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„Helfen, dass es gut wird"

Sharkbite ©
Wie wird Quarzsandabbau nachhaltig? Daniel Groos, Sophia Steinhäußer und Isabel Dingler (v. l.) von Sharkbite

Mit Leidenschaft und Pragmatismus wollen die Berater von Sharkbite mittelständische Unternehmen auf einen nachhaltigen Kurs bringen.

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 04/2023

Was für ein Kontrast! Das ist der Gedanke, der einem hier in der Hans-Mielich-Straße in München-Giesing kommt. An der Hausnummer 22 sieht man die Flutlichtmasten des 60-er-Stadions noch. Wenn der TSV 1860 ein Heimspiel hat, treffen sich in der Gaststätte dort schon vormittags die Fußballfans „einmal Löwe, immer Löwe".

Nur ein paar Schritte weiter, an der Hausnummer 13, blickt man auf ein Tor zu einer anderen Welt. Dank einer feinen Marketingleistung stehen wir hier und schauen auf das Bild eines furchterregenden Hais. Hier sitzt die Sharkbite Innovation GmbH, die uns zuvor auf Social Media geködert hatte.

Sharkbite. „Innovate what matters." Das klang spannend. Also riefen wir an und sprachen mit Dorothea Ward. Sie ist „Head of Sharkademy and New Work Consultant" und ließ uns nicht mehr vom Haken. „Wenn wir auf LinkedIn nicht so aktiv wären, hätten Sie uns nicht gefunden."

Mithilfe der SDGs auf Kurs bringen

Zu erklären, was Sharkbite macht, schafft die New-Work-Expertin in einem Satz: die SDGs (die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, „die sind unser Polarstern") und Mittelständler zusammenbringen. Und der Firmenname? Anders als ein Mückenstich kann ein „Sharkbite", ein „Haibiss", tödlich sein. Übertragen auf die Wirtschaft, heißt das: Es stimmt mit dem Geschäftsmodell im Kern etwas nicht. Mithilfe der SDGs will Sharkbite schlingernde Unternehmen auf einen nachhaltigen Kurs bringen. „Wir sind Problemlöser", sagt Ward.

Innovationsjunkie in der b.G.-Ära – »before Greta«

Gründer und Geschäftsführer Daniel Groos macht erfrischend klar, was Sharkbite ausmacht: „Nachhaltigkeit – dafür brennt unser Herz." Groos unterscheidet zwischen den Epochen b.G., before Greta (gemeint ist die Klimaaktivistin Greta Thunberg), und a.G., after Greta. Schon in der b.G.-Ära entwickelte sich Groos, promovierter Maschinenbauer und Betriebswirt, zum Seriengründer und Innovationsjunkie.

„Digitalisierung war das Aspirin der Firmen"

Er startete beispielsweise ein Unternehmen für Consumer-Electronics, erfand ein patentiertes Speedometer für das Inline-Skating. Groos surfte auf der Digitalisierungswelle, machte Projekte für andere Firmen, bis ihn das irgendwann frustrierte. „Digitalisierung war das Aspirin der Firmen", sagt er im Rückblick. Da gab es die Digital Chief Officers, bei denen das Thema geparkt wurde, damit sich sonst keiner mehr darum kümmern musste.

Groos spricht bildhaft. Er sagt, in den Firmen hätten Elefanten gekreißt, um Mäuse zu gebären. „Wenn nach drei Jahren als Ergebnis ein Onlineshop rauskommt, ist das nicht innovativ", sagt er, der Innovationsexperte. Aber dann kam Greta Thunberg und die neue Zeitrechnung.

Unverkrampft: die „Zebra-Wirtschaft"

„Uns war klar: Nachhaltigkeit, das wird The Next Big Thing, und wir wollen helfen, dass es gut wird", sagt Groos. Als Konsequenz gründete er mit drei Partnern im Dezember 2018 Sharkbite. Nicht aus Selbstlosigkeit. Groos will Geld verdienen. Es überrascht, wie unverkrampft hier über das Geschäft geredet wird. Groos spricht von der „Zebra-Wirtschaft": „Mit weißer Weste schwarze Zahlen schreiben."

Die meisten Unternehmen tun sich schwer damit. Das Londoner Carbon Disclosure Project hat dazu Zahlen veröffentlicht: 49 Prozent der europäischen Großunternehmen wollen zur Erfüllung der Pariser Klimaschutzziele beitragen, aber nur fünf Prozent davon haben eine Strategie dafür. Im Mittelstand sind es noch weniger. Groos bescheinigt den meisten Firmen „bisher geringe Kompetenz" in Sachen Nachhaltigkeit.

2030 als magisches Datum

Haben Ukraine-Krieg und Energiekrise die Agenda nicht verändert? Die „Sharks" verneinen das. Groos spricht von einem „Trickle-down"-Effekt: Die Konzerne geben den Druck, unter dem sie stehen, an Lieferanten und Geschäftspartner weiter. 2030 hält er für ein magisches Datum. Bis dahin sollen die SDGs die Welt besser machen. Investoren, Banken, öffentliche Auftraggeber, Konzerne, alle Player sortieren sich neu. Ward sagt, wer heute Mitarbeiter einstelle, brauche eine gute Antwort auf die Frage: Wofür steht euer Unternehmen eigentlich?

Individuelle Nachhaltigkeits-Roadmap

Die Zielgruppe von Sharkbite sind Mittelständler. „Es ist sinnlos, grüne Start-ups noch grüner zu machen", meint Groos. Etablierte Unternehmen Schritt für Schritt nachhaltiger zu machen, das bringe weit mehr. Nun lassen sich Firmenchefs nicht gern sagen, was sie tun und lassen sollen. Dorothea Ward hält solche Vorbehalte für unbegründet. Familienunternehmer stellten sich selbst die Frage, wie und ob ihre Enkel das Unternehmen noch übernehmen können. „Unsere Kunden sagen: Ihr arbeitet superpragmatisch und liefert superschnell Ergebnisse", versichert Ward. Groos betont, schon nach etwa einem Jahr hätten sich die Kosten einer Sharkbite-Beratung rentiert.

Eine Sharkbite-Operation dauert acht bis zehn Wochen. In vier Workshops wird geklärt, wo das Unternehmen derzeit steht und wo es mit Blick auf die SDGs Verbesserungschancen gibt. Aus den Ergebnissen wird eine „Roadmap" erstellt, die das Unternehmen selbst abarbeitet. Danach „checkt" Sharkbite zwei- bis viermal im Jahr, wie der Prozess läuft und ob nachgesteuert werden muss. Kunden sollen vom Sharkbite-Netzwerk profitieren. „Wir können nicht alles, aber wir kennen garantiert jemanden, der es kann", erklärt Groos.

Workshops nur mit Entscheidern

Bei Greenwashing will Sharkbite nicht mitspielen. In den Workshops sitzen die Geschäftsleitung oder die Entscheider, weil es um echte Veränderung gehen soll. Groos legt zudem Wert darauf, Produktdesigner mit ins Boot zu holen, weil er in der Kreislaufwirtschaft eine Riesenchance sieht.

Das Unternehmen achtet zudem darauf, Zielkonflikte zwischen verschiedenen Nachhaltigkeitszielen zu vermeiden. Groos und sein Team haben deswegen zum Beispiel ein Projekt in Uganda abgelehnt. Die Installation einer Kühlkette dort hätte zwar 40 Prozent weniger Lebensmittel beim Transport verrotten lassen, aber Tausende Menschen im Transportwesen den Job gekostet.

Sharkbite hat nach eigenen Angaben bislang an die 50 Unternehmen auf grünen Kurs gebracht. Zu den Referenzkunden gehören BayWa r.e. AG und Audi AG. Sharkbite kooperiert mit der Bayern Innovativ GmbH, die Unternehmen im Freistaat bei Innovationsprojekten unterstützt. Groos gibt dort regelmäßig Workshops für Firmen.

Impulse aus anderen Ländern aufnehmen

Für beispielhaft hält der Sharkbite-Gründer die Arbeit für die Gebrüder Dorfner GmbH & Co. KG in Hirschau. Einen Kaolin-Quarzsandabbau nachhaltig zu machen – diese Aufgabe brachte die Giesinger Nachhaltigkeitsprofis zunächst schwer ins Schwitzen. Dafür schauten sich die Berater zum Beispiel an, wie Unternehmen der Branche in Schweden das Thema angehen. Gemeinsam mit den Experten des Unternehmens entwickelten sie eine ambitionierte Nachhaltigkeitsvision, die über den Abbau und die Veredelung hinaus bis zur Renaturierung reicht.

Für Sharkbite arbeiten derzeit sieben „Haie". Eine Mitarbeiterin hat Groos vor Kurzem verloren, sie hat ein grünes Start-up gegründet. Der Unternehmer denkt auch darüber nach, wie man jenseits der Branchen Industrie, Logistik oder Lebensmittelproduktion Nachhaltigkeit fördern kann. Er hat unter anderem die Film-, Musik- und Kunstindustrie im Blick. Bei aufwendigeren Filmproduktionen zum Beispiel summierten sich die Flugstrecken schnell auf Tausende von Kilometern.

Die Problemlöser: Clevere Ideen für große Herausforderungen

Klimaschutz, Energiekrise, Fachkräftemangel – das sind nur einige der gewaltigen Probleme, vor denen wir gerade stehen. In Oberbayern gibt es zahlreiche Unternehmen, die diese Herausforderung annehmen: Sie entwickeln kluge Lösungen für die drängenden Aufgaben unserer Zeit. Das IHK-Magazin stellt diese Problemlöser in einer Serie vor.

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