Standortpolitik

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Begehrter Rohstoff – Abbau des Aluminiumerzes Bauxit

Lieferengpässe und weltweite Knappheiten lassen die Preise bei vielen Rohstoffen stark steigen. Unternehmen versuchen gegenzusteuern. Wie sind die weiteren Perspektiven?

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 02/2022

Noch läuft bei der Kögel GmbH Zerspanungstechnik in Schwabsoien/ Landkreis Weilheim-Schongau die Produktion relativ reibungslos. Ob das auf lange Sicht so bleibt, ist ungewiss. Das Familienunternehmen mit 65 Beschäftigten fertigt hochwertige, komplexe Frästeile für Hydraulik, Pneumatik, Elektrotechnik, Maschinenbau und Medizintechnik, vorwiegend aus Aluminium und Stahl, aber auch aus Kunststoff. Die Preise für diese Materialien kennen derzeit fast nur eine Richtung: nach oben. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Ein Teil der Probleme aber, so ärgert sich Geschäftsführer Markus Kögel (40), sei hausgemacht.

Gefährliche Abhängigkeit

Was er damit meint? Der Unternehmer nennt als Beispiel Magnesium, das in vielen Aluminiumlegierungen enthalten ist und in Europa ausreichend vorkommt. Es zu gewinnen, ist sehr energieintensiv und wegen des hohen CO2-Ausstoßes umweltbelastend, sodass es im europäischen Raum seit Jahren nicht mehr produziert wird.

Fast 90 Prozent des Magnesiums weltweit werden mittlerweile in China hergestellt. Die Volksrepublik fuhr die Produktion zuletzt herunter, offiziell, weil die Energiekosten dafür so hoch seien. »Wir zentralisieren alles auf einen Markt und machen uns von anderen Ländern abhängig. Das ist gefährlich«, warnt Kögel. »Wenn Unternehmen so wenig strategisch handeln wie in diesem Fall die Politik, gehen sie über kurz oder lang unter.«

Kögels Firma hat sich vorausschauend mit Aluminium eingedeckt. »Da wir viele Legierungen nur auftragsbezogen herstellen, können wir die Versorgungssicherheit mit unserem Vorrat derzeit aufrechterhalten, aber nur, solange auch unsere Kunden vorausschauend planen«, erläutert der Unternehmer. Eine hohe Lagerhaltung verursacht zugleich hohe Kosten.

Liquidität in »überteuerten Materialien«

Zudem gibt es auch bei anderen Rohstoffen Engpässe, »und seit dem Jahresbeginn 2021 haben bei vielen die Preise angezogen, nicht zuletzt, weil die Nachfrage trotz des verknappten Angebots gleichbleibend hoch ist«, so Kögel. Auf Dauer sei das nicht tragbar. »Wir können nicht unsere gesamte Liquidität in überteuerte Materialien investieren.«

So wie Kögel geht es vielen Unternehmen. In der aktuellen Konjunkturumfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) im Herbst 2021 gaben 92 Prozent der Industriebetriebe an, Preissteigerungen bei Rohstoffen und Waren würden ihr Geschäft hemmen. Bei 85 Prozent beeinträchtigt die Materialknappheit Produktion, Betrieb und Verkauf.

Wie aber sind die Perspektiven für die weitere Entwicklung? Und wie können Unternehmen erfolgreich gegensteuern?

Erhöhte Lieferrisiken bei 45 Prozent der Produkte

Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat kürzlich einen Bericht zur weltweiten Angebotskonzentration wichtiger Rohstoffe und Zwischenprodukte veröffentlicht. In der »DERA-Rohstoffliste 2021« sind insgesamt 34 Metalle, 27 Industrieminerale, dazu Kokskohle sowie 217 Handelsprodukte aufgeführt. Das Ergebnis der aktuellen Erhebung: Fast 45 Prozent der untersuchten Bergwerks-, Raffinade- und Handelsprodukte unterliegen erhöhten Lieferrisiken.

China dominiert

Wichtigster Anbieter bei einer Vielzahl von Rohstoffen ist China. Bei 22 der 53 untersuchten Bergwerksprodukte ist die Volksrepublik größtes Förderland, bei 13 weiteren Rohstoffen ist sie unter den ersten drei Abbauländern zu finden. Noch signifikanter ist die Situation bei der Raffinadeproduktion: Bei 25 der 27 untersuchten Produkte dominiert das Land die Weiterverarbeitung. »Dies zeigt die enorme Bedeutung Chinas für die internationale Rohstoffversorgung«, sagt Felix Riedel, Referent Energie und Ressourcen bei der IHK für München und Oberbayern.

Da in Deutschland nur ein Teil der benötigten Rohstoffe gewonnen wird, sind hiesige Firmen auf Importe angewiesen, insbesondere bei Metallen und Industriemineralen sowie deren Zwischenprodukten. Bei 77 von 217 untersuchten Handelsprodukten ist Deutschland weltweit unter den Top-3-Importeuren: Ob Wolframkarbid aus Österreich, Palladium aus den USA, Chrom aus Russland, Chromtrioxid aus Kasachstan, seltene Erden aus China oder Minerale der Disthen-Gruppe aus Südafrika – die Bezugsquellen sind genauso vielfältig wie die Rohstoffe selbst.

Auswirkungen auf Planungssicherheit

»Komplexe und aufeinander aufbauende Lieferketten beinhalten immer das Risiko, dass diese unterbrochen werden können, wie zuletzt im Rahmen der Covid-19-Pandemie«, sagt Maren Liedtke, Mitautorin der DERA-Rohstoffliste. »Mit gravierenden Auswirkungen auf Produktionsprozesse sowie einer stark eingeschränkten Planungssicherheit für deutsche Unternehmen und den Industriestandort Deutschland.«

Das gilt auch für die Betriebe im Freistaat: »Die bayerische Wirtschaft ist stark in internationale Rohstoffmärkte eingebunden. Der Zugang zu freien Märkten und der Abbau von Handelshemmnissen sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit rohstoffintensiver Betriebe«, betont Frank Dollendorf, IHK-Bereichsleiter International, Industrie, Innovation.

Auch die heimische Rohstoffgewinnung sei für die bayerische Wirtschaft von höchster Bedeutung. »Eine engere Zusammenarbeit der Politik mit der Wirtschaft und ein verbesserter Zugang bayerischer Betriebe zu ausländischen wie inländischen Rohstoffen ist daher unerlässlich.«

Studie warnt vor deutlicher Verschärfung 2040 

Denn der aktuelle Mangel dürfte sich eher noch verschärfen, wie die Studie »Rohstoffe für Zukunftstechnologien« zeigt, die Mitte 2021 die Fraunhofer-Institute für System- und Innovationsforschung sowie für Zuverlässigkeit und Mikrointegration im Auftrag der DERA erstellt haben. Demzufolge könnte der Rohstoffbedarf mit Blick auf die Zukunftstechnologien im Jahr 2040 bei insgesamt elf Metallen deutlich über dem heutigen Produktionsstand liegen.

Das betrifft beispielsweise die Nachfrage nach Lithium, die aufgrund des wachsenden Bedarfs an Batterien für die Elektromobilität die heutige Produktion um das 5,9-Fache übertreffen könnte. Bei Scandium, das in der Wasserstofftechnologie benötigt wird, könnte der Bedarf sogar um das 7,9-Fache über der aktuellen Produktion liegen. Auch Platin und Ruthenium, wichtig für die Herstellung von Festplatten, zählen zu den Metallen, die künftig stärker nachgefragt werden.

»Mit der Energie- und Mobilitätswende wird der Bedarf an Metallen erheblich steigen«, prognostiziert DERA-Leiter Peter Buchholz. Für die Unternehmen sei daher ein gutes Rohstoffmanagement wichtig. »Sie sollten ihre gesamte Lieferkette für potenzielle kritische Rohstoffe durchleuchten, Schwachstellen identifizieren und mit den Zulieferern Strategien erarbeiten, wie sie sich vor Ausfällen und starken Preisvolatilitäten schützen können«, rät der DERA-Chef.

Strategien gegen Engpässe

Viele Firmen machen genau das bereits – und noch mehr. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin hat in einer Blitzumfrage unter 3.000 Unternehmen ermittelt, mit welchen Strategien Firmen versuchen gegenzusteuern. Demnach sind die Suche nach weiteren Lieferanten und eine erhöhte Lagerhaltung mit die am häufigsten genutzten Hebel. »Durch gute Lieferantenbeziehungen, gezielte, langfristige Multi-Sourcing-Strategien und die kontinuierliche Beobachtung der Märkte konnten wir Versorgungslücken bisher erfolgreich vermeiden«, bestätigt Diana Kaaserer, Sprecherin der Infineon Technologies AG in Neubiberg.

Der Großteil der Firmen muss dennoch Preissteigerungen an Kunden weitergeben. Angebote werden vielerorts mit kurzer Bindungsfrist, Termineinschränkungen und Materialpreisgleitklauseln erstellt. Teilweise beziehen Unternehmen ihre Kunden durch Anzahlungen auch in die Finanzierung mit ein. Investitionen werden verschoben, und auch Produktionsstopps und Kurzarbeit lassen sich nicht immer vermeiden.

Manche Betriebe überlegen zudem, wie sie ihre Abhängigkeit von Rohstoffen und Lieferanten reduzieren können. Vor allem die Kreislaufwirtschaft, der Ausbau von Recyclingmaßnahmen und mehr Ressourceneffizienz sind aus ihrer Sicht vielversprechende Maßnahmen.

Unterstützung für ressourceneffizienteres Arbeiten

Unternehmen, die Rohstoffe, Energie & Co. noch ökonomischer einsetzen wollen, finden Unterstützung beim Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern (REZ) in Augsburg, einem Kooperationspartner des BIHK. »Sein Angebot richtet sich vor allem an bayerische Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung von kleinen und mittleren Unternehmen des produzierenden Gewerbes«, erklärt IHK-Referent Riedel.

Neben Beratungen und Informationen stellt das REZ unter anderem einen »Readiness-Check Ressourceneffizienz« auf seiner Website zur Verfügung. »Mit diesem ermitteln die Firmen ihren Ressourceneffizienz-Reifegrad in verschiedenen Kategorien«, so Riedel. Durch diese Eigeneinschätzung finden Betriebe heraus, in welchen Bereichen es sich lohnt zu optimieren. Anregungen, wie sich ressourceneffizienter arbeiten lässt, geben auch Unternehmensbeispiele, etwa die Preisträger des 2021 erstmals vergebenen Ressourceneffizienzpreises Bayern.

Einer der Gewinner ist die Steico SE in Feldkirchen bei München. Als Systemanbieter entwickelt, produziert und vertreibt das Unternehmen Elemente für den Holzbau. Dabei nutzt es den zurzeit ebenfalls knappen Rohstoff Holz stofflich nahezu vollständig, von der Rinde bis zum Kern, und verarbeitet ihn ressourceneffizient.

Darüber hinaus spielt Recycling eine wichtige Rolle: Reste führt das Unternehmen in die Produktion zurück, Abfälle und Verpackungen werden weitgehend vermieden. »Derart ressourceneffizientes Wirtschaften hat gleich mehrere Vorteile«, betont Riedel. »Es spart nicht nur Rohstoffe und Materialien ein, sondern reduziert auch die Kosten im Unternehmen und schont die Umwelt.«

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