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Leichter abheben – öffentliche Förderprogramme unterstützen junge Unternehmer

Das Land Bayern baut seine staatlichen Förder- und Finanzierungsprogramme für Start-ups weiter aus. Für junge Unternehmen ergeben sich so neue Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln.

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 10/2021

Ein innovatives Softwaretool samt vielversprechendem Prototyp, vier hoch motivierte Gründer mit einschlägiger Berufserfahrung und einiges an Eigenkapital: Für die Münchner Ryte GmbH, 2012 als Suchmaschinenoptimierungstool Onpage.org gestartet, waren die Rahmenbedingungen, um sich in der umkämpften Internetbranche zu behaupten, von Beginn an günstig. So folgten in den ersten Jahren fast zwangsläufig Auszeichnungen bei verschiedenen Gründerwettbewerben – und bald die Erkenntnis des vom rasanten Aufstieg ihres Unternehmens mitgerissenen Gründerteams: »Wenn wir auch international durchstarten wollen, brauchen wir zusätzlich externes Kapital.«

Schnell viel Geld nötig

Fünf Jahre hatten Andreas Bruckschloegl und seine Partner Marcus Tandler, Niels Dörje und Jan Hendrik Merlin Reichenbacher die Finanzierung ihres Startups selbst gestemmt. »Doch wer eine Softwarefirma gründet, muss sich früh entscheiden: Will ich in einer Nische erfolgreich sein oder möchte ich die Welt erobern – und für Letzteres braucht man schnell viel Geld, sprich Venture Capital, gerade in unserer Branche«, weiß CEO Bruckschloegl.

Auf der erstmaligen Suche nach passenden Investoren kreuzten sich eher zufällig die Wege des wachstumsorientierten Start-ups und der Bayern Kapital GmbH, der Venture-/Growth-Capital-Gesellschaft des Freistaats Bayern. Auch wenn damals letztendlich die Wahl auf einen Business Angel und zwei andere VC-Gesellschaften fiel, blieb man in Kontakt. Denn wer dauerhaft auf Wachstumskurs ist, braucht immer wieder frisches Geld und setzt dabei gerne auf vertrauensvolle Partner, »bei denen die Chemie stimmt«, betont der 32-jährige CEO. Und: »Die Beteiligung eines staatlichen Fonds kann mitunter dazu beitragen, dass private VC-Geber früher bereit sind, in ein Unternehmen einzusteigen, weil sich das Risiko minimiert.«

In der VC- und Tech-Szene hervorragend vernetzt

Im April 2021 schließlich war die Zeit reif: Ryte hatte mit Octopus Investments aus Großbritannien den notwendigen privaten Leadinvestor für das Co-Investmentmodell an Bord geholt. In der Folge beteiligte sich Bayern Kapital in einem ersten Schritt mit zwei Millionen Euro aus seinem Wachstumsfonds Bayern an dem Start-up, das zu einem schnell wachsenden Anbieter von Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS) für das Qualitätsmanagement von Websites herangereift war.

Die Investition in das mittlerweile mehr als 100 Mitarbeiter zählende Unternehmen erfolgte im Zuge einer Serie-A-Finanzierungsrunde über den Wachstumsfonds Bayern (Gesamtvolumen 8,5 Millionen Euro) vonseiten der VC-Gesellschaft des Freistaats. »Da sowohl das Unternehmen Ryte als auch meine persönlichen Wurzeln in Bayern liegen, bin ich sehr stolz, dass Bayern Kapital Vertrauen in unser Team und in unser Produkt setzt«, so Ryte-CEO Bruckschloegl. Die VC-Gesellschaft des Freistaats sei in der VC- und Tech-Szene hervorragend vernetzt und verfüge über jahrelange Erfahrung in der Finanzierung von Wachstumsunternehmen. »Mit den zusätzlichen Mitteln kommen wir unserem erklärten Ziel ein Stück näher, weltweit Marken dabei zu unterstützen, eine exzellente User Experience für ihre Websites sicherzustellen«, so Bruckschloegl.

Staatliche Unterstützungsleistungen je nach Unternehmensphase

Im Rahmen des Wachstumsfonds kann Bayern Kapital das innovationsstarke Unternehmen als VC-Geber bei der Skalierung des Geschäftsmodells unterstützen. Wer wie die Münchner Jungunternehmer schnell an frisches Geld kommen muss, braucht also nicht ausschließlich auf private Investoren aus dem Ausland zu setzen. »Auch das Land Bayern bietet Unterstützungsleistungen in den verschiedenen Unternehmensphasen«, weiß Rainer Bradl, Finanzierungsexperte bei der IHK für München und Oberbayern. »Und erfreulicherweise werden die staatlichen Hilfen für Start-ups, wie von uns schon seit Längerem angeregt, weiter ausgebaut.« (siehe Stichwort unten).

Beispiel Wachstumsfonds Bayern: Nach 100 Millionen Euro im ersten Fonds beläuft sich dessen Volumen im zweiten Fonds seit Mai 2021 auf 165 Millionen Euro. »Wir haben – was außergewöhnlich ist – die Europäische Investitionsbank EIB dafür gewonnen, sie beteiligt sich mit 50 Millionen am Wachstumsfonds Bayern 2, der bisher ausschließlich von uns und der LfA Förderbank Bayern getragen wurde«, erläutert Bayern-Kapital-Geschäftsführer Roman Huber (62). »Damit können wir nicht nur mehr aufstrebende Unternehmen aus der Region fördern und die Zahl der Investments als VC-Geber erhöhen, sondern auch größere Tickets schreiben, also technologieorientierte bayerische KMU über mehrere Finanzierungsrunden mit fünf, sieben oder sogar maximal zehn Millionen Euro unterstützen.«

Es gehe Bayern Kapital einerseits darum, den Firmen vor Ort umfassende Starthilfe zu geben. »Daher bieten wir schon in der Seed- sowie in der Start-up-Phase finanzielle Unterstützung«, so Huber. Andererseits sei es wichtig, Finanzierungslücken zu schließen, zum Beispiel bei der Markteinführung von Innovationen oder in der Wachstumsphase. Wenn etwa ein Start-up in in dieser Phase mit fünf Millionen Euro externem Kapital kalkuliere, dann reichten die aus Erfahrung vielleicht gerade so, sagt der Bayern-Kapital-Chef. »Da muss das Unternehmen mitunter aber immer wieder Kompromisse in Bezug auf das Tempo seiner Weiterentwicklung machen.«

Erhalte es darüber hinaus jedoch zusätzlich zum Beispiel zwei Millionen Euro Wagniskapital zu akzeptablen Bedingungen, könne es frühzeitig in den nächsten Gang schalten. »Wer genügend Geld hat, kann besser und schneller wachsen«, ist Huber überzeugt.

Neuer ScaleUp-Fonds Bayern

Darum sei es wichtig, auch stark expandierenden Hightech-Unternehmen in Bayern Beteiligungskapital für Wachstumsfinanzierungen zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund hat Bayern Kapital das Portfolio Mitte Juli 2021 ausgeweitet: Der neue von ihr gemanagte ScaleUp-Fonds Bayern (Fondsvolumen: 200 Millionen Euro) stellt in Kooperation mit einem Privatinvestor oder mehreren unabhängigen privaten Investoren stark expandierenden Hightech-Unternehmen in Bayern als Co-Investmentpartner Beteiligungskapital für großvolumige Expansionsfinanzierungen zur Verfügung.

»Das ist kein Massengeschäft«, weiß Huber, aber technologieorientierte innovative Unternehmen könnten dadurch Finanzierungen von zehn bis 25 Millionen Euro als Teil von Finanzierungsrunden (bis zu 50 Millionen Euro und mehr) erhalten. Dies ermögliche bedeutende Wachstumsschritte, wie zum Beispiel den Ausbau in internationalen Absatzmärkten.

Nicht nur im Ausland an Kapital kommen

Mit dem ScaleUp-Fonds könne man Unternehmen nun von der Wiege bis zum strukturierten Kapitalmarkt begleiten, erklärt Huber. Damit erhöhe Bayern Kapital die Leistungsfähigkeit ausgewählter regionaler Firmen und verschaffe bayerischen Unternehmen einen Standortvorteil. »Alles, was danach kommt, kann und muss der private Markt allein regeln«, sagt Huber.

Die Tatsache, dass das Land Bayern über seine VC-Gesellschaft Wagniskapital bereitstellt, sei für die Unternehmen hier generell ein wichtiges Signal und es sei »mitunter auch günstiger, wenn sie die Möglichkeit haben, über den gesamten Lebenszyklus nah der eigenen Haustür und nicht nur im Ausland an Kapital zu kommen«, betont Huber. Zudem sei Bayern Kapital nicht nur Geldgeber, sondern auch Berater und Begleiter: »Auch wenn wir nicht wie Business Angels aus operativer Unternehmererfahrung heraus agieren, können wir doch erfolgskritische Fragen stellen, fürs operative Geschäft gute Impulse geben und Kontakte zu entsprechenden Experten herstellen«, verspricht der Bayern-Kapital-Chef.

Erfahrungen aus der Praxis

Ein Unternehmen, das Bayern Kapital bereits zu den langjährigen Begleitern zählt, ist die Münchner wealthpilot GmbH. Das 2017 gegründete FinTech mit inzwischen 65 Mitarbeitern bietet eine cloudbasierte Software für das hybride Vermögensmanagement – eine Kombination aus digitalen, datengetriebenen Vermögensanalysen und persönlicher Vermögensberatung. Ihr erstes Jahr finanzierten Stephan Schug (33) und Daniel Juppe (32) mit dem EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) – »eine gute Möglichkeit zu prüfen, ob es sich um eine skalierbare Geschäftsidee handelt«, so Schug.

Verdoppelung des Co-Investmentmodells

Im zweiten Jahr holte das Duo Business Angels mit ins Boot und kurz darauf die Bayern Kapital als einen Investor. Die hatten sie über das bayerische Netzwerk BayStartUP kennengelernt. »Der Vorteil ist, dass Bayern Kapital den Betrag, den der private Hauptinvestor einbringt, im Zuge des Co-Investmentmodells spiegelt, also verdoppelt.« 2021 beteiligte sich Bayern Kapital erneut an wealthpilot, das erfolgreich der Coronakrise trotzte – dieses Mal im Rahmen des Wachstumsfonds 2. Das Geld nutzt wealthpilot, um den Bereich Human Ressources, allen voran das Entwicklungs- und Kundenmanagement, weiter auszubauen. »Im Softwarebereich ist Geschwindigkeit alles und Geld ist Geschwindigkeit, da kommt man um VC nicht herum«, lautete auch bei Schug und Juppe die frühe Erkenntnis.

Geeignete Investoren zu finden und zu überzeugen, ist allein schon fast ein Fulltime-Job. Rund 16 bis 18 Monate lägen zwischen den einzelnen Finanzierungsrunden, sagt Schug, »dazwischen gilt es, in rund vier bis sechs Monate die passenden Investoren zu finden und zu verhandeln«. Umso lieber greife das Start-up auch auf langfristige, bewährte Partner zurück, die Vertrauen zeigen. Schließlich sei »der persönliche Fit ebenso wichtig«, betont der studierte Betriebswirt mit Schwerpunkt Technologie und Management. Und: »Die Investoren müssen das jeweilige System verstehen. Hier haben wir trotz unseres komplexen Produkts den Vorteil, dass wir im Finanzmarkt unterwegs sind, in dem sich unsere Geldgeber ohnehin auskennen.«

Sich gegenseitig durchleuchten

Der Jungunternehmer rät anderen Gründern, mögliche Investoren genauso zu durchleuchten, wie diese es umgekehrt mit den Start-ups tun, und dann mit den Auserwählten ein gemeinsames Zielbild zu entwerfen, wo man mit dem Unternehmen hinmöchte. »Wir rufen auch mal bei anderen Firmen an und fragen etwa, wie ihre VC-Geber inhaltlich aufgestellt sind und wie sie mit Problemen umgehen«, rät Schug zum Austausch von Gründer zu Gründer. Wer zudem seine Prozesse schlank halte und sich Ziele sowie Meilensteine setze, könne trotz der Mitsprache von Investoren sein Unternehmen gezielt in die geplante Richtung steuern.

Und wenn es mal nicht so läuft, etwa der Sprung in fremde Märkte nicht auf Anhieb gelingt? »Jeder Investor weiß, dass nicht immer alles reibungslos klappt«, beschwichtigt der wealthpilot-Co-CEO. »Wichtig aus Gründersicht ist es in so einem Fall, Transparenz zu zeigen, genau zu eruieren, woran es hapert, und das Thema dann gemeinsam zu wuppen.«

IHK-Service: Bayerns Förderprogramme für Start-ups
1. Eigenkapitalprogramme
  • Wachstumsfonds Bayern
    Der Wachstumsfonds Bayern stellt gemeinsam mit mindestens einem zusätzlichen Privatinvestor bedarfsgerecht zwischen zwei und acht Millionen Euro bereit – auch im Rahmen mehrerer Finanzierungsrunden.
    bayernkapital.de

  • ScaleUp-Fonds Bayern
    Dieser Fonds richtet sich an stark expandierende Hightech-Unternehmen aus allen Wirtschaftsbranchen, die weitere Wachstumsschritte (technische/marktseitige Expansion) oder den Exit realisieren wollen. Pro Unternehmen können zehn bis 25 Millionen Euro investiert werden.
    bayernkapital.de

2. Zuschussprogramme
  • Bayerisches Förderprogramm Technologieorientierte Unternehmensgründungen (BayTOU)
    Das Bayerische Wirtschaftsministerium unterstützt Firmengründer und junge Technologieunternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte, Verfahren und technischer Dienstleistungen sowie beim Erarbeiten eines Unternehmenskonzepts.
    www.bayern-innovativ.de/seite/baytou
    Antragstellung: über die Internetplattform zur elektronischen Antragstellung (ELAN) www.fips.bayern.de

  • Bayerisches Förderprogramm zur Unterstützung des leichteren Übergangs in eine Gründerexistenz (FLÜGGE)
    Das Bayerische Wirtschaftsministerium will Unternehmensgründungen aus Hochschulen in Bayern im Bereich Innovation, Forschung und Technologie vorantreiben. Gefördert wird unter anderem mit einem Stipendium für Gründungswillige in Höhe von 2500 Euro pro Monat.
    www.bayern-innovativ.de/seite/fluegge
    Antragstellung: über bayerische staatliche Hochschulen in Bayern. Einreichung erfolgt über die Technologietransferstellen oder die Technologietransferbeauftragten

3. Weitere Programme
  • Programm zur Förderung der Validierung von Forschungsergebnissen und Erfindungen (Validierungsprogramm)
    Das Programm verfolgt das Ziel, technologische Innovationen zu validieren, um deren Potenzial in die industrielle Forschung übertragen zu können. Es sieht eine Übernahme von Personal- und Sachausgaben vor.
    www.bayern-innovativ.de/beratung/uebersicht-trend-technologiemanagement/programm-start-up/seite/validierungsfoerderung
    Antragstellung: über bayerische staatliche Hochschulen in Bayern. Einreichung erfolgt über die Technologietransferstellen oder die Technologietransferbeauftragten.

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