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Meister kühner Gewebe

Marion Vogel ©
Begeistert vom textilen Baustoff – Hans-Jürgen Koch, Chef von Koch Membranen

Hans-Jürgen Koch hat die textile Architektur entscheidend vorangetrieben und so dem bayerischen Mittelständler Koch Membranen weltweit Geltung verschafft.

Harriet Austen, Ausgabe 01/21

Der Stoff, aus dem wir Träume wahr werden lassen«, so nennt Hans-Jürgen Koch Textilien, die als Baustoff immer mehr Architekten begeistern. In seiner Firma werden Kunststoffmembranen entwickelt, gefertigt und konfektioniert, die luftige Gebilde und spektakuläre Bauwerke ermöglichen und inzwischen weltweit zu finden sind: von der leichten Wolke, ein Zeltdach innerhalb des Pariser Monumentalbaus »La Grande Arche«, über die riesige Lichtdecke in der Kirche in Fatima bis zu den Dachplanen am Münchner Flughafen.

»Textiles Bauen setzt außen wie innen neue Maßstäbe«, sagt Koch, geschäftsführender Gesellschafter der Koch Membranen GmbH in Rimsting am Chiemsee.

Der 72-Jährige kennt jedes technische Detail, jeden Auftrag, jede Pionierleistung, seit er sich vor 51 Jahren dem sogenannten fünften Baustoff zugewandt hat. Die Firma mit ihren 40 Mitarbeitern ist ein Familienbetrieb. Großvater Carl Koch begann vor mehr als 100 Jahren in Erfurt mit der Herstellung von Isoliermaterialien, Vater Herbert brachte 1958 am neuen Standort in Rimsting erstmals PVC-Folien als Abdichtung auf Flachdächer.

Olympische Spiele 1972 als Einstieg ins textile Bauen

»Das Unternehmen ist mein Leben«, sagt Hans-Jürgen Koch. Fasziniert vom textilen Bauen, studierte der technikaffine Nachfolgekandidat Technische Betriebswirtschaft. Schon während des Studiums war er in ein Projekt eingebunden, das die Firma komplett neu ausrichten sollte. Beim Bau der Sportstätten für die Olympischen Spiele 1972 in München erhielt das Unternehmen die Anfrage, ob es auch hochkomplexe Textilbauten machen könne. Koch sagte zu und überdachte das Radstadion, die gastronomischen Einrichtungen sowie später die Eislaufhalle. »Damit war unser Einstieg ins textile Bauen besiegelt.«

Koch startete gleich nach dem Studium in der Geschäftsleitung, zuständig für Fertigung und Montage. Das dabei erworbene Wissen kam ihm zugute, als namhafte Architekten wie Renzo Piano, Frei Otto und Norman Foster auf die schier unbegrenzten Möglichkeiten des Werkstoffs aufmerksam wurden und eine Flut an Anfragen und Aufträgen in Rimsting einging. Rund um den Globus entstanden Fassaden und Überdachungen als leichte, großflächige, lichtdurchlässige Konstruktionen in vielfältigen Formen, wie sie nur mit Membranen möglich sind. »Wir versuchen, den Wünschen der Architekten so weit wie möglich entgegenzukommen, zeigen aber auch Grenzen auf«, erklärt Koch, dessen Team die Auftraggeber von der Planung bis zur Endmontage begleitet.

Membranen für den Innenraum

Nach dem Rückzug des Vaters aus dem Unternehmen trieb Koch als Geschäftsführer die internationale Expansion weiter voran. Gleichzeitig musste er sich mit dem Wandel des Markts auseinandersetzen: Konkurrierende Firmen entstanden aus dem Nichts und verschwanden oft ebenso schnell wieder. »Das hat dem Ruf des textilen Bauens sehr geschadet«, bedauert der Unternehmer.

Der Membranexperte entwickelte daraufhin eigene Licht- und Akustikmaterialien, mit denen er 2002 den Geschäftszweig Textiles Bauen im Innenbereich begründete und damit eine zweite Produktlinie schuf. »Textile Materialien schaffen eine besondere Atmosphäre«, sagt Koch. Sie absorbieren Schall, reflektieren Licht und setzen im Design attraktive Akzente – zum Beispiel in Schulen, Hallenbädern, Messebauten oder Hotels. »Mit Membrankonstruktionen lassen sich mutige, inspirierende, auffällige oder auch schlicht reduzierte Strukturen und Räume realisieren«, so Koch.

Flexibel dank eigener Fertigung

Sein Betrieb ist einer der wenigen Hersteller, der die anspruchsvollen Membranen auf hochmodernen Spezialmaschinen mit sämtlichem Zubehör im eigenen Haus fertigen und verarbeiten kann. »Dadurch sind wir hochflexibel, schlagkräftig und wettbewerbsfähig«, betont der Firmenchef.
Und Corona? Die Folgen fürs Geschäft zeigen sich erst in Ansätzen, da die Abwicklung der Aufträge oft bis zu einem Jahr dauert. 2020 lief noch mit voller Kapazitätsauslastung, »aber wir wissen nicht, was kommt«, räumt Koch ein.

Nachfolge: »Wir gehen alle drei in dieselbe Richtung«

Die Firma soll indes ein Familienbetrieb bleiben. Die Söhne Sebastian (39), ein Bauingenieur, und Johannes (34), ein Holzbauingenieur, seien »topausgebildet und haben von klein auf einen starken Bezug zum Betrieb«, freut sich Koch. »Wir gehen alle drei in dieselbe Richtung und stimmen uns immer sehr eng untereinander ab«, sagt Sebastian Koch, der mit seinem Bruder zum Gespräch hinzustößt. Der Generationenwechsel scheint reibungslos zu verlaufen, auch der Senior trägt seinen Anteil dazu bei: »Ich nehme mich zurück und verstehe mich als Berater der Jugend.«

Zur Person

Hans-Jürgen Koch, Jahrgang 1948, stieg sofort nach seinem Studium der Technischen
Betriebswirtschaft 1975 in die Geschäftsleitung der Koch Membranen GmbH Kunststofftechnologie in Rimsting/Chiemsee ein und ist seit 2004 geschäftsführender
Gesellschafter der Gruppe. Das über 100 Jahre alte Unternehmen ist ein weltweit anerkannter Spezialist für textile Architektur im Innen- und Außenbereich und hat mit der Membrantechnologie spektakuläre Bauten verwirklicht. Hans-Jürgen Koch ist verheiratet und hat fünf Kinder.

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