Öffentliche Ausschreibung: Gemeinsam gewinnen

Auch kleine Unternehmen können erfolgreich an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen. Am besten tun sie sich dafür mit anderen zusammen.
Von Gabriele Lüke, 04/2023
Sich an bundes- oder europaweiten Ausschreibungen öffentlicher Institutionen zu beteiligen – das ist eine ambitionierte Angelegenheit. Eine Ausschreibung ist ein höchst formelles juristisches Verfahren, die einzureichenden Unterlagen sind sorgfältigst zu bearbeiten, bereits kleinste Fehler können zum Ausschluss führen. Zugleich müssen die Bieter anspruchsvolle Bedingungen, die sogenannten Eignungskriterien, erfüllen, also zum Beispiel bestimmte Jahresumsätze erreichen.
Insbesondere für kleine Unternehmen ergeben sich daraus oft einige Herausforderungen. Aber deshalb gleich kapitulieren und verzichten? Für die Soloselbstständige Tanja Brunnhuber ist das keine Option. „Als Einzelkämpferin erfülle ich selten alle geforderten Kriterien. Also suche ich mir die passenden Partner, wir legen unsere Eignungen und Referenzen zusammen, belegen so unsere Leistungsfähigkeit und reichen die Bewerbung gemeinsam ein“, erläutert die Chefin der Tourismusmarketingagentur „destination to market“ in Lenggries, die zudem im IHK-Regionalausschuss Bad Tölz-Wolfratshausen Mitglied ist. „Diese Herangehensweise hat sich als zielführend erwiesen: Wir erhalten immer wieder spannende öffentliche Aufträge“, freut sie sich.
Drei Wege zum öffentlichen Auftrag
Auch Steffen Müller, Projektleiter im Auftragsberatungszentrum Bayern e.V. (ABZ), sieht keinen Grund, warum kleine Unternehmen nicht an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen sollten. „Der Aufwand mag für sie höher sein, sie brauchen in der Regel Partner, aber sie haben Chancen“, betont er. „Um insbesondere am Anfang formelle Fehler zu vermeiden, können sich Interessierte bei uns im ABZ schulen lassen.“ Für kleine Unternehmen bieten sich drei Wege zum öffentlichen Auftrag an:
- Bietergemeinschaften: Mehrere kleine Betriebe und Soloselbstständige schließen sich als gleichberechtigte Partner zusammen und geben ein gemeinsames Angebot ab.
Eignungsleihe: Ein einzelner Bieter oder eine Bietergemeinschaft leihen sich die ihnen fehlenden wirtschaftlichen, technischen oder personellen Kapazitäten bei anderen Unternehmen aus. Dafür müssen sie in ihrer Bewerbung etwa durch Verpflichtungserklärungen nachweisen, dass die leihenden Unternehmen ihnen die Kapazitäten im Fall der Auftragserteilung auch tatsächlich zur Verfügung stellen.
- Fach- und Teillose: Öffentliche Auftraggeber sind gesetzlich verpflichtet, ihre Ausschreibungen in kleinere, sogenannte Fach- und Teillose aufzuteilen. Wenn es nicht um das Gesamtpaket gehen soll, bietet sich die Bewerbung um solche Lose gerade auch für kleinere Betriebe an – allein oder je nach Anforderungen wiederum zusammen mit anderen.
Gemeinsam die Eignungskriterien erfüllen
„Bei der Bietergemeinschaft dürfen die Beteiligten ihre jeweiligen Umsätze, Kapazitäten oder Referenzen zusammenrechnen“, erklärt Müller. „So weisen sie gemeinsam ihre Eignung, also Leistungsfähigkeit und Fachkunde, nach – was sie als kleines Unternehmen eben allein nicht können – und versetzen sich damit in die Lage, gemeinsam gegen größere Anbieter zu konkurrieren. Bei der Eignungsleihe beruft sich das Unternehmen bezüglich der Eignungskriterien auf die Kapazitäten eines Dritten, eines anderen Unternehmens“, erläutert der Ausschreibungsexperte die entscheidenden Vorteile der beiden Wege. Ein weiterer Hinweis: „Bei überzogenen Eignungskriterien kann sich das Unternehmen an den öffentlichen Auftraggeber wenden, auf diesen Umstand hinweisen und so versuchen, eine Korrektur zu erreichen.“
Was zudem immer geht: Ein kleines Unternehmen kann als Unterauftragnehmer eines größeren Bieters an einer Ausschreibung teilnehmen. „Es trägt dann dazu bei, den Auftrag zu erfüllen, aber nicht den Eignungsnachweis zu erbringen. Denn den kann der größere Bieter in der Regel allein belegen. Hier ist das kleinere Unternehmen dann in der abhängigeren Rolle“, so Müller.
Sich über Ausschreibungsportale informieren
Wie erfahren Unternehmen, dass ein Auftrag ausgeschrieben ist? Diese Internetadressen helfen weiter:
- Der Bekanntmachungsservice für öffentliche Aufträge, das zentrale Portal für die Suche nach Bekanntmachungen öffentlicher Auftraggeber aus Bund, Ländern und Kommunen, listet umfassend alle Ausschreibungen des Bundes, der Bundesländer und Kommunen auf.
- Das Bayerischen Vergabe- und Bekanntmachungsportal (BayVeBe) zählt alle veröffentlichungspflichtigen Bekanntmachungen für nationale Vergabeverfahren vor allem im Liefer- und Dienstleistungsbereich aus dem Freistaat auf. Dazu gehören Auftragsbekanntmachungen, Vorinformation über künftige Auftragsvergaben sowie Bekanntmachungen über vergebene Aufträge.
- Unter auftraege.bayern.de finden sich nationale Vergabeverfahren in Bayern und Vergabeverfahren von öffentlichen Auftraggebern aus dem Baubereich in Bayern.
- Zudem gibt es Portale von privaten Anbietern, die man nutzen kann, die aber in der Regel kostenpflichtig sind. Dazu gehört auch das Portal Deutsche eVergabe , das sich als Zusammenführung von reinem Vergabeportal und zugleich Vergabemanagement versteht.
Freihändige oder beschränkte Vergabe als Variante
Tatsächlich aber müssen nicht alle öffentlichen Aufträge flächendeckend ausgeschrieben werden: In manchen Fällen werden sie auch „freihändig“ oder „beschränkt“ vergeben. Das heißt, der Auftraggeber holt gezielt bei vorab ausgewählten Unternehmen, in der Regel mindestens drei, Angebote ein. Auch hier können kleine Unternehmen zum Zuge kommen, also zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Dafür sollten sie sich und ihre Dienstleistungen aber zuvor außerhalb von laufenden Ausschreibungen bei öffentlichen Auftraggebern vorstellen. Etwa indem sie zum Beispiel eigeninitiativ um einen unverbindlichen Vorstellungstermin bitten oder sich in die Bieterdatenbank des Auftragsberatungszentrum Bayern e.V. (ABZ) eintragen. „Wer sich vorher sichtbar gemacht hat oder bei uns gelistet ist, erhöht seine Chance, später angefragt zu werden“, so Müller. „Wir als Auftragsberatungszentrum benennen auf Anfrage der Auftraggeber auch geeignete Bieter.“
Präqualifizierung nutzen
Wer sich nicht nur hin und wieder auf öffentliche Ausschreibungen bewerben will, sondern regelmäßig und zudem aus dem Liefer-, Dienstleistungs- oder Baubereich stammt, kann zudem prüfen, ob eine Präqualifizierung für ihn Sinn ergibt. Damit weisen potenzielle Bieter vorab und unabhängig von einer konkreten Ausschreibung ihre Fachkunde und Leistungsfähigkeit und das Nichtvorligen von Ausschlussgründen nach. „Sie sparen sich so, bestimmte Unterlagen jedes Mal neu vorlegen zu müssen“, erklärt Müller. Die Präqualifizierung kostet Geld und ist für ein Jahr gültig. Das Präqualifizierten-Verzeichnis für die Liefer- und Dienstleistungen ist den IHKs übertragen, im Freistaat Bayern ist die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern dafür zuständig.
Gute Partner, bessere Chancen
Tourismusspezialistin Tanja Brunnhuber ist inzwischen eine erfahrene Ausschreibungsteilnehmerin: Sie sichtet regelmäßig die entsprechenden Vergabeportale, erfährt über ihr Netzwerk von interessanten Ausschreibungen, ist zudem bei potenziellen Auftraggebern bekannt. Bei der Bewerbung nutzt sie alle Varianten von der Bietergemeinschaft bis zur Eignungsleihe, wird für freihändige Verfahren angefragt beziehungsweise empfohlen. „Ausschreibungen gut zu bewältigen lässt sich lernen“, sagt sie. „Allen Einsteigern empfehle ich die Schulungen des ABZ. Dort erfährt man, worauf es ankommt, um dann seine Chancen besser zu nutzen.“
Sigrid Hauer, Geschäftsführerin der EBH GmbH – Storytelling und Projektkommunikation in München mit zwei Mitarbeiterinnen, nimmt immer wieder in unterschiedlichen Konstellationen an öffentlichen Ausschreibungen teil. Ihr Augenmerk liegt auf der Partnerwahl: „Es ist es wichtig, dass die Partner sich zu 100 Prozent vertrauen können, fair miteinander umgehen, am gleichen Strang ziehen“, rät sie. Zudem empfiehlt sie kleinen Unternehmen und Soloselbstständigen, sich zu fokussieren: „Wir kleineren Betriebe haben einfach weniger Zeit und Personal. Deshalb gilt es, gut abzuwägen, an welchen der vielen Ausschreibungen wir tatsächlich teilnehmen – nämlich nur da, wo wir echte Chancen haben, weil wir die besseren Spezialisten sind.“