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Grüner Hebel - "Everything as a Service" (XaaS)

Darren Jacklin ©
„Die Kundenbedürfnisse ändern sich, mit XaaS öffnen wir uns für neue Zielgruppen.“ Patrick Hypscher, BSH Hausgeräte

Firmen verkaufen ihre Produkte nicht, sondern stellen sie Kunden als Leistung zur Verfügung. „Everything as a Service“ heißt das Modell, das auch die Nachhaltigkeit fördert.

Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 10/2023

Eine Maschine, die bereits seit mehreren Jahren läuft und den Output immer noch steigert? Das Hightech-Unternehmen TRUMPF SE + Co. KG aus Ditzingen verspricht genau dies. „Dabei verkaufen wir die Maschinen nicht, wir stellen sie dem Kunden zur Verfügung“, erläutert Programmmanager Benedikt Braig. „Wir warten sie kontinuierlich und optimieren sie nach Bedarf – so kann die Ausbringungsmenge immer weiter erhöht werden.“ Das ist zugleich nachhaltig: Denn der Lebenszyklus der Maschine verlängert sich, Kunden können Material sparen. Braig: „Das Modell ist vielfach interessant: Es stärkt unsere Beziehung zu den Kunden, differenziert uns am Markt und verbessert die ökologische Bilanz.“

Was der TRUMPF-Manager beschreibt, ist ein Detail des Geschäftsmodells „Everything as a Service“, kurz XaaS. Nach Einschätzung von Manuel Braun, Direktor der Systemiq GmbH in München und Autor einer aktuellen XaaS-Studie, nimmt dieses Modell deutlich an Fahrt auf: „Wir haben es dabei mit einer radikalen, disruptiven und zugleich nachhaltigen Geschäftsmodellinnovationzu tun.“ Es gehe nicht mehr darum, möglichst viele Produkte zu verkaufen, sondern Leistungen und Ergebnisse anzubieten.

Komplettpaket:  Nutzung, Service, Reparatur, Recycling

Ähnlich wie bei Miet- oder Leasingmodellen erhalten Anbieter eine Summe dafür, dass sie ein Produkt beziehungsweise dessen Leistung zur Verfügung stellen. Zudem – und das ist der Unterschied – sichern sie durch Wartung, Reparatur, Ersatz oder Modifikation die Leistung langfristig. Alternativ kann auch der Ertrag oder die Einsatzzeit bepreist werden. Das Produkt selbst bleibt Eigentum des Herstellers oder Anbieters. XaaS-Experte Braun sieht folgende Auswirkungen:

  • Hersteller verdienen mit einem solchen Bündel aus Produkt, Leistung und Service langfristig pro Teil mutmaßlich mehr als mit dem reinen Verkauf. Derzeit gibt es keine Anzeichen, dass XaaS das herkömmliche Geschäft kannibalisiert. Firmen, die das Modell bereits nutzen, bauen es zunächst parallel zum normalen Geschäftsbetrieb auf. Es entstehen langfristige Partnerschaften mit den Kunden sowie der Anreiz, den ganzen Produktlebenszyklus zu optimieren.
  • Kunden haben durch den hohen Servicelevel die Sicherheit, dass eine Maschine oder ein Produkt schnell repariert oder ausgetauscht wird und so die Leistung gesichert ist. Zudem können sie flexibler auf die Herausforderungen ihrer eigenen Märkte reagieren, wenn in dem Servicepaket auch Produktanpassungen enthalten sind. Gleichzeitig vermeiden sie eine langfristige Kapitalbindung.
Wegbereiter für die Kreislaufwirtschaft

Die Services bringen zudem mehr Nachhaltigkeit: Ein kontinuierlich gepflegtes und optimiertes Produkt hat einen längeren Lebenszyklus und einen höheren Output. Es kann leichter aufbereitet, wiederverkauft oder in seine Einzelteile zerlegt werden, die dann neu verwendet werden. „Langfristig werden durch XaaS weniger Produkte hergestellt, also weniger Ressourcen verbraucht, zugleich mehr zurückgewonnen, die Materialkreisläufe geschlossen, weniger CO2 emittiert“, so Braun. „XaaS ist ein grüner Hebel für mehr Kreislaufwirtschaft und damit auch eine gute Reaktion auf die Nachhaltigkeitsregulatorik.“

XaaS ändert das Geschäftsmodell

Und wo liegen die Herausforderungen? Es gilt, genau abzuwägen, welche Produkte sich für dieses Konzept eignen und wie sich die operativen Prozesse für das Geschäftsmodell optimieren lassen. Das Produkt muss halt- und reparierbar sein, Hersteller müssen also gegebenenfalls das Design modifizieren. Der Vertrieb muss neu geschult werden. Es braucht eine spezielle Servicestruktur und Sammellogistik. Bei kapitalintensiven Produkten können Finanzpartner zur Refinanzierung wichtig werden.

Als Risiko nennt Braun den Fachkräftemangel. Sind Schwächen in der digitalen Infrastruktur vorhanden, kann dies außerdem Remote Services, also technische Dienstleistungen aus der Entfernung, erschweren.

Mehr Output, weniger Ausschuss

Programmbestandteil ist XaaS bereits in einigen Branchen, zum Beispiel die Automobilindustrie, der Maschinenbau, Werkzeughersteller, Hausgeräteproduzenten oder auch die Chemieindustrie. Bei TRUMPF hat das XaaS-Angebot seit 2022 einen festen Platz im Portfolio mit dem Zahlungsmodell Pay per Part: Der Kunde zahlt nach Output. Das bedeutet: Je höher etwa die Zahl der vom Laservollautomaten aus einem Blech geschnittenen Teile ist, desto mehr rechnet sich das Modell für TRUMPF. „Wir haben den wirtschaftlichen Anreiz, die Maschinen optimal zu programmieren und zu bedienen“, erklärt Manager Braig. „Dies erfüllt aber auch die Forderung unserer Kunden: Sie haben weniger Ausschuss, wir übernehmen Wartung und Reparatur, bei Bedarf modifizieren wir die Maschinen.“

Stets eingeplant: Reparatur und Recycling

Langjährige Erfahrung mit XaaS besitzt die Hilti Deutschland AG in Kaufering. Seit 2001 bietet der Bautechnologiekonzern einen auf Kunden individuell zugeschnittenen Gerätepark inklusive Service gegen eine feste Monatsgebühr. Dieses XaaS-Modell wurde direkt aus der Nachfrage der Kunden entwickelt und macht inzwischen 65 Prozent des weltweiten Hilti-Geschäfts aus.

Es lohnt sich für kleinere Betriebe

Das Angebot ist für kleinere Betriebe finanziell interessant. Es bindet weniger Kapital als ein Kauf und die Firmen haben eine feste monatliche Kostenbasis. So können sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, ohne Reparaturen oder Geräteausfallzeiten managen zu müssen. Fällt ein Gerät aus, erhalten sie ein Leihgerät. Der Gerätepark kann zudem bei Bedarf schnell erweitert oder reduziert werden.

Die Nachhaltigkeitseffekte versteht Hilti als Bestätigung des XaaS-Ansatzes: Da die Geräte wieder zurückgeholt und weiterverwertet werden, ist eine funktionierende Kreislaufwirtschaft möglich. Zuletzt sammelte Hilti 272.400 Tonnen Geräte, Akkus und Zubehör wieder ein, recycelte 79 Prozent der Materialien und gewann dadurch 738 Tonnen Rohstoffe zurück. 27 Prozent der Komponenten eines Geräts bestehen derzeit aus recyceltem Material. Zudem erhält jeder Kunde jährlich einen Recyclingbericht für seinen Gerätepark, aus dem sein eigener Beitrag zum Wiederverwenden und Recyceln hervorgeht.

Kundengruppen clever erschließen

XaaS lässt sich auch auf Endverbraucher zuschneiden. So vermietet die BSH Hausgeräte GmbH in München über ihre Servicemarke BlueMovement gegen eine Monatsgebühr Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen oder Kühlschränke. Auch hier sind Reparatur oder Austausch bei Bedarf inklusive. „Die Kundenbedürfnisse ändern sich, mit XaaS öffnen wir uns für neue Zielgruppen“, sagt Patrick Hypscher, der das XaaS-Geschäft in einer eigens geschaffenen Stabsstelle für BSH aufbaut. So würden Senioren einen solchen Service besonders schätzen – in einer alternden Gesellschaft eine wachsende Kundengruppe. Umgekehrt könnten junge Leute etwa in Wohngemeinschaften die gemeinsame Nutzung von Hausgeräten besser verrechnen, ohne sie kaufen zu müssen.

Mit XaaS gut vorbereitet auf EU-Regularien

Auch Nachhaltigkeit ist für BSH ein wichtiger Aspekt: Logistikpartner sammeln die Geräte wieder ein, von denen sich 97 Prozent problemlos für einen neuen Einsatz aufbereiten lassen. Im Übrigen können die Kunden wählen, ob sie ein neues oder ein gebrauchtes Gerät leihen.

„Da es unsere eigenen Geräte sind, sind die Materialien sortenrein, also auch leichter wieder zu nutzen. Das XaaS-Konzept verlängert nachhaltig den Lebenszyklus der Geräte und kann uns langfristig zudem mehr Material- und Ressourcensicherheit geben“, sagt Hypscher. „Wir sehen in dem Modell eine wichtige strategische Option, über die wir uns auch gut für den Green Deal aufstellen.“

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