Produktleben verlängern
Gesetzliche Vorgaben wie zuletzt die Ökodesign-Richtlinie schreiben Unternehmen vor, verstärkt im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu handeln. Viele Firmen haben das Thema längst für sich entdeckt und ihre Geschäftsmodelle darauf ausgerichtet
Eva Müller-Tauber, Ausgabe 09/2021
Reparieren statt wegschmeißen: Aus ökologischer Sicht – etwa um Ressourcen zu schonen und das Klima zu schützen – ist es wichtig, bestmöglich nach diesem Grundsatz zu handeln. In der Praxis lässt sich dies, vor allem bei Konsumgütern, allerdings nicht immer so leicht umsetzen. Mal können defekte Teile nicht ausgetauscht werden, weil sie fest verbaut sind, mal gibt es die entsprechenden Ersatzteile für ein bestimmtes Produkt nicht mehr. Um das zu ändern, nimmt der Gesetzgeber Unternehmen stärker in die Pflicht: So müssen Hersteller von Elektrogeräten wie Kühlschränken, Spülmaschinen, Waschmaschinen, Fernsehern und weiteren Produkten seit dem 1. März 2021 strengere Anforderungen an die Reparierbarkeit erfüllen.
Ab diesem Datum sind die EU-weit vereinbarten neuen Regeln zum Ökodesign anzuwenden (Stichwort unten). Die Produzenten müssen demnach künftig Ersatzteile über einen bestimmten Zeitraum vorhalten und die betreffenden Produkte so gestalten, dass sich Komponenten mit herkömmlichen Werkzeugen zerstörungsfrei auseinanderbauen lassen. Sie sind ebenfalls verpflichtet, Reparaturinformationen mitzuliefern. Ziel ist es, die Lebensdauer von Produkten deutlich zu verlängern.
»Die Ökodesign-Richtlinie ist nur der Anfang«
»Die Ökodesign-Richtlinie und die konkreten Vorgaben zu Elektrogeräten sind nur der Anfang. Die Vorbereitung zur Wiederverwendung, also alles, was die Nutzungsphase von Produkten verlängert, wird in der künftigen Gesetzgebung gestärkt werden«, erklärt IHK-Umweltreferentin Sabrina Schröpfer. Erst im März 2020 hat die EU ihren neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft verabschiedet. Er konzentriert sich auf die Gestaltung und Produktion im Rahmen einer Circular Economy, »damit sichergestellt werden kann, dass die genutzten Ressourcen so lange wie möglich in der EU-Wirtschaft verbleiben«.
Ralf Schweitzer, Gründer der GSD Remarketing GmbH & Co. KG in Sulzemoos, gehört zu den Unternehmern, für die Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung elementar sind. Schon im Alter von 15 Jahren entdeckte er den Markt für gebrauchte IT-Geräte und -Teile. Heute generalüberholt der 42-Jährige unter der Marke Green Panda mit seinem Team vorrangig Business-Computer, daneben aber auch weitere mobile Endgeräte, die nicht ausschließlich im B2B-Bereich eingesetzt werden, wie etwa Smartphones. »Da kommt es immer wieder vor, dass Ersatzteile nicht verfügbar sind, so wie derzeit Displays von Apple beispielsweise.«
Trend Refurbishing
Bewusst konzentriert sich Schweitzer daher hauptsächlich auf die Überholung und Instandsetzung (Refurbishing) von Business-Computern, »denn anders als die meisten reinen Consumergeräte werden diese schon heute hochwertig produziert, sodass sie länger halten, repariert werden können und sich eine qualitätsgesicherte Instandsetzung auch lohnt«, sagt der Unternehmer. Zudem seien im B2B-Bereich Ersatzteile in der Regel stets verfügbar.
Häufige Aha-Effekte
Die Computer, die Schweitzer und seine Mitarbeiter technisch überholen, optisch herrichten, testen und reinigen, stammen zumeist von Firmen, die ihre Geräte en bloc austauschen – sei es, weil der Hersteller seinen Support nach einer gewissen Zeit einstellt oder weil es neuer technischer Features bedarf. »Bei vielen Unternehmen landeten die ausrangierten, aber in der Regel funktionsfähigen Computer bisher im Keller, im Elektroschrott oder sie wurden verschenkt«, erzählt Schweitzer. »Noch heute gibt es häufig einen Aha-Effekt, wenn sie erfahren, dass wir ihnen die Geräte abnehmen, alle Daten darauf final löschen und die Geräte derart aufbereiten, dass sie wiederverwertet werden können.«
Win-win-win-win-Situation
Das Konzept sei eine Win-win-win-win-Situation: Die Unternehmen können ihre alten Computer entsorgen – erhalten mitunter dafür sogar noch Geld –, Green Panda verdient an der Aufbereitung, die Endkunden können gut erhaltene, gebrauchte Business-Computer mit Garantie zu einem Bruchteil des eigentlichen Preises erwerben, »und wir alle minimieren gemeinsam Elektroschrott und schonen Ressourcen«, so Schweitzer.
»Rework and Repair«
Ressourcen schonen und gleichzeitig Geld sparen – das waren auch die Hauptmotive für die Ausgründung der BMK electronic services GmbH aus ihrem Mutterkonzern, der Augsburger BMK Group. »Immer mehr Kunden wollten ein komplettes Life-Cycle-Management im Sinne von ›Rework and Repair‹«, sagt Nafi Pajaziti (48), Geschäftsführer des AfterSales-Dienstleisters. »Sie fragten also bei uns an, ob wir neu bestückte, aber auch alte elektronische Baugruppen und Systeme nacharbeiten und reparieren könnten, was im industriellen Umfeld bis dato wenig üblich war.« So repariert und analysiert die BMK-Tochter seit 2001 elektronische Hightech-Baugruppen auf höchstem technischem Niveau – vom Chiplevel bis zur Modulebene
Die Vorteile des Services liegen auf der Hand: »Hat etwa ein Kunde in mehreren 1.000 Baugruppen einen falschen Chipsatz verbaut – was immer mal wieder vorkommt –, kümmern wir uns darum, ihn so auszubauen, dass unser Auftraggeber alle Teile weiterverwenden kann«, erläutert Pajaziti. So gibt es nicht nur weniger Ausschussware, was finanziell wie ökologisch erfreulich ist. »Der Kunde muss auch nicht so lange warten, bis einzelne Ersatzkomponenten geliefert werden und er weiterarbeiten kann, weil wir ihm alle zwei bis drei Tage mehrere Hundert Baugruppen und die wieder herausgelösten Chipsätze präsentieren können.«
Auch Verbraucher profitieren
Manche Firmen nutzen die BMK-Services zudem, weil sie auf diese Weise Komponenten und Ersatzteile, die langfristig nicht mehr verfügbar sein werden, aus alten Geräten reaktivieren können. Auch Verbraucher profitieren indirekt von den Dienstleistungen der Augsburger. So repariert BMK beispielsweise im Auftrag von anderen Firmen industrielle Baugruppen wie zum Beispiel defekte Steuerungen von Solarwechselrichtern.
Für einige Kunden übernimmt das Unternehmen sogar die Funktion einer verlängerten Werkbank samt Logistik. So lässt beispielsweise die AS LED Lighting GmbH ihre LED-Beleuchtungssysteme dort in Auftragsfertigung montieren. Das Penzberger Unternehmen hat sich auf gewerbliche Kunden spezialisiert, stattet etwa Kliniken, Büros, Sportstätten sowie Industriehallen mit maßgeschneiderten und auf Langlebigkeit konzipierten Lichtlösungen aus.
Wichtige Wertstoffe wie Aluminium erneut einschmelzen
Die Leuchten sind nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip konstruiert, sie lassen sich also wieder in ihre Komponenten zerlegen. Wichtige Wertstoffe wie Aluminium können erneut eingeschmolzen und so recycelt werden. »Bei uns gibt es keine fest verbauten Boards oder Plastiknasen mit Sollbruchstelle«, betont Geschäftsführer Stefan Kirner (55).
Auch sonst legen Kirner und Mitgründer Andreas Thum (56) großen Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit. Fast alle Materialien und Einzelteile werden in Deutschland und Österreich gekauft, gefertigt wird außer in Augsburg noch in Pfronten und am Stammsitz in Penzberg. »Wir kooperieren bevorzugt mit Betrieben aus der Region, mit deren Inhabern wir auch kurzfristig persönlich sprechen können. Zudem verkürzen wir durch die räumliche Nähe unserer Produktionsstätten die Transportwege und sparen somit CO2 «, sagt Kirner.
Er ist überzeugt: »Wenn die Industrie nicht wieder mehr langlebigere Güter produziert, werden sowohl unsere Wirtschaft als auch die Welt zusehends Schaden nehmen.«
Stichwort: EU fördert Kreislaufwirtschaft
Vor rund zwei Jahren haben die sechs größten Förderinstitute in der EU – darunter die Europäische Investitionsbank (EIB) sowie die KfW – die Gemeinsame Initiative für die Kreislaufwirtschaft (JICE) ins Leben gerufen . Die JICE will innerhalb von fünf Jahren (2019–2023) mindestens zehn Milliarden Euro an Investitionen in die Kreislaufwirtschaft finanzieren. Sie bietet Kredite, Eigenkapitalfinanzierungen, Garantien und technische Hilfe für förderfähige Projekte, entwickelt innovative Finanzierungslösungen für öffentliche und private Infrastruktur, Kommunen, private Unternehmen unterschiedlicher Größe sowie für Forschungs- und Innovationsprojekte. Mehr Informationen auf der EIB-Website.
Weitere Infos zur Kreislaufwirtschaft bietet die IHK-Website zu Umweltthemen.
Das Stichwort: Ökodesign
Unter diesem Begriff versteht man die umweltgerechte Gestaltung von Produkten. Die sogenannte Ökodesign-Richtlinie – mit dem Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz (EVPG) in deutsches Recht umgesetzt – legt verbindliche Mindestanforderungen für die umweltgerechte Gestaltung von energieverbrauchsrelevanten Produkten fest.
Betroffen sind alle Massenprodukte, deren Umweltaspekte sich verbessern lassen. Nach und
nach werden produktspezifische Ökodesign-Anforderungen in Durchführungsmaßnahmen
bestimmt und als EU-Verordnung erlassen. Sie sind damit in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar gültig und verbindlich für Hersteller wie Importeure: Nur wenn das betroffene Produkt
die Ökodesign-Anforderungen erfüllt, darf es die CE-Kennzeichnung tragen und in der EU in Verkehr gebracht werden.
Zuletzt wurde die Ökodesign-Richtlinie um das Thema Ressourceneffizienz ergänzt. Ersatz für Kleinteile wie beispielsweise Sprüharme, Dichtungen oder Besteckkörbe von Geschirrspülern müssen seit 1. März 2021 zehn Jahre lang verfügbar sein, damit Verbraucher ihr defektes
Gerät selbst reparieren können. Mehr Informationen beim Umweltbundesamt.