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Der Krisenmanager

Marion Vogel ©
Führt eine der wachstumsstärksten Firmen in Bayern – Unternehmer Peter Aicher

Peter Aicher hat mit seinem privaten Rettungsdienst trotz Startschwierigkeiten eine ganze Branche umgekrempelt. Heute ist er in Notfällen ein gefragter Partner.

HARRIET AUSTEN, Ausgabe 11/2022

Ein- bis zweimal im Monat zieht Peter Aicher seine Trambahnfahrerkleidung an und steuert eine Straßenbahn durch die Stadt – zuletzt die Linie 25 nach Grünwald. »Da habe ich acht Stunden meine Ruhe«, sagt der frühere Verkehrsmeister bei der MVG. Im Hauptjob ist Aicher Chef der AICHER GROUP GmbH & Co. KG, des zweitgrößten privaten Rettungsdienstes in Bayern mit 200 Rettungs- und Einsatzfahrzeugen, Arbeitgeber von 2.200 Mitarbeitern und Betreiber von zehn Rettungswachen in und um München.

»Ich kann immer helfen, egal wie schlimm die Situation ist«

Der Weg dorthin war nicht unbedingt geradlinig. Aicher machte zunächst eine Kochlehre und ließ sich zeitgleich zum Rettungssanitäter ausbilden. Das Kochen blieb seine Leidenschaft, die Notfallmedizin wurde sein Beruf, »oder besser Berufung«, korrigiert er. Er wechselte zum Malteser Hilfsdienst und später zum BRK. Die Einsatzfahrten bezeichnet er als große Herausforderung. »Ich kann immer helfen, egal wie schlimm die Situation ist«, sagt der 63-Jährige, der sich bis heute gelegentlich hinters Steuer setzt. Trotzdem musste er noch einmal umsteigen.

47 Prozesse bis zur Konzession durchgefochten

Als junger Familienvater brauchte er eine gut bezahlte Festanstellung, die er als Verkehrsmeister bei der Stadt München fand. Als ein Kollege ihn darauf aufmerksam machte, dass die Wartezeiten auf Krankenwagen bis zu neun Stunden betragen und es in anderen Bundesländern bereits private Rettungsdienste gebe, fackelte Aicher nicht lange und machte sich selbstständig. Als er sein Unternehmen 1985 gründete, begann er mit zwei Mitarbeitern und einem Krankenwagen. Der Start verlief alles andere als reibungslos, denn die bestehenden Anbieter kämpften um ihr Monopol. Bis Aicher eine Konzession für die Krankentransporte erhielt, führte er 47 Prozesse – und verlor nur einen davon.

Am 2. Dezember 1985 um neun Uhr startete er seine erste Krankenfahrt, seine Auftraggeber waren Ärzte, Krankenhäuser, Kliniken und Dialysezentren. Wegen des extremen Kundenzulaufs kaufte er neue Fahrzeuge, saß aber bald auf 700.000 Mark offenen Rechnungen, weil die Krankenkassen sich weigerten, die Fahrten zu bezahlen. »Es war unvorstellbar, wir wollten doch nur unseren Job machen«, sagt Aicher.

Demo mit Fahrzeugen vor dem AOK-Gebäude

Er war damals so empört, dass er mit seinen Fahrzeugen vor dem Gebäude der AOK demonstrierte. Der damalige Krankenkassengeschäftsführer lenkte ein und bot ihm einen langfristigen Vertrag an. »Das war der Durchbruch«, sagt der resolute Geschäftsmann. Das junge Unternehmen war gerettet, von da an ging es stetig bergauf. »Wir konnten uns in allen Bereichen durchsetzen und waren erfolgreich.« Die nächsten Meilensteine waren die Genehmigung auch für die Notfallrettung sowie die Integration in den öffentlichen Rettungsdienst. Neue Geschäftsbereiche wie der Sanitätsdienst, Auslandsrückholdienst, Hausnotruf oder Mobility Service am Flughafen München kamen dazu.

Als Krisenmanager gefragt

Bei schwierigen Einsätzen, wie in der Flüchtlingshilfe 2015 oder beim OEZ-Amoklauf 2016, machte sich Aicher einen Namen als kompetenter Krisenmanager. Grund genug für die Stadt München, auch in der Coronapandemie auf ihn zuzugehen. »Der Auftrag war für uns eine Überraschung«, erinnert sich Aicher, der elf Testzentren, fünf Impfzentren sowie mobile Impfteams betreibt. Im März 2022 folgte die nächste Herausforderung. Aicher richtete in Windeseile drei Hallen der Messe Riem als Notunterkunft für 4.000 Geflüchtete aus der Ukraine ein.

»Corona hat uns wirtschaftlich nach vorn gebracht«

Für seine Personalabteilung bedeutete das ein einziges Auf und Ab, gesteht er. Das fing mit Corona und dem Stillstand am Münchner Flughafen an, wo er mit seinem Mobility Service keinen Umsatz mehr machte und 250 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken musste. Aicher holte sie rasch wieder zurück und ließ sie als Test- und Impfhelfer ausbilden. Gleichzeitig stellte er Hunderte neuer Mitarbeiter ein, sodass die Firma von 1.000 Angestellten vor der Pandemie auf aktuell 2.200 wuchs. »Corona hat uns wirtschaftlich nach vorn gebracht. Das war aber hart verdientes Geld«, bilanziert Aicher.

Gehört zu »Bayerns Best 50«

Der Wachstumsschub brachte dem Familienunternehmen im Juli 2022 die Auszeichnung »Bayerns Best 50« ein, auf die der Firmenchef besonders stolz ist. Sie prämiert die wachstumsstärksten Mittelständler im Freistaat.

Zusammenarbeit zweier privater Rettungsdienste

Bei vielen heiklen Aufgaben wurde Aicher vom zweiten großen privaten Rettungsdienst in München unterstützt, dem ebenfalls 1985 gegründeten MKT Krankentransport. Beide wollen jetzt gemeinsame Sache machen, etwa bei Zentraleinkauf und Fuhrpark. Aicher: »Wir wachsen zusammen, um Synergien zu nutzen und für die Zukunft besser aufgestellt zu sein.«

Zur Person: Peter Aicher

Peter Aicher, Jahrgang 1959, ließ sich als Koch und Rettungssanitäter ausbilden und war bei verschiedenen Rettungsdiensten tätig (ASB, BRK, Malteser). Bevor er 1985 die Aicher Ambulanz gründete, arbeitete er bei der Stadt München als Verkehrsmeister und Fahrlehrer für Straßenbahnen. Neben Notfallrettung und Krankentransporten kamen noch weitere Geschäftsfelder wie Auslandsrückholdienst, Sanitätsdienst und Mobility Service, aber auch Flüchtlingshilfe und der Betrieb von Impf- und Testzentren dazu.

Aicher ist verheiratet und hat drei Kinder.

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