Unternehmen

»Ruhe bewahren«

Marion Vogel ©
Sieht sich als »Optimist auf realem Boden« – Studiosus-Chef Peter-Mario Kubsch

Peter-Mario Kubsch, Geschäftsführer von Studiosus Reisen, probiert gern Neues aus. Davon profitiert das Unternehmen. Der europäische Marktführer für Studienreisen gilt dank zahlreicher Innovationen als Vorreiter in der Branche.

Harriet Austen, Ausgabe 05/2021

Bisher ist kein Jahr vergangen, in dem es nicht irgendeine Krise gab«, sagt Peter-Mario Kubsch und zählt auf: Irakkrieg, 9/11-Terror, Golfkrieg, die Aschewolke nach dem Vulkanausbruch 2010, lokale Terroranschläge. Naturkatastrophen, Nachfrageeinbrüche, Rückholaktionen, so der Geschäftsführer der Studiosus Reisen GmbH, gehören »fast schon zum normalen Geschäft«. Ist eine solchermaßen abgehärtete Firma besser als andere auf eine Krise wie Corona vorbereitet? In gewisser Weise schon, meint Kubsch trocken.

»Schwieriger Spagat zwischen Kommunikation, Zuversicht und realistischer Einschätzung«

Professionelle Krisenchecklisten, Vorsorgemaßnahmen, sogar Pandemiepläne lagen in der Schublade. In erster Linie gelte es, Ruhe zu bewahren, sagt Kubsch. Er ist seit 38 Jahren für den in Europa führenden Anbieter von Studienreisen verantwortlich: »Bei besonderen Herausforderungen ist der Blick schnell auf den Chef gerichtet.« Der Unternehmer erinnert sich noch gut an den Irakkrieg 1990/91. Da war er gerade 34 Jahre alt und bereits an der Spitze von Studiosus Reisen. Alle fragten ihn, wie es jetzt weiterginge. »Einen schwierigen Spagat zwischen offener, ehrlicher und transparenter Kommunikation, Zuversicht und realistischer Einschätzung« bedeuteten solche Situationen, sagt Kubsch. Er sei »Optimist auf realem Boden«, das helfe ihm dabei.

Unermüdlicher Appell: »Zusammen schaffen wir es«

Trotzdem hat Corona ihn ebenso kalt erwischt wie die gesamte Tourismusbranche. »Unvorstellbar und katastrophal für unser Geschäft«, zieht der 65-Jährige eine verheerende Bilanz. Der Umsatz betrug 2020 gerade einmal zehn Prozent des Vorjahrs, also 30,4 Millionen Euro. Kurzarbeit und über Jahre hinweg gebildete Rücklagen – auch eine Lehre aus früheren geschäftsbedrohenden Ereignissen – haben »uns bisher gerettet«. Mit seiner positiven Grundhaltung, Geduld und dem unermüdlichen Appell »Zusammen schaffen wir es« will Kubsch seine 350 Mitarbeiter motivieren. Er selbst lenkt das Unternehmen seit zwölf Monaten vom Homeoffice aus und findet das »hocheffizient«.

Die Ergebnisse liegen auf dem Tisch: neun Kataloge mit umfassenden Hygienekonzepten für den Saisonstart sowie ein Corona-Kulanzpaket 2021, das Kunden größtmögliche Sicherheit und Flexibilität bieten soll. Kubsch will gerüstet sein. »Mit Reisen Menschen Freude machen und ihnen für ihr Leben gewinnbringende Eindrücke verschaffen«, dieser Grundsatz von Studiosus Reisen mag jetzt, wo es die Menschen massiv in den Urlaub drängt, noch größere Bedeutung haben als bisher.

Respektvolle Begegnungen

Das Reisefieber hat Kubsch schon früh gepackt. Vater Werner nahm beide Kinder in allen Ferien auf Erkundungstouren für seine neu gegründete Firma mit. »Das Thema war omnipräsent«, sagt der Sohn, der sich in der 12. Klasse bei der Berufsberatung entschied, ins väterliche Unternehmen einzutreten, und deshalb Betriebswirtschaftslehre studierte. Anfang der 1990er-Jahre, als er das Geschäft übernahm, ging er als Erster in der Branche das umweltbewusste und sozialverantwortliche Reisen systematisch an und bezog mit seinem komplexen Nachhaltigkeitsmanagementsystem sämtliche Bereiche der Geschäftstätigkeit im In- und Ausland mit ein.

»Wir sind weltweit als Marke bekannt, die das Thema ernst nimmt«, sagt Kubsch. Bei den Studienreisen in über 100 Länder werde Wert gelegt auf Völkerverständigung, Abbau von Vorurteilen, Vermittlung der jeweiligen Kultur und respektvolle Begegnung mit Land und Leuten.

Studiosus gilt als Trendsetter. Die Firma bestand als erster Reiseveranstalter Europas den »Umwelt-TÜV« nach der EU-Öko-Auditverordnung, dessen modellhafte Übertragung auf die Reisebranche das Unternehmen initiiert hat. Vorgeprescht ist Kubsch auch mit einem zertifizierten Sicherheitssystem, zu dem ihn der Schrecken von 9/11 bewog: »Seitdem kommunizieren wir offen über Risiken, um den Kunden die Ängste zu nehmen.«

Selbstbeschreibung: »veränderungsaffin«

Der Studiosus-Chef bezeichnet sich selbst als veränderungsaffin. Mit Flexibilität und Freude am Neuen geht er den ständigen Wandel an. Das betrifft auch den Klimaschutz. »2021 stellen wir unsere Reisen umfassend klimaneutral«, verkündet er stolz. Seit 2012 kompensiert das Reiseunternehmen bereits die CO2 -Emissionen seiner Fahrten per Bus, Zug und Schiff durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten in Südindien und Nepal. Ab diesem Jahr werden auch Flüge, Hotelübernachtungen und Verpflegung in die Berechnung miteinbezogen.

Zur Person: Peter-Mario Kubsch

Peter-Mario Kubsch, Jahrgang 1956, studierte Betriebswirtschaftslehre in München und an der Stanford University. 1983 trat er in die vom Vater 1954 gegründete Studiosus Reisen GmbH ein und wurde 1987 geschäftsführender Gesellschafter. Kubsch positionierte den Anbieter für Studienreisen (350 Mitarbeiter, knapp 277 Millionen Euro Umsatz 2019, rund 600 Reiseleiter) konsequent als sozialen, ökologischen und nachhaltigen Reiseveranstalter, der für Völkerverständigung und interkulturellen Dialog steht.

2002 erwarb er sämtliche Anteile von Marco Polo Reisen. 2005 rief Kubsch den Studiosus Foundation e.V. ins Leben, mit dem das Unternehmen weltweit Hilfsprojekte unterstützt. Kubsch ist verheiratet und hat drei Kinder.

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