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Mehrwert für alle

Regina Ziegler ©
Seit mehr als zehn Jahren Sozialunternehmer – Christina Ramgraber und David Siekaczek, sira Kinderbetreuung

Sozialfirmen gehen gesellschaftliche Herausforderungen mit unternehmerischen Mitteln an. Der neue Social-Startup-Hub Bayern berät und vernetzt sie schon in der Frühphase.

Von Gabriele Lüke, Ausgabe 03/2023

„Anders als technologische Gründungen mussten wir immer wieder erklären, was uns überhaupt zu einem Unternehmen macht“, erinnern sich Christina Ramgraber (41) und David Siekaczek (40) an die Zeit, als sie 2012 in München ihr auf betriebliche Kinderbetreuung spezialisiertes Firma sira gründeten. Sie entwickeln und betreiben für ihre Auftraggeber betriebliche Mini-Kitas, gehen also mit unternehmerischen Mitteln ein gesellschaftliches Problem, den Kita-Mangel, an. „Damit fallen wir in die Kategorie Sozialunternehmen.“

Gründung mit sozialem Ziel

Bei ihrem Start habe kaum jemand den Begriff gekannt, geschweige denn eine solche Ausrichtung wirklich ernst genommen. Fundiertes Feedback zur Geschäftsidee, Hilfe bei der Vernetzung mit relevanten Akteuren oder Beratung zu Förderprogrammen, die auch für nicht technische Gründungen verfügbar sind: All das hätten sich die beiden Gründer gewünscht, „aber das gab es so nicht“. Dennoch ließen sie sich nicht unterkriegen: Inzwischen hat die sira Kinderbetreuung gGmbH rund 32 Mini-Kitas in ihrem Bestand, beschäftigt gut 120 Mitarbeitende, expandiert stetig und erfolgreich.

Social-Startup-Hub Bayern: Neues Beratungsformat der Staatsregierung

Würden Ramgraber und Siekaczek heute gründen, könnten sie sich an den Social-Startup-Hub Bayern (SSHB) wenden. Im Oktober 2022 gestartet, fungiert er als zentrale und kostenlose Anlaufstelle für angehende Sozialunternehmer in ganz Bayern: Er berät, unterstützt, begleitet und vernetzt sie schon in der frühen Phase der Entstehung. Gefördert wird der SSHB vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Träger ist die Social Entrepreneurship Akademie (SEA), eine Netzwerkorganisation der Münchner Hochschulen. Sie übernimmt das Projekt zusätzlich zu ihrer Kernaufgabe, der Qualifizierung von Menschen zu sozialunternehmerischem Denken und Handeln. Die neue Anlaufstelle ist mit 660.000 Euro Budget ausgestattet und vorerst auf zwei Jahre angelegt. „Der Social-Startup-Hub ist bundesweit einzigartig. Wir stärken mit ihm eine Wirtschaftsweise, bei der unternehmerisches Handeln und gesellschaftlicher Mehrwert Hand in Hand gehen“, betont Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU).

Es gebe viele Aufgaben im sozialen Bereich, die mit unternehmerischen Mitteln schnell, erfolgreich und nachhaltig gelöst werden können, ergänzt Christian Druck, der im Ministerium für den Aufbau des Hubs zuständig ist. Mit dem SSHB verbessere der Freistaat die Rahmenbedingungen für diesen Ansatz. „Zugleich wächst der soziale Impact, wenn neben Staat, Kommunen und Wohlfahrtseinrichtungen auch Sozialunternehmer an der Lösung gesellschaftlicher Aufgaben mitwirken“, so Druck. „Und genau das wollen wir unterstützen.“

Vernetzung auf allen Ebenen

Kristina Notz, Executive Director der Social Entrepreneurship Akademie und Projektleiterin des Social-Startup-Hub Bayern, betont zwei Besonderheiten: »Unsere spezifisch auf die Bedürfnisse von Sozialunternehmen abgestimmte Beratung setzt schon sehr früh ein, ist eine Vorgründungsberatung. Auch wenn die Idee noch vage ist, unterstützen wir bereits.« Denn je früher und spezifischer beraten werde, umso besser seien die späteren Erfolgsaussichten.

Der SSHB sei zwar im Sozialministerium angesiedelt, aber alle anderen Ministerien hätten ihre Türen für die Sozialunternehmer ebenfalls weit geöffnet, so Notz: „Das ist besonders wertvoll, weil viele soziale und ökologische Aufgaben eben auch beim Staat liegen.“ Durch die Kooperationsbereitschaft würden sich wichtige Impulse, Vernetzungen, Kontakte und Kooperationsmöglichkeiten für die Gründer ergeben. „Zudem bringen wir auch unsere bestehenden Kontakte ein, werden darüber hinaus neue Kooperationen aufbauen und so das Partnernetzwerk stetig erweitern“, kündigt Notz an. Zuschüsse wird der SSHB hingegen nicht vergeben. „Wir beraten jedoch zu Förderprogrammen. Kontakte zu Investoren können wir über die SEA einbringen, langfristig möchten wir auch die Banken als Partner und Investoren gewinnen“, so die Projektleiterin.

IHK unterstützt das Angebot

Der Start des Hubs verlief vielversprechend. Bis Ende 2022 meldeten sich bereits 40 Sozialunternehmen. Nun soll die Beratung ausgeweitet werden, indem auch Institutionen wie die bayerischen IHKs in die soziale Gründungsberatung einsteigen und den Multiplikationseffekt verstärken. „Der SSHB knüpft direkt an die IHK-Leitidee der Ehrbaren Kaufleute an“, sagt Henrike Purtik, Spezialistin für Unternehmensverantwortung bei den bayerischen IHKs. „Unternehmertum heißt auch, über den Tellerrand zu schauen und Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Wir unterstützen das Angebot und damit das Sozialunternehmertum daher gern.“

Ermutigung für alle Sozialgründer

Unternehmerin Ramgraber ist überzeugt, dass sich der SSHB bewährt: „Er wird neben der konkreten Beratung vor allem auch den Unternehmensbegriff erweitern und verdeutlichen, dass eine soziale Gründung genauso unternehmerisch ist wie eine technologische.“ Der Hub unterstreiche die Bedeutung des Sozialunternehmertums, das werde das Bewusstsein aller Akteure und damit auch die Praxis, die Vernetzung und die Förderung verändern. „So werden Sozialunternehmer hoffentlich in Zukunft ernster genommen und können sich ein paar Argumentationsschleifen sparen“, sagt Ramgraber.

Ihr Wunsch: „Dass der SSHB mehr Gründer und Gründerinnen ermutigt, in die soziale und ökologische Richtung zu gehen, damit auch die bestehenden Sozialunternehmen stärkt und zudem alle anderen Unternehmen inspiriert, ihren sozialen und ökologischen Impact zu stärken.“

IHK-Service für Sozialunternehmen am Start
 

• Mehr Informationen zum Social-Startup-Hub Bayern.

• Wissenswertes zum neuen Förderprogramm des Bundes „React with impact“ hier.

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