INYO; gerendert, mit datengenerierten Grafiken ergänzt ©
INYO-Cabs vor dem Grafinger Bahnhof – bei der Fahrt ins Gewerbegebiet sitzen sich die Passagiere gegenüber

Wie lässt sich der Großraum München von Verkehr entlasten? Die Allianz „Mobile Zukunft München“ präsentiert auf der IAA Mobility ihre Projekte.

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 09/2023

Unternehmer Marcus Zwick hat sich ein klares Ziel gesetzt. Der Gründer und Geschäftsführer der INYO Mobility GmbH, Grafing, will ein selbstfahrendes Elektrofahrzeug für den öffentlichen Personenverkehr zwischen dem Gewerbegebiet Grafing und dem rund 2 Kilometer entfernten S-Bahnhof einsetzen. Fahrgäste sollen das sogenannte Cab, das der Unternehmer für 4 Personen konzipiert hat, per Smartphone-App bestellen können.

Nach wenigen Minuten, so der Plan, trifft der autonome Minibus dann im Gewerbegebiet ein, holt die Fahrgäste an den gewünschten Haltepunkten ab und fährt sie zum Bahnhof. Dort steht das Cab für den weiteren Pendelverkehr zwischen Gewerbegebiet und Bahnhof bereit.

Blaupause für den ÖPNV

„Der Landkreis Ebersberg wird mit unserem Cab in Zukunft eine bessere Anbindung vom Gewerbegebiet zur S-Bahn-Haltestelle Grafing ermöglichen und unterstützt deshalb unser Vorhaben“, freut sich der Unternehmer. „Damit hätten wir eine Art Blaupause für die verbesserte ÖPNV-Anbindung in vielen Regionen Bayerns und darüber hinaus.“

Denn darum geht es in dem Projekt: Mit neuen multimodalen Angeboten und der Anbindung an bestehende Systeme soll die Stadt-Umland-Anbindung verbessert werden. So kann der Pendlerverkehr in der Region gebündelt und mit zusätzlichen Co-Working-Möglichkeiten auch reduziert werden.

Prototypen auf der IAA Mobility

Das Projekt mit Beispielcharakter kann der INYO-Geschäftsführer demnächst einem breiten Publikum vorführen. Zwei Elektro-Cab-Prototypen werden auf der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA Mobility zu sehen sein, die von 5. bis 10. September 2023 in München stattfindet.

Mobilitätsstrategie für den Großraum München

Zwicks autonomer E-Bus ist Teilprojekt des Netzwerks „Mobile Zukunft München – Strategische Allianz für Mobilität und Logistik im Großraum München“, kurz MZM. Das im Vorjahr ins Leben gerufene Bündnis plant für die Region München eine nachhaltige Gesamtmobilitätsstrategie. Zu den Netzwerkpartnern gehören mehrere bayerische Staatsministerien und Landkreise sowie die BMW AG, MAN Truck & Bus SE, Deutsche Bahn AG, Siemens AG, die Landeshauptstadt München, der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV), die TUM Technische Universität München sowie die IHK für München und Oberbayern.

„Wir wollen mit den verschiedenen Teilprojekten vor allem den Wirtschaftsverkehr mitgestalten“, erklärt Fritz Francke-Weltmann, IHK-Referent für nachhaltige Mobilität, den Hintergrund der Allianz aus IHK-Sicht. Die Projekte werden über das Stadtgebiet weit hinausgehen und verschiedene Verkehrsträger einbinden. Erste Fortschritte der Netzwerk-Teilprojekte präsentiert die Allianz auf der IAA Mobility.

Elektrische Lastenräder am Viehhof

So startete im August der Radlogistik-Hub am Viehhof im Münchner Stadtteil Isarvorstadt. Dort stehen auf einer Fläche von rund 300 Quadratmetern 6 20-Fuß-Container für insgesamt 12 bis 15 elektrisch angetriebene Lastenfahrräder bereit. Tagsüber transportieren die E-Räder Waren oder Pakete, nachts werden sie in den Containern aufgeladen.

Federführend bei diesem Projekt ist das Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München, unterstützt von MZM. Hub-Betreiber ist die städtische Park & Ride GmbH. „Der Radlogistik-Hub wird den Warenverkehr in einem Umkreis von 2 bis 3 Kilometern ergänzen und einen Beitrag für eine zukunftsfähige, nachhaltige Mobilität leisten“, erwartet Christiane Behrisch, Koordinatorin Wirtschaftsverkehr im Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt.

Ziel: 20 Radlogistik-Hubs im Stadtgebiet

Das Projekt soll auch eine wirtschaftliche Eigendynamik entwickeln und beispielgebend für weitere Unternehmen werden, sodass etwa Logistikdienstleister zusätzliche Radlogistik-Hubs in anderen Münchner Stadtteilen ins Leben rufen. „Unser mittelfristiges Ziel ist ein Netzwerk von etwa 20 Hubs im Stadtgebiet“, sagt Behrisch. Dabei kann jeder Hub einen Umkreis von etwa 2 bis 2,5 Kilometern für Transporte mit dem Lastenfahrrad abdecken.

Gerade im Innenstadtbereich könnten Logistik- und Paketdienstleister die Warentransporte so klimaschonender erledigen und den Verkehr entlasten. Die E-Räder sind in der Lage, bei vielen Lieferfahrten die bisher eingesetzten Transporter, die meist noch mit Benzin oder Diesel unterwegs sind, zu ersetzen.

Freie Parkflächen als Mikrodepots

Damit das Konzept aufgeht, sind zusätzliche Zwischenlager in der Stadt notwendig. Ungenutzte oder nicht ausgelastete Gewerbeflächen könnten als solche Mikrodepots dienen. „Wir sprechen Parkgaragenbetreiber gezielt an, ob sie ihre ungenutzten Parkflächen quasi als Zwischenlager vermieten würden“, sagt IHK-Experte Francke-Weltmann.

Onlinemarktplatz für Gewerbeflächen

Geeignete Logistikflächen zu suchen will die Münchner SHQUARED GmbH helfen. Das Unternehmen vernetzt über seinen Onlinemarktplatz Anbieter von gewerblichen Flächen mit potenziellen Mietern. „Wir spezialisieren uns auf die Mehrfachnutzung von Gewerbeflächen und vermitteln Flächen, die nur zum Teil ausgelastet oder ungenutzt sind“, erläutert SHQUARED-Geschäftsführer und Mitgründer Julian Nitsche.

500 gewerbliche Nutzer machen mit

Mittlerweile haben sich mehr als 500 gewerbliche Nutzer auf der Plattform registriert. Inserieren und Zusammenführen der Angebote mit der individuellen Suche nach Logistikflächen sind kostenlos, eine Gebühr wird erst bei erfolgreicher Vermittlung fällig.

Das Konzept überzeugte auch das Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt: Es hat die Firma als Partner in sein Radlogistik-Projekt einbezogen.

Verwandte Themen