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Neues zur Umsatzsteuer aus Brüssel

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Die EU gibt die Linie vor – auch beim Umsatzsteuerrecht

Was ist auf EU-Ebene bei der Umsatzsteuer geplant? Ein Überblick über wichtige Vorhaben und ihre Auswirkungen auf Unternehmen in Deutschland.

Ausgabe 02/2022

Unser Umsatzsteuerrecht basiert grundsätzlich auf EU-Recht, das vom deutschen Gesetzgeber umzusetzen ist. »Praktisch alle Umsatzsteuerregelungen, die unsere Unternehmen betreffen, stammen aus der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, den EU-Verordnungen und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs«, erklärt Katja Reiter, Steuerreferentin der IHK für München und Oberbayern. »Daher ist es für Unternehmen wichtig zu wissen, was alles auf EU-Ebene geplant ist«, ergänzt IHK-Steuerreferentin Mira Pezo. Hier eine Auswahl der EU-Vorhaben:

Teils schon 2020 und 2021 umgesetzt

EU-Mehrwertsteuer-Aktionsplan
Ein zentraler Aufgabenpunkt der EU-Kommission in den vergangenen Jahren war die Umsetzung des sogenannten Mehrwertsteuer-Aktionsplans von 2016. Seitdem wurden unter anderem die sogenannten Quick Fixes (EU-Richtlinie 2018/1910 vom 4. Dezember 2018) sowie das sogenannte E-Commerce-Paket (EU-Richtlinie 2019/1995 vom 21. November 2019) verabschiedet und durch den deutschen Gesetzgeber für 2020 und 2021 umgesetzt.

Die Quick Fixes betreffen vorwiegend Änderungen bei Reihengeschäften, innergemeinschaftlichen Lieferungen und Konsignationslagern. Das E-Commerce-Paket umfasst Änderungen bei B2C-Lieferungen/Fernverkäufen und bei Lieferungen über Onlineplattformen.

Neuerungen ergeben sich außerdem bei der einzigen Mehrwertsteueranlaufstelle (One-Stop-Shop, OSS) und der zentralen Anlaufstelle für Einfuhren (Import-One-Stop-shop, IOSS).

Vorerst keine Abkehr vom Bestimmungsland-Prinzip

»Wichtig für unsere Unternehmen ist, dass ein Richtlinienvorschlag von 2018, der die Abkehr vom Ursprungsland-Prinzip hin zum Bestimmungsland-Prinzip im B2B-Bereich zum Ziel hatte, nun doch nicht für das Jahr 2022 verabschiedet wurde«, sagt Steuerexpertin Reiter. »Entgegen kursierenden Gerüchten liegt auch kein neuer Vorschlag oder Zeitplan für diese Richtlinie vor.«

Modifizierter Aktionsplan wird bis 2023 veröffentlicht

Die EU-Kommission veröffentlichte hingegen einen modifizierten Aktionsplan von 2020. Dort wurden verschiedene Pläne zur Mehrwertsteuer bis 2023 vorgestellt, unter anderem zur »Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter«, zur Modernisierung von Meldepflichten und zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der einzigen Anlaufstelle (OSS).

Weiter geplant ist eine Aktualisierung von besonderen Vorschriften für Finanzdienstleistungen und für Reisebüros. Zudem gibt es Überlegungen zur Anpassung des Mehrwertsteuerrechts an die Plattformwirtschaft sowie zur Vereinfachung der Ortsbestimmung bei Personenbeförderungsleistungen.

Die Ampel-Koalition hat angekündigt, sich auf EU-Ebene für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem einzusetzen (z. B. Reverse-Charge). Hier sind die weiteren Entwicklungen abzuwarten.

Mehrwertsteuer-Studie zur Digitalisierung
Die EU-Kommision hatte 2021 zumindest den Gedanken zur Digitalisierung aus dem Aktionsplan 2020 wieder aufgegriffen und die Studie »VAT in the digital age« in Auftrag gegeben, für die auch die IHK-Organisation konsultiert wurde. Die Studie wird noch ausgewertet und ist darauf gerichtet, in drei Bereichen die aktuelle Situation zu bewerten:

  • transaktionsbasierte Berichterstattung und elektronische Rechnungsstellung, insbesondere die Kosten und der Nutzen nationaler Mehrwertsteuer-Meldesysteme (z. B. SAF-T, Echtzeitmeldung) und Anforderungen an die elektronische Rechnungsstellung
  • einheitlicher Ort der Mehrwertsteuerregistrierung in der EU und die zentrale Anlaufstelle für Einfuhren (IOSS)
  • mehrwertsteuerliche Behandlung und Beurteilung der Plattformökonomie, einschließlich Fragen zur Anwendung der Mehrwertsteuer auf Onlineplattformen und deren Mitglieder
Weiterer ermäßigter Steuersatz gestattet

EU-Richtlinie zu den Steuersätzen
Im Dezember 2021 einigte sich der ECO-FIN-Rat auf einen Richtlinienvorschlag zu den Mehrwertsteuersätzen. Der Vorschlag sieht vor, dass es allen Mitgliedstaaten gestattet werden soll, neben den beiden derzeit erlaubten ermäßigten Steuersätzen von mindestens fünf Prozent und der Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug einen weiteren ermäßigten Steuersatz zwischen null und fünf Prozent anzuwenden.

Bis Juli 2022 neue Positivliste geplant

Ferner war ursprünglich geplant, anstelle einer Ausweitung der bereits umfangreichen Liste von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Sätze anwendbar sind (Positivliste), eine Negativliste von Lieferungen und Leistungen einzuführen, für die keine ermäßigten Sätze angewandt werden können. »Das hätte zu einer Ausweitung der ermäßigten Steuersätze geführt, was bei 27 Mitgliedstaaten eine Vielzahl von verschiedenen Steuersätzen innerhalb der EU bedeutet hätte«, erläutert IHK-Steuerexpertin Reiter.

Der geänderte Richtlinienvorschlag sieht nun eine Ausweitung der Positivliste vor, unter anderem um Gegenstände und Dienstleistungen, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen, umweltfreundlich sind und den digitalen Wandel begünstigen. »Die endgültige Richtlinie soll in der ersten Jahreshälfte 2022 in Kraft treten«, so Reiter.

Ab 2025 neue Regelungen für Kleinunternehmen

EU-Richtlinie zur Kleinunternehmerregelung
Verabschiedet wurde bereits eine Neuerung bei der Kleinunternehmerregelung (EU-Richtlinie 2020/285 vom 18. Februar 2020). »Diese wird zum 1. Januar 2025 in Kraft treten«, erklärt IHK-Steuerexpertin Pezo.

Bis Ende 2024 kann die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen nur von im Inland ansässigen Unternehmen in Anspruch genommen werden. Ab 1. Januar 2025 darf Kleinunternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen eine ähnliche Mehrwertsteuerbefreiung gewährt werden.

Geplanter Schwellenwert 85.000 Euro Jahresumsatz

Die EU-Richtlinie sieht zudem vor, dass die Kleinunternehmerregelung infrage kommen kann, wenn zum Beispiel der Jahresumsatz einen vom jeweiligen Mitgliedstaat festzusetzenden Schwellenwert von bis zu 85.000 Euro nicht überschreitet.

»Mit diesem Richtlinienvorschlag hat unsere langjährige IHK-Forderung, für Kleinunternehmer die Grenzen für Vorjahresumsätze auf 35.000 Euro und den voraussichtlichen Jahresumsatz auf 85.000 Euro zu erhöhen, endlich eine Chance auf Erfolg. Denn sie orientiert sich auch an der künftig geltenden Richtlinie, die eine erhöhte Grenze zulässt«, betont Steuerexpertin Pezo.

IHK-Service zur Umsatzsteuer:

Weitere Informationen hält die IHK-Webseite zur Umsatzsteuer bereit.

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