Standortpolitik

Mehr Wagniskapital fürs Wachstum

Pixel Robotics ©
Brauchen Geld für den Aufbau der Produktion – Johannes (l.) und Valentin Plapp, Gründer von Pixel Robotics

Für Start-ups ist die Finanzierung zuletzt deutlich schwieriger geworden. Wie lässt sich die Lage für kapitalintensive Jungunternehmen verbessern?

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 07-08/2023

Die Münchner Celonis SE ist das erste deutsche „Decacorn“. So werden Start-ups genannt, die mit mehr als zehn Milliarden US-Dollar bewertet werden. Vor zwölf Jahren gegründet, hat die Firma mit ihrer Process-Mining-Software eine beeindruckende Wachstumsgeschichte hingelegt.

Solche Unternehmen haben es nicht allzu schwer, Risikokapitalgeber zu finden. Allein 2022 sicherten sich die Oberbayern eine Milliarde US-Dollar. Dennoch beobachtet Bastian Nominacher, Co-Gründer und Co-CEO von Celonis, dass „Investoren Geschäftsmodelle in Zeiten eines schwierigen Marktumfelds im Hinblick auf ihre Tragfähigkeit kritischer hinterfragen, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war“.

Geldgeber sind generell vorsichtiger

Celonis als Ausnahmefirma kann Nachfragen relativ gelassen entgegensehen. Der großen Mehrheit der – meist jüngeren und weniger hoch bewerteten – Start-ups fällt dies nicht so leicht. Für sie ist es schwieriger geworden, an Risikokapital zu kommen. „Seit Beginn der vielen Krisen hat sich die Situation verschlechtert“, bestätigt Hendrik Brandis, Geschäftsführer der Münchner Earlybird Venture GmbH. „Alle Venture-Capital-Geber sind vorsichtiger geworden.“

Die Investoren sehen, dass sich die Bewertungen der Start-ups nach unten entwickeln, erklärt Brandis. Jeder frage sich: „Wenn ich heute 100 Euro zahle, bekomme ich das Gleiche nicht demnächst für 50 Euro?“ Hauptursache für die gefallenen Bewertungen von Techunternehmen sind die gestiegenen Zinsen. „Und keiner weiß, wann die Phase der steigenden Zinsen zu Ende geht“, betont Brandis. Hinzu kommt: „Die Investoren sind sich bezüglich der eigenen Refinanzierung unsicher“, so der Earlybird-Chef. Auch deshalb seien die Geldgeber vorsichtiger geworden. Seine Prognose: „Die Investitionszurückhaltung wird sich im gesamten laufenden Jahr eher noch verschärfen.“

Anschlussfinanzierung immer schon schwierig

Viele Start-ups in der Aufbauphase trifft das hart. Es ist noch nicht lange her, da rissen sich Investoren darum, in vielversprechende Start-ups zu investieren. „Jetzt laufen die jungen Firmen potenziellen Geldgebern hinterher“, sagt Brandis.

So verstärkt die aktuelle Entwicklung ein grundsätzliches, schon lange bestehendes Phänomen: Während deutsche Geldgeber Unternehmen in der Frühphase – mit wenigen Abstrichen – gut mit Startkapital versorgen, halten sie sich bei späteren Investments mit höheren Summen zurück.

Ausländische Investoren risikobereiter

Am Anfang stehen den Start-ups viele Kanäle offen: Sie sammeln Eigenkapital bei Familie und Freunden, erhalten Fördergelder, werben um Business-Angels und öffentliche Investoren wie die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft mbH und überzeugen – je nach Dynamik, Geschäftsmodell und Bewertung – Wagniskapitalgeber aus der Region beziehungsweise aus Deutschland.

Wenn ein Start-up sich im Anschluss aber gut entwickelt und der Kapitalbedarf entsprechend mitwächst, wird es in Deutschland schwierig. Anschauliches Beispiel dafür ist die jüngste Investorenliste von Celonis: Auf ihr finden sich der katarische Staatsfonds QIA sowie zehn US-Venture-Capital-Firmen – und nur ein einziger Geldgeber aus Europa. Bei anderen Start-ups sieht es ähnlich aus.

Abwanderung von Start-ups befürchtet

„Sobald ein Start-up wächst und einen zweistelligen Millionenbetrag benötigt, hat es bei hiesigen Venture-Capital-Gebern wenig Chancen“, sagt IHK-Expertin Claudia Schlebach. Das müsse sich dringend ändern, damit junge Firmen nicht abwandern oder direkt im Ausland gründen. „Deutschland muss es schaffen, auch die größeren Finanzierungen zu stemmen“, fordert Schlebach.

Vor welchen Hürden junge Unternehmen bei der Kapitalsuche stehen, zeigt das Beispiel Pixel Robotics GmbH. Die Firma begann 2020 und automatisiert innerbetriebliche Palettentransporte mithilfe von KI, Computer Vision und Robotik. Die ersten Jahre finanzierte das Start-up mit unterschiedlichsten Mitteln.

Gestartet mit Mischfinanzierung

Unter anderem brachten die Gründer, die Brüder Valentin und Johannes Plapp, von einem früher gestarteten, profitablen Unternehmen Kapital ein. Ferner flossen Mittel des bayerischen Programms zur Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen, kurz BayTOU, das bis zu 45 Prozent der Kosten von Entwicklungsvorhaben übernimmt. Zudem gewährte die BayBG im Herbst vergangenen Jahres Mezzanine-Kapital im unteren sechsstelligen Bereich.

Das alles brachte das Münchner Start-up voran. Doch nun sind weitere Gelder notwendig, um die Roboter für den Palettentransport, die mehrere Zehntausend Euro Materialkosten verschlingen, zu bauen und sie somit im größeren Stil verkaufen zu können.

Banken hielten sich zurück

„Uns wäre eine Bankfinanzierung lieber als VC-Kapital“, sagt Mitgründer Valentin Plapp. „Dann müssten wir keine Anteile abgeben.“ Doch Kreditinstitute finanzieren so gut wie nie Start-ups. „Banken sehen sich die Vergangenheit an, überprüfen die Bilanzen“, so IHK-Expertin Schlebach. Start-ups hingegen werden finanziert, wenn man ihnen Wachstum in der Zukunft zutraut. Plapp kennt das Dilemma. „Hier klafft eine Lücke, die geschlossen werden sollte“, findet er, zumal „VC-Geber nicht gern in Hardware investieren“.

Wunsch: Renten- und Pensionsfonds mitfinanzieren lassen

Damit schnell wachsende Unternehmen mit hohem Bedarf an Risikokapital auch von deutschen Investoren finanziert werden, müssten auch die Rahmenbedingungen verbessert werden. „Einer der größten strukturellen Nachteile ist die fehlende Möglichkeit für Renten- und Pensionsfonds, sich hier zu beteiligen“, sagt Celonis-Mitgründer Nominacher.

IHK-Expertin Schlebach sieht dies genauso und hofft auf eine Kurskorrektur von Seiten der Politik. „Dem Wirtschaftsstandort Deutschland beziehungsweise Bayern und seiner Innovationskraft würde es enorm helfen.“

IHK-Info: Finanzierung und Förderung

Die IHK für München und Oberbayern hält auf ihrer Website zu Finanzierung und Förderung umfangreiche Informationen bereit.

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