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Leckere Innovationen

Planet A Foods ©
Choviva-Werk in Pilsen – bis zu 2.000 Tonnen Schokoladenersatz pro Jahr

Lebensmittel sollen nicht nur schmecken und gesund sein, sondern mit Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit überzeugen. Firmen aus Oberbayern arbeiten daher an neuen Produkten.

Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 10/2024

Ohne Kakao kann keine Tafel Schokolade produziert werden. Allerdings gilt Kakao als ausgesprochen klimaschädlich, weil für den Anbau riesige Flächen Regenwald abgeholzt werden. Als der Ingenieur und Start-up-Berater Maximilian Marquart ein Buch über dieses Thema las, witterte er eine vielversprechende Geschäftsidee. Mit seiner Schwester Sara Marquart, einer promovierten Lebensmittelchemikerin, gründete er das Start-up Planet A Foods GmbH.

In 2 Jahren entwickelte das Münchner Unternehmen das Schokoladenersatzprodukt Choviva. „Wir haben über 100 Zutaten, darunter auch verrückte Kombinationen mit Olivenkernen, Algen und Bananenmehl, getestet“, berichtet Sara Marquart. „Am Ende entschieden wir uns für Hafer und Sonnenblumenkerne als Basisprodukte.“

Schoko-Ersatz für Kekse und Pralinen

Heute produziert ein Werk in Pilsen bis zu 2.000 Tonnen Choviva im Jahr. Das Produkt eignet sich als Zutat für Keksglasuren, Pralinenfüllungen und Müslis. Der Handelskonzern Rewe Group peppt mit Choviva süße Eigenmarken auf, der Gebäckhersteller Griesson – de Beukelaer GmbH & Co. KG kreierte damit eine vegane Keksmarke. „Wir wollen die Produktion auf 10.000 Tonnen im Jahr skalieren und ins Ausland expandieren“, sagt Maximilian Marquart selbstbewusst.

Paradebeispiel für die Innovationsfähigkeit und -freude der Lebensmittelwirtschaft ist Choviva. Beides wird immer stärker nachgefragt: „Die Branche steht als Folge der Klima- und Nachhaltigkeitsdiskussion vor großen Herausforderungen“, stellt IHK-Experte Friedhelm Forge fest.

Alternativen für Zutaten …

Weil massenhafte Nutztierhaltung die weltweiten Treibhausgasemissionen in die Höhe treibt, gelten pflanzliche Alternativen zu Fleisch und anderen tierischen Produkten als Lebensmittel der Zukunft. Außerdem muss die Branche für Rohstoffe und Zutaten, deren Produktion die Umwelt schwer beeinträchtigen kann, Alternativen finden.

… und Produktionsverfahren

Ansonsten stehen viele Herstellungsverfahren auf dem Prüfstand. Vor allem Brauereien, Molkereien, Bäckereien und Fleischereien haben einen überdurchschnittlich hohen Energiebedarf. Zahlreiche Betriebe nutzen ausschließlich fossile Brennstoffe. Es herrscht großer Bedarf an Maßnahmen, die temperaturabhängige Produktionskreisläufe auf regenerative Energien umstellen und deren Verbrauch zusätzlich mit Wärmerückgewinnung, Abwärmenutzung und weiteren Maßnahmen senken.

Vor allem die Hersteller von Brauereianlagen haben die Herausforderung erkannt. Marktführer Krones AG beeindruckt mit einer innovativen Abfülltechnik, die bis zu 100.000 PET-Flaschen füllt und 10 Prozent weniger Energie sowie 20 Prozent weniger Druckluft verbraucht.

Nachhaltige Energiekonzepte

Der kleine Wettbewerber BrauKon GmbH in Seeon will mit der ganzheitlichen Lösung eKon gleich den ganzen Herstellungsprozess optimieren. Die Brauereien, die mit eKon arbeiten, versorgen mit einer leistungsstarken Wärmepumpe, die besonders hohe Temperaturen erzeugen kann, alle Unternehmensbereiche mit elektrischer Energie. Die Pumpe selbst nutzt außer einem Energiespeichertank auch Abwärme als Wärmequelle. Der Anwender kann auf Öl und Gas völlig verzichten.

BrauKon-Chef Christian Nuber: „Mit eKon bringen wir 2 unterschiedliche Energiewelten zusammen. Bei herkömmlichen Brauereien sind Einsparungen von mindestens 30 Prozent möglich.“ Großbrauereien könnten sogar um 50 Prozent reduzieren. Jetzt gibt es Überlegungen, solche Konzepte für Molkereien und andere energieintensive Lebensmittelhersteller weiterzuentwickeln.

Start-ups begleiten Mittelstand

Zahlreiche Start-ups arbeiten an technologischen Innovationen für die Branche. Solche Newcomer will die Initiative DICA, die vom Münchner Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE) gegründet wurde, mit etablierten Firmen vor allem aus dem Mittelstand zusammenbringen. „Wir begleiten Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und suchen international Start-ups, die unsere Kunden wenigstens bei einzelnen Produktionsschritten unterstützen können“, sagt DICA-Leiterin Malaika Fischer.

Die Initiative, die auch mit der TU München und der Hochschule Weihenstephan zusammenarbeitet, hat mit bemerkenswerten Synergieeffekten so mancher Innovation zum Durchbruch verholfen. So hat die KTW Technology GmbH, ein Start-up aus dem Umfeld des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR), eine Dosiertechnologie für Food-Hersteller entwickelt, die deren Wasserverbrauch deutlich reduziert.

Von Pilz-Hack bis Algen-Shrimps

Die weitaus meisten Start-ups wollen jedoch mit klimafreundlichen und nachhaltigen Nahrungsalternativen überzeugen. An spannenden Geschäftsideen herrscht gerade rund um München kein Mangel. Die Walding Foods GmbH in Freising zum Beispiel überrascht mit Hackfleisch aus Pilzwurzeln, die Happy Ocean Foods GmbH hat Shrimps aus Algenextrakten und pflanzlichen Proteinen entwickelt (vgl. IHK-Magazin 5-6/2023). Die FarmInsect GmbH produziert Tierkraftfutter aus besonders proteinhaltigen Insektenlarven und will Soja überflüssig machen.

Langer Atem, viel Kapital

Solche Geschäftskonzepte setzen einen langen Atem voraus. „Das europäische Lebensmittelrecht schreibt langwierige und teure Prüfprozesse für neue Lebensmittel vor“, so IHK-Experte Forge. „Food-Start-ups benötigen deshalb besonders viel Kapital.“

Ersatz für Palmöl

Diese Herausforderungen musste auch die GST GLOBAL SUSTAINABLE TRANSFORMATION GmbH in Garching überwinden. Das Biotechnologieunternehmen entwickelte aus Biomasse eine neue Hefe, die in ihren Zellen pflanzenölähnliche Öle produziert. „Unsere Lösung kann Palmöl ersetzen“, versichert GST-Chef Mahmoud Masri.

12 Jahre getüftelt

Der frühere TUM-Wissenschaftler kann das Alternativprodukt allerdings erst nach einem langen Anlauf präsentieren. Rund 12 Jahre tüftelte er an einem Fermentierungssystem, das wirklich produktiv arbeitet. Jetzt aber kann seine Lösung nicht nur Palmöl, sondern auch Kakaobutter und andere Zutaten ersetzen.   

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