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Was ist drin? REACH regelt unter anderem umfangreiche Informationspflichten

Die europäische Chemikalienverordnung REACH gilt bereits seit 2007. Dennoch sind viele Firmen hinsichtlich der Informationspflichten in der Lieferkette immer noch unsicher. Welche gesetzlichen Anforderungen müssen sie erfüllen?

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 04/20

Einmal angenommen, eine Unternehmerin will Outdoorrucksäcke aus China nach Deutschland importieren und diese an Einzelhändler vertreiben. Bei der Recherche zu den rechtlichen Vorgaben wird sie wahrscheinlich sehr schnell auf REACH stoßen. REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals und bezeichnet die europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe.
Die Regelung trat 2007 in Kraft, um Menschen und Umwelt vor den Risiken durch Chemikalien zu schützen, das europäische Chemikalienrecht zu vereinfachen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in der EU zu erhöhen. Die Unternehmerin muss sich nun fragen, ob die Stoffe in ihren Rucksäcken gefährlich sind. Muss sie die Stoffe in der EU registrieren lassen? Besteht eine Informations- und Kennzeichnungspflicht? Und wenn ja, wann muss sie wen worüber informieren?
Diese und ähnliche Fragen beschäftigen nicht nur die fiktive Rucksack-Importeurin, die im aktuellen Erklärfilm der IHK für München und Oberbayern zu REACH auftritt. Auch zahlreiche Firmen aus der realen Wirtschaftswelt kämpfen mit den komplexen Vorgaben der Chemikalienverordnung.
»REACH betrifft mehr Unternehmen als gedacht und ein Großteil von ihnen ist offensichtlich immer noch unsicher, was die gesetzlichen Vorschriften angeht«, sagt Sabrina Schröpfer, REACH-Expertin bei der IHK für München und Oberbayern.

Was regelt REACH genau?

Die REACH-Verordnung schließt nicht nur Chemikalien im landläufigen Sinne ein. Sie betrifft alle Stoffe und Gemische wie etwa Farben und Lacke sowie Erzeugnisse wie zum Beispiel Möbel und Fahrzeuge. Die Verordnung regelt Registrierungs- und Zulassungspflichten und enthält auch Kommunikationspflichten in der Lieferkette und gegenüber Verbrauchern. Die Vorgaben betreffen alle Firmen, die in der EU produzieren und/oder Produkte in die EU einführen oder dort verwenden.
Probleme bereiten in der Praxis vor allem die umfangreichen Informationspflichten innerhalb der Lieferkette. »Produzenten, Importeure, Lieferanten und Verwender von Erzeugnissen sind laut REACH an sich nur dann in der Pflicht, die Abnehmer in der Lieferkette zu informieren, wenn ihre Erzeugnisse sogenannte besonders besorgniserregende Stoffe enthalten«, sagt IHK-Expertin Schröpfer. Solche Stoffe können zum Beispiel Blei oder Cadmium sein, wenn diese in einem Teilerzeugnis des Produkts in einer Konzentration von jeweils mehr als 0,1 Prozent Gewichtsanteil vorliegen. Diese Substances of Very High Concern (SVHC) weisen etwa krebserregende, erbgutverändernde oder toxische Eigenschaften auf und sind in einer Kandidatenliste verzeichnet, die zweimal im Jahr aktualisiert wird.

Abnehmer fordern Angaben ein

»Der Lieferant ist nicht in der Pflicht, sein Erzeugnis als REACH-konform zu deklarieren oder eine REACH-Konformitätserklärung abzugeben, eine solche gibt es gar nicht«, stellt Raimund Weiß klar, Experte am Helpdesk REACH CLP Biozide der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. »Diese Informationen mögen für die Kundenbeziehungen von Vorteil sein, sind aber kein Muss«, ergänzt seine Kollegin Anja Knietsch. In der Realität aber sieht es oft anders aus. »Die Abnehmer stellen die Lieferanten oft vor Schwierigkeiten, da sie teilweise Angaben einfordern, die laut REACH nicht nötig sind und den Lieferanten nicht automatisch vorliegen«, weiß IHK-Fachfrau Schröpfer aus Gesprächen mit Unternehmern. Ist in einem Erzeugnis tatsächlich ein SVHC enthalten, schreibt REACH nur vor, mindestens den Namen des Stoffes innerhalb der Lieferkette zu kommunizieren »und gegebenenfalls Informationen zum sicheren Umgang mit dem Erzeugnis mitzuliefern«, so Schröpfer.
Probleme treten auch häufig auf, wenn ein Unternehmen Erstimporteur ist, also ein Erzeugnis in die EU aus einem Drittland einführt, etwa aus China. »Dort gilt REACH nicht, daher haben wir keine rechtliche Handhabe zu verlangen, dass die Stoffe im Erzeugnis uns gegenüber offengelegt werden«, moniert der Vertreter eines Elektrounternehmens, der namentlich nicht genannt werden will. Das Thema sei heikel, keiner wolle etwas falsch machen. »Wir haben daher unser eigenes Risikomanagement etabliert, arbeiten in Drittländern nur mit nachweislich vertrauensvollen Firmen zusammen, die offen kommunizieren und mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben«, so der Unternehmensvertreter. »Zudem haben wir ein internes Stoffmonitoring etabliert. «
Wer auf Nummer sicher gehen will, muss eine Stoffanalyse von einem verlässlichen Prüfinstitut durchführen lassen, »denn Importeure in die EU sind verantwortlich für die Informationsbeschaffung und für die Einhaltung von REACH«, betont REACH-Expertin Knietsch. »Und geprüft wird im Zweifelsfall das Erzeugnis, nicht der Nachweis, ob irgendwelche Stoffe darin enthalten sind oder nicht. «
Belastend finden Unternehmen zudem, dass die Kandidatenliste mit den besonders besorgniserregenden Stoffen SVHC zweimal jährlich aktualisiert wird – Anfang und Mitte des Jahres – und dann unmittelbar die Informationspflicht in der Lieferkette eintritt. »Wir müssen prüfen, ob wir betroffen sind, und zudem, um unserer Informationspflicht nachkommen zu können, bei unseren Lieferanten anfragen, inwieweit die neu gelisteten Stoffe in ihren Erzeugnissen vorkommen«, so ein oberbayerischer Unternehmer. Das sei nicht nur ein enormer Aufwand und binde Personal. Es dauere auch seine Zeit, bis das Feedback eingeholt ist.
REACH-Experte Weiß kann den Unmut verstehen, denn »es besteht tatsächlich keine Übergangsfrist«. Dafür gebe es aber feste Termine, wann die Kandidatenliste aktualisiert wird. Außerdem werde im Vornhinein frühzeitig transparent gemacht, welche neuen Stoffe hinzukommen. »Hier müssen die Firmen dann tatsächlich das Ohr am Rohr haben, um zeitnah handeln zu können«, sagt Weiß. Und wie regelt das die Unternehmerin mit den Rucksäcken aus China? Sie holt sich externe Hilfe von einer REACH-Expertin der IHK, die die Gründerin individuell berät. »Das sollten betroffene Firmen im Zweifelsfall ebenfalls tun«, rät IHK-Referentin Schröpfer. Auch der Helpdesk REACH CLP Biozide der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hilft weiter.
 

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