Unternehmen

Mystische Pilze

©APT Servizi Region Emilia Romagna ©
Trüffeln werden heute mit Hunden gesucht – das Trüffelschwein hat ausgedient

Ein studierter Jurist aus Murnau handelt seit Jahrzehnten professionell mit Trüffeln. Sein Respekt vor dem exklusiven Naturprodukt ist ungebrochen groß.

Cornelia Knust, Ausgabe 06/2021

Krisen scheinen Trüffelgroßhändler Stephan Burger nicht viel auszumachen. Dabei handelt er mit einem höchst launenhaften und empfindlichen Naturprodukt, bei dem der Kilopreis je nach Erntemenge und Qualität zwischen 2.000 und 10.000 Euro schwankt. Doch schon während der Finanzkrise vor rund zehn Jahren liefen die Geschäfte gut, denn die wirklich Reichen waren von der Rezession nicht betroffen, wie Burger meint.

Und 2020, als während der Pandemie Restaurants geschlossen hatten, lief es nicht schlecht: »Von März bis September war das natürlich sehr mau, aber um Weihnachten haben wir Trüffel verkauft wie verrückt.« Burger (64) zählt neben Spitzenköchen zahlreiche Wiederverkäufer zu seinen Kunden, die viel Ware an Privatpersonen loswurden, auch über das Internet. Zudem war die Ernte in Italien knapp. So fielen die Preise trotz Corona nicht ins Bodenlose.

Der großen Nachfrage nicht hinterhergekommen

Im Spätherbst und Winter, der Hauptsaison für die klassische weiße Wintertrüffel (»Alba«), seien sie mit dem Säubern, Prüfen, Sortieren, Wiegen und Verpacken gar nicht mehr nachgekommen, sagt Burger. Er leitet die La Bilancia Trüffelhandels GmbH mit seinem Neffen Felix Burger, einem Gesundheitsökonomen, der seit zwei Jahren Mitgeschäftsführer ist. Einen Auszubildenden zum Großhandelskaufmann haben sie noch, mehr Mitarbeiter gibt es nicht. Im Gewerbehof der Stadt München in Obersendling ist der Firmensitz. An einer großen Küchenspüle werden die kostbaren Schlauchpilze mit der rindenartigen Oberfläche abgebraust, anschließend in einer Sandkiste getrocknet und mit dem Pinsel abgestaubt. Dann geht es ans Sortieren: nach Größe, Form, Qualität, Aroma – und nach unerwünschten Mitbewohnern: Winzige Würmer machen eine Knolle sofort zur Ausschussware.

»Das Geschäft lebt von Vertrauen und Verlässlichkeit«

»Die Trüffeln richtig zu sortieren, ist entscheidend«, sagt Burger. Man brauche Auge und Nase, dürfe keine Kompromisse machen. Talent, Fleiß und Genauigkeit – das sei der Schlüssel zur erfolgreichen Arbeit mit Trüffeln. »Wenn man schlampt, kommt das teuer. Das Geschäft lebt von Vertrauen und Verlässlichkeit.« Zudem müsse man wissen, was der Kunde braucht.

Bei zwei Grad werden die Trüffeln in einem gläsernen Kühlschrank und in einem kleinen Kühlraum frisch gehalten. In Papiertüten verpackt oder in Folie eingeschweißt, gehen sie auf Reisen. Weiße Styroporboxen, gefüllt mit goldfarbenen Kühlelementen, bilden die Nester, in denen die Ware per Lieferdienst im Eiltempo in alle Welt verschickt wird. Denn nach ein bis zwei Wochen ist die Trüffel schlecht.

Große Sortenunterschiede

Insgesamt gehen pro Jahr vier Tonnen Trüffeln über diesen Sortiertisch. Zwischen 2,5 und drei Millionen Euro Umsatz macht Burger damit. Jetzt im Frühjahr, etwa ab April, ist in Europa die Zeit für die wesentlich weniger exklusiven schwarzen Sommertrüffeln. Da kostet das Kilo nur zwischen 100 und 700 Euro. Aber es gibt zwischen Juni und August auch Importe der edlen schwarzen Wintertrüffeln (Sorte »Périgord«) aus Australien.

Die Qualitäten, Saisons und Herkunftsgebiete sind vielfältig. Kamen Trüffeln früher vor allem aus Italien oder dem französischen Périgord, sind heute Spanien, Kroatien und Bulgarien große Lieferanten, aber auch China. In Südfrankreich und Spanien blüht die Zucht: Kleine Eichen werden an der Wurzel mit Trüffelsporen bestäubt und in Reih und Glied gepflanzt. Es kann Jahre dauern, bis es eine wirklich nennenswerte Ernte gibt. Gesucht wird mit Hunden wie inzwischen überall – das Trüffelschwein hat ausgedient.

"Feind": zu viele trockene, heiße Sommer

2019 haben die Burgers im Rahmen eines Studienprojekts des Bundesamts für Landwirtschaft und Ernährung alle Trüffelländer der Erde bereist und noch einmal viel dazugelernt. Eine gewisse Feuchtigkeit, gemischtes Wetter, ein bestimmter Säuregrad im Boden, mediterrane Temperaturen – das lässt die Trüffeln wachsen. Wälder aus Eichen, Linden oder Haselnuss sind ihr Zuhause. Die immer öfter zu trockenen, zu heißen Sommer sind ihr Feind.

»Sieben Jahre gebraucht, um Abstufungen in der Qualität zu erkennen«

Ihr Geschmack, ihr Prestige und der hohe Preis – das fasziniert zunehmend mehr Menschen in aufstrebenden Industrienationen und lockt auch immer mehr Wettbewerber ins Trüffelgeschäft. Und die Trüffelplantagen vermarkten ihre Ware vielleicht bald direkt über das Internet. Doch Burger setzt unerschütterlich auf seine Erfahrung, sein Know-how, seinen Fokus auf Spitzenware. Der Neffe sagt anerkennend: »Ich habe sieben Jahre gebraucht, um die Abstufungen in der Qualität zu erkennen.« Der Onkel gibt stolz zurück: »Felix kann gut verkaufen, auch mit Emotionen.«

Die beiden führen ein ungewöhnliches Leben. Heute ein Parkplatz im Regen an einer italienischen Autobahn, wo sie in einem Kofferraum Trüffeln begutachten. Morgen ein Drei-Sterne-Lokal in Hongkong oder New York, wo sie die Gäste mit Trüffelgeschichten bezaubern. Dann wieder das Industriegelände in Obersendling. Dass sie ein irgendwie mystisches Produkt in Händen halten, ist den beiden bewusst. »Man versteht das alles nicht bis ins letzte Detail«, sagt Stephan Burger mit einem Lächeln. Wie lange die Trüffel braucht, um zu wachsen. Warum sie von einer Hügelkette zur nächsten anders schmeckt. Warum kurz vor Neumond und kurz vor Vollmond besonders viele zu finden sind.

Der Senior ist seit 1985 im Geschäft. Damals war er Jurastudent mit Hang zu guter Küche. Gemeinsam mit einem Studienfreund begann er, Wein aus Italien zu importieren. Ein Winzer in der Emilia Romagna, der Region um Bologna, machte ihn auf die besonders guten weißen Trüffeln der Gegend aufmerksam, die es mit der berühmten Trüffel aus dem Piemont aufnehmen könnten.

Erste »Luxusfuhre« im mütterlichen Auto

Zwei Kilo Trüffeln für 3.000 Mark – das war die erste Fuhre im mütterlichen Auto. Die beiden Ahnungslosen hatten Glück, denn ihre ersten Kunden hießen Karl Ederer, Eckart Witzigmann und Heinz Winkler, damals drei legendäre Köche in München. Gastronomielieferanten wie Rungis Express und RS Gourmets bestellten dann gleich größere Mengen. Die VR-Bank in Murnau (von dort stammt Burger) finanzierte den Direktimport und übernimmt das bis heute, wobei die Ware längst nicht mehr nur aus Italien kommt.

Persönliche Vorlieben

Trotz dieser 36 Jahre Verbundenheit mit dem Pilz – den typischen Geschmack von Trüffeln zu beschreiben, fällt Burger schwer. »Man fällt hinein wie in einen sehr guten Rotwein«, sagt er schließlich. Und wie isst er sie am liebsten? Geröstetes Schwarzbrot mit Butter ist für ihn die beste Unterlage. Über das Risotto hobelt er sie mit einer gewöhnlichen Käsereibe. Neffe Felix liebt Trüffeln zum Cordon bleu, auf dem Flammkuchen oder zum Spiegelei.

Verwandte Themen