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Mit Weitsicht und Optimismus

Webasto Group ©
Will die Mobilität von morgen mitgestalten – Webasto-Vorstandschef Holger Engelmann

Bei Webasto-Mitarbeitern wurden die ersten Coronainfektionen in Deutschland nachgewiesen. Jetzt lenkt Firmenchef Holger Engelmann den Automobilzulieferer nicht nur umsichtig durch die Krise. Er treibt auch die E-Mobilität energisch voran.

Harriet Austen, Ausgabe 03/21

Seit Ende Januar 2020 hat Vorstandschef Holger Engelmann eine besondere Aufgabe: Er ist Teil der Corona Task Force, eines schlagkräftigen Teams, das sich mit den Folgen der Pandemie beschäftigt. Anlass für die Gründung der Gruppe war eine beispiellose Bewährungsprobe: Der erste Covid-19-Patient in Deutschland war ein Mitarbeiter der Webasto SE mit Hauptsitz in Stockdorf bei München. Das ist jetzt über ein Jahr her. Engelmann erinnert sich genau, wie ihm damals zumute war: »Hier ging es nicht mehr nur um Profitabilität oder Rendite, sondern um Menschenleben.«

Der Vorstandschef reagierte: Firmenzentrale schließen, offen und transparent kommunizieren, Mitarbeiter beruhigen, sich mit Behörden, Politik und Wissenschaft austauschen. Auch wenn das Coronavirus »eine ganz andere Dimension hat« – die Pandemie ist für den Firmenlenker nicht die erste Krise in seiner Berufslaufbahn.

Der 55-Jährige bekam das Platzen der Dotcom-Blase 2000, die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 und die Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 unmittelbar mit: »Damals war ich vor allem auf die Problemlösung mit Blick auf Ergebnis, Kundenzufriedenheit und Arbeitsplatzsicherung konzentriert«, so Engelmann.

»Kühlen Kopf und eine gesunde Portion Optimismus bewahren«

Er lernte dabei ebenfalls, wie agile Projektarbeit funktioniert, wie Kostenoptimierungsprojekte erfolgreich gesteuert werden und wie Webasto sein globales Produktions- und Liefernetzwerk bestmöglich gegen Störfälle sichern kann: »Und – so platt das klingen mag – ich habe auch gelernt, dass es nach einer Krise, einem Tief, immer wieder aufwärtsgeht. Das hilft mir in der Coronakrise, Weitsicht, einen kühlen Kopf und eine gesunde Portion Optimismus zu bewahren.«

Nachdem es dem Webasto-Krisenstab in der Coronakrise gelungen war, die Infektionsketten zu durchbrechen, kümmerte sich die 18-köpfige Corona Task Force darum, Lieferketten zu optimieren, Umsatzeinbrüche und Verluste zu dämpfen, Kosten zu senken und gleichzeitig innovative Projekte zu realisieren. »Obwohl wir die Auswirkungen der Krise deutlich zu spüren bekamen, haben wir alles ganz gut hinbekommen«, freut sich Engelmann. Weitere Prognosen wagt er nicht.

Zweites Standbein

Als Vorstandschef verfolgt Engelmann eine Doppelstrategie: Ausbau, Modernisierung und Standardisierung des Stammgeschäfts mit Dach- und Heizungssystemen. Parallel dazu das Erschließen zukunftsorientierter Geschäftsfelder – der Fokus liegt auf der E-Mobilität. »Wir wollen mit dem zweiten Standbein unabhängiger werden, Wachstum generieren und die Mobilität von morgen aktiv mitgestalten«, so Engelmann.

Wertekultur innerhalb des Familienunternehmens entwickelt

Webasto verfüge über viele Kernkompetenzen, die in diesem Bereich gefragt seien. Der Markteintritt mit Ladelösungen (Wallboxen) und Batteriesystemen sei bereits gelungen – auch in China. Besonders am Herzen liegt Engelmann die Wertekultur, die er gemeinsam mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Kulturen für das 1901 gegründete Familienunternehmen entwickeln ließ und so zusammenfasst: »Entscheidungen treffen wir auf Augenhöhe und mit Blick auf langfristige Wirkung, nicht auf den kurzfristigen Erfolg.«

»Zahlen: attraktiv und spannend«

Als Vorbild in Sachen Führung sieht er seinen Vater. Der sei mit einem zur damaligen Zeit ungewöhnlich kollegialen Führungsstil als Vorgesetzter anerkannt und zugleich erfolgreich gewesen. Engelmann studierte BWL, um später als »Zahlenmensch« für die Finanzen eines Unternehmens verantwortlich zu sein. »Das fand ich schon immer spannend und attraktiv.«

Verfolger antizyklischer Strategien

2008 stieg er als Chief Financial Officer (CFO) bei Webasto ein und konnte sein Know-how gleich während der Finanzkrise beweisen: Er fuhr weltweit ein striktes Sparprogramm und investierte gleichzeitig in Zukunftsprojekte – eine antizyklische Strategie, die er nun auch in der Pandemie verfolgt. Den funktions- und regionenübergreifenden Austausch, der sich in der Coronakrise etabliert hat, möchte er auch später beibehalten. »Ich fand es erstaunlich zu erleben, was und wie schnell man etwas erreichen kann, wenn man alle Mitarbeiter, die etwas zur Lösung einer kritischen Lage beitragen können, sofort zusammenschaltet«, betont der Firmenlenker und will diese Erfahrung auf Standardprozesse übertragen.

Insgesamt habe die Krisensituation eine ganz andere Kreativität freigesetzt und das Miteinander bei Webasto weiter gestärkt. Engelmann: »Solidarität und Kollegialität haben einen anderen Stellenwert bekommen.«

Zur Person

Holger Engelmann, Jahrgang 1965, studierte BWL in Münster und Köln und startete seine Berufslaufbahn bei Fichtel & Sachs (heute ZF Friedrichshafen). Bei Mannesmann Plastics Machinery
war er als CFO tätig, bevor er 2007 zur Webasto SE in Stockdorf bei München wechselte und dort unterschiedliche Leitungsfunktionen übernahm. Seit 2013 ist er Vorstandsvorsitzender des Weltmarktführers für Dachsysteme und Standheizungen. Webasto betreibt weltweit 50
Standorte, beschäftigte 2019 fast 14.000 Mitarbeiter und verbuchte einen Umsatz in Höhe von 3,7 Milliarden Euro. Engelmann ist verheiratet und hat drei Kinder.

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