Altbau mit einer vergleichbaren Energieeffizienz überzeugen wie ein Neubau.
Viel hängt vom Einzelfall ab. Zahlreiche Bestandsgebäude können nicht mit Photovoltaikanlagen nachgerüstet werden, weil ihre Dachstabilität nicht ausreicht. Andere kommen für eine Sanierung nicht infrage, weil nur ein Neubau das vorhandene Baurecht ausschöpfen kann.
Als Folge der vorhandenen Flächenknappheit wittern auch auswärtige Entwickler, die sich auf Revitalisierungen von Brownfields spezialisiert haben, in der bayerischen Landeshauptstadt Chancen. „München und Umland gehören zu unserem Investmentprofil“, sagt Martin Birkert, Geschäftsführer der MLP Group in Frankfurt/Main.
Vorhandene Kapazitäten ausschöpfen
Manch neuer Standort hat ebenfalls noch Potenzial. Auf dem 320.000 Quadratmeter großen VGP Park bei Parsdorf, der seit 2020 bebaut wird, haben sich der Autohersteller BMW mit einem Logistikzentrum und der Maschinenbauer KraussMaffei Group mit seiner Konzernzentrale eingemietet. Jetzt kommt das junge Raumfahrtunternehmen Isar Aerospace SE hinzu. Weil es an seinem Standort Ottobrunn nicht expandieren kann, investiert es in ein neues Produktions- und Logistikzentrum an der A 94.