Mobilität | Standortpolitik

Neues Leben für Batterien

MAN Truck & Bus SE ©
E-Bus an der Ladestation – MAN Truck & Bus testet, wie sich gebrauchte Batterien als stationärer Energiespeicher nutzen lassen

Immer mehr Fahrzeuge sind elektrisch unterwegs, aber wohin später mit den aussortierten Batterien? Lösungen für Zweitnutzung und Recycling entstehen gerade.

Josef Stelzer, Ausgabe 09/20

Um immerhin fast 76 Prozent stieg 2019 die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos im Vergleich zum Vorjahr. Bundesweit sind nun mehr als 63.000 Elektroautos unterwegs. Das Konjunkturpaket will mit einem höheren Umweltbonus der E-Mobilität weiteren Schwung verleihen. Das Ziel der Bundesregierung: Bis 2030 sollen in Deutschland bis zu zehn Millionen Elektroautos zugelassen sein. Damit erhöht sich gleichzeitig auch die Anzahl der Antriebsbatterien – die irgendwann altersschwach sind und ausrangiert werden müssen. Die aussortierten Stromspeicher sind jedoch keineswegs wertlos. Sie lassen sich als stationäre Energiespeicher weiter nutzen. Und selbst wenn die Batterien endgültig ausgemustert worden sind, lassen sich die meisten der darin enthaltenen Stoffe in Recyclinganlagen separieren und wiederverwenden.

Second-Use-Speicher für Peak Shaving

Wie eine Zweitnutzung aussehen kann, testet der Münchner Nutzfahrzeughersteller MAN Truck & Bus SE gemeinsam mit Volkswagen auf dem Betriebshof der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH. Dort steht ein weißer Container, der 50 Batterien enthält, die zuvor in Elektroautos eingebaut waren. Die Batterien sind auf Racks montiert und zu einem sogenannten Second-Use-Speicher zusammengeschaltet. Die Projektpartner prüfen, wie sich mithilfe dieses Energiespeichers die Spitzenlasten beim Laden von Elektrobussen abfedern lassen (Peak Shaving). Solche stationären Batteriesysteme, so die Idee, könnten womöglich die Kosten beim Strombezug spürbar reduzieren.

Der Ingolstädter Automobilhersteller Audi untersucht ebenfalls mögliche Einsatzfelder für ausrangierte Batterien, etwa beim Einsatz in mobilen Ladecontainern zum Auftanken von E-Autos. Solche Großspeicher könnten zum Beispiel in Urlaubszeiten die vorhandenen Ladestationen an Verkehrsknotenpunkten ergänzen und damit lokale Stromnetze entlasten.

Mindestens 50 Prozent recyceln

Ist die Zweitnutzung keine Option mehr, geht es um die Wiederverwertung der Materialien. So enthält eine 400 Kilogramm schwere Lithium-Ionen-Batterie etwa elf Kilogramm Kobalt und 32 Kilogramm Nickel. Hinzu kommen weitere Stoffe wie Aluminium, Kupfer, Stahl, Grafit, Mangan sowie Lithium. Eine Forschungskooperation von Audi mit der belgischen Recyclingfirma Umicore hat jüngst festgestellt, dass sich mehr als 90 Prozent der wertvollen Kobalt- und Nickelanteile aus Batterien wiedergewinnen lassen. Die EU-Richtlinie über Batterien und Akkumulatoren (2006/66/EG) schreibt vor, dass am Ende des Batterielebenszyklus, bezogen auf das Gewicht, mindestens 50 Prozent der Materialien recycelt werden müssen.

Herausforderung Entsorgungslogistik

»Das stoffliche Recycling, das allen Batterien irgendwann bevorsteht, hat man technisch im Griff«, sagt Peter Meißner, Geschäftsführer des auf Entsorgungsdienstleistungen spezialisierten Beratungsunternehmens ELOGplan. Die eigentliche Herausforderung bestehe in der Entsorgungslogistik. Antriebsbatterien sind in der Regel austauschbar und werden nicht mit dem Fahrzeug, sondern separat recycelt. Daher sei eine eigene Infrastruktur nötig, um die steigende Zahl ausgedienter oder beschädigter Stromspeicher flächendeckend unter Einhaltung spezifischer Vorschriften sammeln, lagern und möglichst regional prüfen zu können. Die Kosten für zusätzliche Lager, die derzeit noch teuren Spezialbehälter und das nötige Fachpersonal seien nicht zu unterschätzen.

Entsorgungsgrundlage: Relevante Daten problemlos auslesen können

ELOGplan gehört zur Ingolstädter Büchl-Gruppe, die ein eigenes Batteriezentrum plant. »Wir setzen dort neue Messgeräte ein, um die Systeme zu testen, und beschaffen von uns patentierte Lager- und Transportbehälter für einen optimalen Brandschutz«, erklärt Meißner. Auch die Batterien von Unfall-, Baustellen-, Logistik- oder Testfahrzeugen sollen dort geprüft und gelagert werden. Die in die Batterien integrierten Datenspeicher enthalten, vergleichbar mit der Festplatte eines Computers, Informationen unter anderem über Zustand, Speicherkapazität und etwaige Schäden. Meißner: »Die Hersteller sollten es wenigstens ermöglichen, dass die Entsorgungsdienstleister alle für eine Batterieentsorgung oder Weiterverwendung relevanten Daten problemlos auslesen können.«

Spezielle Gefahrgutvorschriften

Die Reverse Logistics GmbH in Dornach bei München erhält derzeit pro Woche etwa zwei Anfragen für eine Batterieentsorgung. Die Aufträge kommen von Automobilherstellern, Werkstätten oder Händlern. »Wir holen die Batterien dann von Autowerkstätten ab, zum Teil auch aus dem Ausland«, sagt Norbert Schärer (59), der bei Reverse Logistics für die Kunden aus der Automobilbranche zuständig ist. Seine Auftraggeber prüfen vorab selbst, ob sich die Stromspeicher für eine Zweitnutzung eignen und ob der Austausch einzelner Module nötig ist. Ist das nicht der Fall, leitet Schärer die Batterien an eine Recyclinganlage weiter. Für Lagerung und Transport gelten wegen der Brandgefahr ausgedienter Antriebsbatterien dann spezielle Gefahrgutvorschriften.

IHK-Service: Wie Batterien aus Elektroautos recycelt werden

  • Bei dem derzeit gängigen Recyclingverfahren handelt es sich um eine thermische Aufschmelzung, bei der sich bestimmte Stoffe wiedergewinnen lassen.
  • Bei neueren Verfahren werden die Batterien geschreddert und die Bestandteile mittels chemischer Prozesse sortiert.
  • Die Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategien IWKS betreibt in Alzenau eine Pilotanlage für elektrohydraulische Zerkleinerungsverfahren. Dabei trennen Schockwellen im Wasser die Materialien der Batteriezellen voneinander.

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