Klimaschutz | Betrieb + Praxis

Klimaschutz digital

Charlie›s/Adobe Stock ©
IT-Tools für die Klimabilanz – die Auswahl ist groß

Mit Software lassen sich Klimatreiber schneller identifizieren, Klimaziele leichter errechnen und erreichen. Wie ausgewählte Tools Firmen helfen, in die Klimabilanzierung einzusteigen.

Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 05-06/2024

Amir Roughani, Gründer der Vispiron GmbH in München, musste nicht viel Überzeugungsarbeit leisten. Als er 2019 vor Steuerberatern einen Vortrag über digitale Geschäftsmodelle hielt, schlug er ihnen vor, dass sie neben Handels- und Steuerbilanzen doch auch Klima- und ESG-Bilanzen für ihre Kunden erstellen könnten.

„Klimaziele, gesetzliche Dokumentations- und Berichtsvorschriften, all das war für die Unternehmen seinerzeit ein immer drängenderes Thema“, sagt Roughani. „Steuerberater arbeiten sehr eng mit ihren Firmenkunden zusammen, kennen die Zahlen. Es lag nahe, sie auch bei der Klimabilanzierung einzubinden.“ Die Steuerberater nahmen den Vorschlag sofort auf, baten Roughani, ein entsprechendes Tool zu entwickeln, und sagten zu, dieses bei ihren Kunden einzusetzen.

Roughani gründete daraufhin die Klimahelden GmbH und brachte eine Software auf den Markt, die Unternehmen seitdem bei der Klimabilanzierung und der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten unterstützt.

Leichter zum Klima-Ziel – mit digitalen Tools

Der IHK-Energie- und Ressourcen-Referent Felix Riedel begrüßt solche Tools: „Bei der Klimabilanzierung gilt es, viele Details zu beachten. Die Daten zu erheben und auszuwerten, gelingt mit digitaler Unterstützung leichter und schneller.“ Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die in die Klimabilanzierung starten und weniger Personalkapazitäten haben, seien solche Tools nützlich. „Erst wenn Unternehmen wissen, wo sie stehen, können sie sich auch ambitionierte Klimaziele setzen und ihren Beitrag zur angestrebten europaweiten Klimaneutralität leisten“, so Riedel.

Auswahlkriterien auf einem Blick
  • Funktionalität: Ein digitales Tool sollte zu den Bedürfnissen des Unternehmens passen und komfortabel zu bedienen sein. Sind digitale Schnittstellen zu anderen, etwa umweltbezogenen, Managementsystemen wie EMAS oder ISO vorgesehen? Das kann die Erfassung der relevanten Daten erleichtern.
     
  • Transparenz: Nutzer sollten erkennen können, welche Standards für die Strukturierung und Erfassung der CO2- beziehungsweise Treibhausgas (THG)-Emissionen verwendet werden. Anerkannt ist das Greenhouse Gas Protocol (GHG). Zudem sollte die Klimazielsetzung fundiert sein und zum Beispiel die Ansätze der Science Based Targets Initiative (SBTi) heranziehen.
     
  • Seriosität: Verwendet das Tool etablierte Standards wie etwa GHG oder SBTi? Auch Referenzkunden und die Verbreitung im Markt können als Orientierungswerte dienen.
     
  • Mehrwert: Es gibt Tools, die nicht nur die CO2-Emissionen, sondern alle drei ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) oder bereits die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) abbilden. Manche Tools unterstützen auch bei der Kommunikation oder der Erstellung der Berichte nach der neuen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD). Einen Mehrwert können zudem Beratung, Siegel oder Zertifikate darstellen.

Es gibt zahlreiche Angebote für die Klimabilanzierung, die sich auch für kleine und mittlere Betriebe eignen – eine Auswahl:


Unternehmensnetzwerk Klimaschutz (UNK): Eine IHK-Plattform

Das Unternehmensnetzwerk Klimaschutz ist eine digitale IHK-Plattform. Sie startete 2022 und wird von der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert. „Die IHKs begleiten mit Informationen und Erstberatung zum betrieblichen Klimaschutz – das UNK rundet diese Angebote ab“, erläutert Projektleiter Jakob Flechtner.

So funktioniert es: Das UNK basiert auf verschiedenen digitalen Bausteinen. Zur CO2-Bilanzierung steht ecocockpit zur Verfügung (siehe unten). Zudem gibt es mit dem KlimaGuide eine umfangreiche digitale Datenbank: Sie enthält Informationsmaterialien, Leitfäden, Hilfen zur Klimazielberechnung, Auskünfte zu Förderprogrammen oder Siegeln und vor allem viele Maßnahmenbeispiele. „Wie die Unternehmen ihre Klimaziele berechnen und erreichen, liegt bei ihnen selbst“, sagt Flechtner. „Unsere Tools geben aber die nötige Hilfestellung.“

Austausch in der Online-Community

Die UNK-Mitgliedschaft ist wie die Nutzung der Tools kostenfrei. Eine Online-Community ermöglicht den direkten Austausch und die Vernetzung unter den inzwischen 3.000 UNK-Mitgliedern. „Klimaschutz und die dazugehörigen Vorschriften entwickeln sich immer weiter“, sagt Flechtner. „Wir reagieren stets sofort, bieten Infos, Webinare oder Podcasts, damit die Unternehmen schnell und fundiert über alle neuen Entwicklungen informiert sind.“


ecocockpit: Made in NRW

Die Effizienz-Agentur NRW (EFA) hat gemeinsam mit den IHKs in Baden-Württemberg ihr kostenfreies CO2-Bilanzierungstool ecocockpit 2014 online gestellt. Die EFA unterstützt seit mehr als 25 Jahren im Auftrag des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums Unternehmen dabei, ihren Ressourcenverbrauch zu senken, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und zirkuläre Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Niederschwelliger Einstieg

„Weniger Ressourcenverbrauch bedeutet weniger CO2-Ausstoß. Aus diesem Gedanken heraus entstand ecocockpit. Betriebe können mit dem Tool niederschwellig ihre CO2-Emissionen bilanzieren“, erklärt EFA-Experte Andreas Bauer-Niermann.

So funktioniert es: ecocockpit orientiert sich bei der Datenerfassung am GHG. Firmen tragen ihre Verbrauchsdaten in Kategorien ein, die an das GHG angelehnt sind. So entstehen Unternehmens-, Standort-, Prozess- und Produktbilanzen. Liegen zu einzelnen Posten keine CO2-Werte vor oder passen die vordefinierten Werte nicht zu 100 Prozent, ist das kein Problem: „Unternehmen können eigene CO2-Äquivalente selbstständig ergänzen“, sagt EFA-Experte Bauer-Niermann. Dafür stehen Quellen wie kostenlose Datenbanken für CO2-Äquivalente zur Verfügung. So können Unternehmen mit ecocockpit ihre größten CO2-Treiber identifizieren.

Entwicklung der Emissionen verfolgen

Reduktionsziele und Maßnahmen entwickeln die Firmen selbst. Die Bestandsaufnahme wird in Grafiken abgebildet und gespeichert, sie kann immer wieder aktualisiert werden. Die Nutzer sehen so auch die Entwicklung ihrer Emissionen. Das Webtool ist kostenfrei. Die ecocockpit-THG-Bilanz kann CSR-Berichten als Referenzdokument beigelegt werden.


ClimatePartner: Pionier seit 2006

Die ClimatePartner GmbH entstand 2006, als unternehmerischer Klimaschutz noch kaum ein Thema war. „Wir verstehen uns daher auch als Wegbereiter auf diesem Gebiet“, erläutert Unternehmenssprecherin Eva Rössler.

So funktioniert es: ClimatePartner verbindet Software und Beratung. Damit bietet das Unternehmen seinen Kunden auch Unterstützung bei der Einhaltung von CSRD- beziehungsweise ESRS-Kriterien. Über ein digitales Tool erfassen und berechnen Unternehmen ihren CO2-Fußabdruck. Die Kategorien für die Erfassung basieren auf dem GHG. Im Anschluss können Betriebe gemeinsam mit ClimatePartner ihre Reduktionsziele entwickeln. Dabei liefert zum Beispiel die SBTi die Orientierung.

Zur Umsetzung der Ziele sowie zu ergänzenden Maßnahmen außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette berät ClimatePartner ebenfalls. „Die Berechnung des CO2-Fußabdrucks ist für uns die Basis für eine ganzheitliche Klimaschutzstrategie, bei der zunächst die Reduktion von Emissionen im Mittelpunkt steht, die durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten aus unserem Portfolio ergänzt wird“, so Rössler.

Individuelle Dokumentation per Website

Unternehmen können das Label „ClimatePartner-zertifiziert“ erhalten. Für sie wird dann eine Climate-ID-Webseite angelegt, die eine Übersicht zu CO2-Bilanz, Zielen und Maßnahmen enthält.

Auch ein CSR-Bericht kann als Referenz eingefügt werden. Erreichbar ist diese individuelle Seite über einen im Label integrierten Link oder QR-Code.

 

 


ConClimate: Als Tochterunternehmen gegründet

Hinter der ConClimate GmbH steht die Facility Manager Wackler Group. „Gebäude, Klimaschutz und Nachhaltigkeit gehören eng zusammen“, sagt Geschäftsführer Christian Reisinger. Daher gründete die Wackler-Geschäftsführung 2020 die Nachhaltigkeitsberatung ConClimate und entwickelte das Softwaretool Substain.

So funktioniert es: ConClimate bietet eine CO2-Bilanzierung, die Entwicklung von Klimazielen, Reduktionsberatung sowie alles rund um die europäische Nachhaltigkeitsberichtspflicht CSRD. Unter anderem bilden das GHG und die ESRS die Basis für die digitale Erfassung. Dabei geht es nicht allein um Klimadaten, sondern um alle Nachhaltigkeitskriterien. Die Erfassungskategorien werden nach Bedürfnissen und Kennzahlen des jeweiligen Kunden zusammengestellt; Unternehmen können zusätzliche, eigene Kategorien definieren.

Datenimport über digitale Schnittstellen

Die Auswertung kann nach Produkt, Standort, Mitarbeitern oder Prozessen und zudem als Gesamtbilanz erfolgen. Daten aus EMAS-, ISO-, ERP- oder CRM-Anwendungen lassen sich über digitale Schnittstellen direkt transferieren. Zur Auswertung der Daten, zur Entwicklung von Zielen (wenn gewünscht nach SBTi) sowie zur betrieblichen Implementierung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit berät ConClimate.

„Praktische Maßnahmen zu bestimmen und umzusetzen, bleibt in der Hand der Unternehmen“, sagt Geschäftsführer Reisinger. „Wenn Ziele und Maßnahmen ins Tool übernommen sind, generiert die Software aus allen Daten einen Bericht, der der CSRD genügt.“


Klimahelden: Nicht nur für Steuerberater

Die Münchner Klimahelden GmbH und ihr Tool sind seit 2020 auf dem Markt.

So funktioniert es: Die Klimahelden nutzen die Kriterien von GHG, ESG und ESRS als Basis. Es können nicht nur die Klima-, sondern auch alle gewünschten Nachhaltigkeitsdaten erfasst und bilanziert werden – nach Prozess, Standort oder Mitarbeitern sowie als Gesamtbilanz. Auch zusätzliche, individuell definierte Kategorien sind möglich.

Datenbank schlägt Maßnahmen vor

Über Importfunktionen lassen sich Daten aus anderen Managementsystemen (EMAS-, ISO-, CRM- oder ERP-Systeme) übertragen. „Anschließend kann sich der Kunde dann Klimaziele setzen – wir empfehlen nach SBTi“, sagt Klimahelden-Gründer Roughani. Zugleich durchsucht das System die Klimahelden-Datenbank selbstständig nach passenden Maßnahmen zur CO2-Reduktion. Roughanis Team berät ergänzend. Zu den möglichen Maßnahmen gehören auch zertifizierte CO2-Kompensationsangebote. Klimahelden hat hier ein eigenes Portfolio entwickelt. „Wir übertragen die Ziele und Maßnahmen ins Tool, das dann alle Informationen zu einem Bericht verarbeitet, der nach CSRD akzeptiert wird“, erklärt Roughani. Auch die Unterstützung der Kommunikation gehört zum Tool: „Wir erstellen Urkunden oder Siegel in Papier- und in digitaler Form, zum Beispiel als eigene Landingpage.“

IHK-Info: Tipps zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Mehr Informationen und praktische Hinweise zu Klimaschutz und Nachhaltigkeitsberichterstattung finden sich hier:

Verwandte Themen