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Markenrechtsverletzung: Online-Plattformen in Mithaftung

Gina Sanders/Adobe Stock ©
EuGH stärkt kleine Markenhersteller

Nicht nur der anbietende Händler, sondern auch die E-Commerce-Plattform, über die er verkauft, haftet bei Markenrechtsverletzungen, so ein EuGH-Urteil. Dies eröffnet kleinen Markenherstellern neue Optionen.

Von Gabriele Lüke, 05/2023

Insbesondere kleine Markenunternehmen erleben es immer wieder: Fälschungen ihrer Produkte werden auf Online-Plattformen verkauft, ihre Marken- oder Designrechte damit verletzt. Ansprüche gegen die Händler durchzusetzen, insbesondere aber auch gegen die Plattform, die das zugelassen hat, fällt in der Regel schwer. Denn während die Händler oftmals im Ausland sitzen und schlicht nicht greifbar sind, haften die Plattformen in der Regel nicht, da sie die Fälschungen nicht selbst anbieten. Zumeist müssen die kleinen Originalhersteller die Markenrechtsverletzungen einfach hinnehmen. Der Europäische Gerichtshof EuGH hat dazu nun ein klärendes Urteil gesprochen. Demnach haftet der Plattformbetreiber mit, wenn Händler, die seine Plattform nutzen, Markenrechtsverletzungen begehen. „Das eröffnet gerade auch kleinen Unternehmen, die ihre Marken etabliert haben, gute Chancen, sich gegen die Plattformen zu wehren - bislang waren sie hier eher alleingelassen“, sagt IHK-Markenrechtlerin Viktoria Apitzsch.

Luxushersteller contra Amazon

Den Stein ins Rollen gebracht hat ein großes Unternehmen: Der französische Luxusschuhersteller Louboutin stellt Frauenschuhe mit roter Sohle her. Diese rote Sohle hat das Unternehmen unter anderen in der EU als geschützte Marke registrieren lassen. Dem Schuhhersteller fiel nun auf, dass auf der Amazon-Plattform regelmäßig Werbung mit rot besohlten Schuhen gezeigt wird. Es lag der Verdacht nahe, dass Dritte Kopien seiner Schuhe in den Verkehr bringen. Der Designer sah seine Markenrechte verletzt  ̶ dabei nicht nur durch die Dritten, sondern auch durch Amazon als Plattformbetreiber. So klagte er in Belgien und Luxemburg gegen den amerikanischen Konzern.

Plattform in Mithaftung

Der EuGH sah die Klage als gerechtfertigt an und Amazon in der Mitverantwortung. Die Richter argumentierten: Da Amazon alle Anzeigen auf der Webseite einheitlich gestalte, sein eigenes Händlerlogo auch auf den Anzeigen von Drittverkäufern präsentiere, die Schuhe lagere und verschicke, könne der Käufer nur schwer differenzieren, wer das Markenzeichen benutze, der Dritte oder Amazon. Nutzer der Website könnten also den Eindruck gewinnen, dass Amazon die Schuhe mit den roten Sohlen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung verkaufe  ̶ auch wenn es eigentlich ein Dritter tut. Laut EuGH ist Amazon daher ebenfalls in der Haftung. Ob im konkreten Fall tatsächlich eine Markenrechtsverletzung vorliegt, müssen nun die nationalen Gerichte entscheiden.

Als Drittverkäufer Markenrechte klären

Die IHK-Markenrechtsexpertin Viktoria Apitzsch betont: „Der vorliegende Fall bezieht sich zwar auf Amazon, der Sachverhalt lässt sich aber auf jede beliebige Verkaufsplattform übertragen, die den Eindruck erweckt, die angebotene Ware selbst anzubieten.“ Sie sieht in dem Urteil aber auch eine Warnung für Dritt- und Weiterverkäufer von Markenwaren, Dropshipper oder kleine Onlinehändler: „Auch diese sollten sich das Urteil zu Herzen nehmen, Vorsicht walten lassen und Markenrechte vorab klären, damit sie nicht die Markenrechte Dritter verletzen  ̶ das kann im Betriebsalltag leicht untergehen und lässt sich vermeiden. Auch wenn die Plattform mithaftet, sind sie ja selbst nicht aus dem Schneider.“

(EuGH, Urteil vom 22.12.2022 – C-148/21, C-184/21)

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