Standortpolitik

Tochter, mach du das!

Thorsten Jochim; Spinner GmbH ©
Katrin Eissler (li.) und Katharina König stehen für einen neue Generation Unternehmerinnen.

Immer mehr Frauen sind bereit, im Familienbetrieb die Nachfolge anzutreten. Studien und Beispiele aus der Praxis zeigen, wie die Unternehmen davon profitieren können.

MELANIE RÜBARTSCH, Ausgabe 09/2022

Spätestens, als sich Georg Neuner am 1. Januar 2015 offiziell aus der Geschäftsführung der Spedition Neuner verabschiedet hatte, war klar: Die »Katrin« ist jetzt »die Chefin«. Zwei Jahre lang hatte der damals 65-jährige Gründer des Mittenwalder Logistikbetriebs das Unternehmen da bereits gemeinsam mit seiner Tochter Katrin Eissler (im Bild links) geführt und die Nachfolge vorbereitet.

Dass die heute 45-Jährige ein echtes Faible für die Logistikbranche hat, war ihr schnell klar. Dass sie den elterlichen Betrieb übernehmen würde, dagegen weniger. »Da hat mein Vater auch nie Druck auf mich oder meine Zwillingsschwester ausgeübt«, sagt die Unternehmerin. Im Gegenteil: Sie schnupperte zunächst internationale und Konzernluft bei großen Unternehmen in London, München und Frankfurt und gründete eine Familie.

Modell »Unternehmerin und Mutter«

Als ihre Söhne sechs und acht Jahre alt waren, dockte sie wieder in Mittenwald an. »Ich hab einfach gemerkt, dass doch mehr Unternehmerin als Konzernangestellte in mir steckt. Ich hatte Lust, eigene Ideen umzusetzen, kreativ zu sein und den Blick auf das ganze Unternehmen auszurichten«, sagt sie. Im elterlichen Betrieb hatte sie die Chance dazu – genauso wie die Möglichkeit, zu testen, ob das Modell »Unternehmerin und Mutter« funktioniert. Für ihren Mann und die Eltern war klar, dass sie das Modell als Familienunternehmer mittragen.

»Bei meinen 55 vorwiegend männlichen Mitarbeitern musste und muss ich mir das Ver- und das Zutrauen erst einmal erarbeiten. Gerade, weil mich viele noch als die kleine Katrin kannten«, sagt die Unternehmerin. »Ich habe mir alles sehr genau angesehen, bin auch auf vielen Touren mitgefahren.«

Eigene Handschrift von Anfang an

Sie wollte verstehen, wie ihr Kerngeschäft funktioniert, wo es Schwierigkeiten oder Probleme für die Mitarbeiter gibt. Von Anfang an hat sie versucht, ihre eigene Handschrift einzubringen – und der Vater hat es zugelassen. Unter ihrer Regie gründete die Spedition etwa ein Büro in Innsbruck, erweiterte um ein zusätzliches Warehouse und digitalisierte die Abläufe.

»Verantwortung kann man nicht lernen, da muss man hineinwachsen«, sagt sie heute nach sieben Jahren an der Firmenspitze. Ihr habe immer geholfen, sich mit anderen Unternehmerinnen und Kollegen aus der Branche offen auszutauschen. Heute freut sie sich darüber, dass sie einen Job gefunden hat, der sie wirklich ausfüllt, und dass sie zugleich auch anderen Frauen Mut machen kann, keine Angst vor diesem Schritt zu haben.

Schon 46 Prozent weibliche »NextGens« bereit

Dass immer mehr Frauen bereit sind, das Familienunternehmen in die nächste Generation zu führen, zeigen aktuelle Studien. Sagten 2019 erst 30 Prozent der weiblichen »NextGens«, dass sie sich die Führungsrolle vorstellen können, sind es nach einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung PwC und der INTES Akademie für Familienunternehmen GmbH nun bereits 46 Prozent.

Aktuell nur 16 Prozent Frauen an der Spitze

Die Wirklichkeit spiegelt das indes noch nicht wider. Der Anteil von kleinen und mittleren Unternehmen mit einer Frau an der Spitze liegt laut KfW-Mittelstandspanel derzeit bei 16 Prozent. »Da ist noch viel Luft nach oben«, sagt Elfriede Kerschl, Leiterin des Referats Wirtschaftspolitik, Fachkräfte, Frauen in der Wirtschaft bei der IHK für München und Oberbayern.

Aus ihrer Sicht hat das Thema weibliche Nachfolge dabei nicht nur etwas mit Chancengleichheit zu tun, sondern ist auch eine riesige Chance für die Unternehmen. »Der Druck am Nachfolgemarkt wird immer größer und viele Töchter und Nichten sind bereit, top ausgebildet und haben Lust auf die Aufgabe«, schildert sie ihre Erfahrungen aus der Netzwerkarbeit.

Zentrale Themen für langfristigen Erfolg

Auch die Studie von PwC und INTES zeigt, welche Bedeutung weibliche Führung für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen hat: »Die von uns befragten Nachfolgerinnen haben mehrheitlich angegeben, dass für sie Themen wie digitale Transformation, Nachhaltigkeit, neue Arbeitsmodelle und Fachkräftemangel Priorität bei ihrer Unternehmensführung haben«, sagt Britta Wormuth, Geschäftsführerin der INTES Akademie.

Das seien genau die Bereiche, die aktuell ganz besonders über den langfristigen Erfolg von Familienunternehmen entschieden. Wormuth: »Unsere Analyse zeigt, dass diese zentralen Themen intensiver bearbeitet werden, wenn Frauen in der Führung eingebunden sind.«

Katharina König (im Bild oben rechts) stellt das bereits in zweiter Generation unter Beweis. Ihre Mutter Stephanie Spinner-König übernahm das vom Großvater gegründete Münchner Unternehmen SPINNER GmbH. Tochter Katharina stieg 2004 mit damals 25 Jahren in die operative Arbeit ein und richtete die Abteilung »Strategisches Marketing« ein. Sechs Jahre später stand sie neben ihrer Mutter als Geschäftsführerin im Handelsregister. 2018 machte Stephanie Spinner-König den Generationswechsel an der Unternehmensspitze dann perfekt und wechselte in den Aufsichtsrat.

Übergabe ohne Zeitdruck

»Meine Mutter hat mir nie das Gefühl gegeben, dass ich die Firma mal übernehmen muss. Aber jede dieser Entscheidungen, die wir gemeinsam getroffen haben, fühlte sich zu dem Zeitpunkt einfach richtig an«, sagt die 43-Jährige. Durch den frühen Einstieg habe sie viel Zeit gehabt, das Unternehmen und das Geschäft wirklich kennenzulernen, und sie konnte mit der Mutter im Team noch einiges entwickeln. Zugleich hätten beide Generationen so vermieden, das Geschäft unter Zeitdruck zu übergeben.

Abkehr von patriarchalischer Unternehmenskultur

Ihre Mutter habe das Unternehmen in den 1990er-Jahren mit viel Energie von einer sehr patriarchisch ausgerichteten in eine viel kommunikativere und integrative Teamkultur geführt. »Sie hat damals wirklich Welten aufgebrochen«, konstatiert die Tochter.

Authentizität entscheidend

Für Katharina habe das womöglich den Effekt gehabt, dass sie gar nicht so viel darüber nachgedacht hatte, ob sie als Frau ein auf Hochfrequenztechnik spezialisiertes Unternehmen mit 900 Mitarbeitern überhaupt leiten könne. Für sie sei vielmehr immer entscheidend gewesen, authentisch in ihrer Rolle zu sein. »Ich habe ausprobieren dürfen, ob ich die Leitung wirklich möchte. Und mich dann voll und ganz dieser Rolle gewidmet. Als Katharina König, nicht als Frau in einer Männerwelt.«

Männlicher und weiblicher Blick

Inzwischen hat sie mit Torsten Smyk den früheren Leiter des Chinageschäfts zum zweiten Geschäftsführer berufen. Ganz bewusst habe das Duo die Aufgabenfelder nicht unter sich aufgeteilt: »Wir führen das Unternehmen gemeinsam als ein Geschäft und wissen beide in allen Belangen Bescheid.« Im Alltag merke sie dabei oft, wie wertvoll es sei, sowohl den männlichen als auch den weiblichen Blick einzubringen. König: »Wir sind uns meist schnell einig über unsere Ziele, aber die Wege dahin sind teilweise ein wenig unterschiedlich.«

Seit anderthalb Jahren ist die Unternehmerin nun selbst Mutter. Kind Nummer zwei ist unterwegs. »Natürlich lebe auch ich wie meine Mutter damals die Rolle der Unternehmerin vor. Aber was die beiden später wollen, müssen sie selbst rausfinden.«

Das Netzwerk ausbauen

Viele Unternehmerinnen schätzen ihr breites Netzwerk. Dort finden sie neben Geschäftskontakten vor allem Austausch, Anregungen und Antworten auf eigene Fragen. Die IHK für München und Oberbayern unterstützt die Vernetzung mit eigenen Plattformen:

  1. Angebote speziell für Unternehmerinnen gibt es hier.
  2. In den sozialen Medien treffen sich Unternehmerinnen:
    Bei Facebook
    Bei LinkedIn in der neuen Gruppe »Unternehmerinnen digital«

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