Gemeinsam neue Märkte erobern

Start-ups etablieren sich zunehmend als Kooperationspartner für Mittelständler und Großbetriebe. Dabei können beide Seiten von der Zusammenarbeit enorm profitieren.
Monika Hofmann, Ausgabe 05/2021
»Machen!«, empfiehlt Aaron Overmeyer, Geschäftsführer der IND.ACADEMY GmbH in München, wenn er gefragt wird, ob Start-ups Kooperationen eingehen sollten. Gerade jetzt in der Krise würden sich Partnerschaften als wertvoll erweisen. »Für uns ist es eine große Chance, mit starken Partnern, die in der Industrie einen Namen haben, zusammenzuarbeiten«, argumentiert der 36-Jährige.
Seit Juli 2020 kooperiert der digitale Wissensanbieter IND.ACADEMY mit der TÜV Süd Akademie: »Bereits kurze Zeit nach dem Start unserer Partnerschaft boten wir mit TÜV Süd als einem unserer ersten Contentpartner spannende Lerninhalte auf unserer Plattform, die unsere Kunden bei Bedarf abrufen«, freut sich Overmeyer.
Gemeinsame Strategie festlegen
Nachdem sich bei den ersten Gesprächen zuvor herausgestellt hatte, dass sie dieselben Ziele verfolgen, einigten sich beide Seiten rasch auf eine gemeinsame Strategie. »Wir wollen vor allem kleinen und mittleren Unternehmen eine Vielzahl an qualitativ hochwertigen Lerninhalten anbieten«, so der Geschäftsführer des Start-ups. Zudem teilt er seine Markterkenntnisse mit den Partnern, etwa welche Themen besonders gefragt sind und was die Unternehmen wünschen. Damit können beide Partner schneller auf Marktveränderungen reagieren.
Overmeyer ist ein großer Fan von Kooperationen. Er geht davon aus, dass die Zukunft noch mehr solcher Partnerschaften bringt. Nicht nur die Zusammenarbeit mit größeren Firmen hält er für vielversprechend, sondern auch die Kooperation mit kleinen und mittleren Unternehmen. »Beide bringen häufig eine hohe Flexibilität mit, wobei Start-ups besonders mit Technologie punkten«, so Overmeyer. »Wenn wir Wege finden, gemeinsam voranzugehen, und es geschäftlich stimmt, lässt sich großes Potenzial freisetzen.« Besonders wichtig sei aber, immer transparent zu kommunizieren und offen Bedenken anzusprechen. »Dann steht einer gelungenen Kooperation nichts mehr im Weg.«
Zusammen stärker
Von Kooperationen zwischen Start-ups und gestandenen Unternehmen profitieren beide Seiten. Denn jede bringt idealerweise das mit, was die jeweils andere braucht: Kapital, Erfahrung und Netzwerke für die Start-ups, neue Ideen und Methoden für die größeren Unternehmen. Die wichtigste Chance sieht Ute Berger, Kooperationsexpertin der IHK für München und Oberbayern, darin, dass Firmen und Start-ups zunächst einmal Innovationen entwickeln und auf den Märkten erproben können: »So lassen sich neue Vertriebswege, Produkte und Methoden testen.« Zugleich punkten Start-ups oft mit aktuellen Technologien.
Neue Zielgruppen, mehr Reichweite
Gerade in der Coronakrise können sich so beide Seiten neue Zielgruppen erschließen und mehr Reichweite schaffen. Damit die Kooperation gelingt, ist es allerdings wichtig, vorab zu klären, welche Schritte geplant sind. Berger: »Vor allem die strategischen Ziele sollten zueinander passen.«
In München und Oberbayern sind die Bedingungen für solche Kooperationen besonders günstig, die Zahl solcher Partnerschaften wächst stark. »Das industrielle und intellektuelle Umfeld ist besonders förderlich, gerade auch für die Zusammenarbeit von Technologie-Start-ups mit Industrie- und IT-Unternehmen«, erklärt Martin Giese, Leiter des XPRENEURSAccelerators von UnternehmerTUM sowie Coach und Investor. So gebe es in und um München ausgezeichnete Universitäten und Hochschulen, die sich besonders mit Ingenieurwissenschaften, Software, IT und Wirtschaft beschäftigen. »Zugleich haben sich viele Industrieunternehmen und Mittelständler mit großem Interesse an Innovationen angesiedelt«, erklärt er.
Branchenvielfalt als Basis
Daher spiegle der Münchner Start-up-Mix gerade auch die Branchen wider, die sich im Aufwind befinden, wie Mobilität, Agrartechnik, E-Commerce, Software, Gesundheitsmanagement, künstliche Intelligenz, IT und Bautechnik. »Das ist eine starke Basis und fördert solche Kooperationen«, ist Giese überzeugt.
Bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern finden Firmen Unterstützung bei zahlreichen Netzwerken wie etwa UnternehmerTUM. Das Zentrum für Innovation und Gründung an der TU München begleitet Start-ups in allen Phasen, von der Gründung bis hin zum Börsengang.
Eine mögliche Anlaufstelle ist ebenso BayStartUP, das bayerische Start-up-Netzwerk für Gründer, Investoren und Unternehmen. Mit Businessplan-Wettbewerben, Coachingangeboten und Europas größtem Investorennetzwerk hilft es Startups bei der Optimierung ihrer Strategie, dem Firmenaufbau und der Suche nach Gründungs- und Wachstumskapital.
Erkenntnisse und Wachstum
Wer als Mittelständler oder Großunternehmen Innovationen kraftvoll vorantreiben möchte, arbeitet am besten mit vielversprechenden Start-ups aus der eigenen Branche zusammen und bietet Know-how, langjährige Erfahrung und umfassende Netzwerke. Gründer und junge Firmen wollen sich über Kooperationen meist den Zugang zu neuen Kunden, Zielgruppen und Märkten erschließen. »Nur wenn dabei das Zusammenspiel gelingt, bringt die Partnerschaft nicht nur neue Erkenntnisse für die größeren Firmen, sondern auch Wachstum in Form von mehr Umsatz für die Start-ups«, betont Accelerator-Leiter Giese.
Ziele festlegen, präfen, anpassen
Eine besondere Rolle spielen dabei die Ziele: Sie müssen unbedingt zusammenpassen. Vorab sollten die Partner sie daher gemeinsam definieren und kontinuierlich prüfen, ob und inwieweit sie erreicht werden. Entwickeln sich die Strategien der einzelnen Firmen auseinander, hilft das offene Gespräch. Genauso sollten die Firmenkulturen zueinanderpassen. »Wer das beachtet, für den kann sich das ganze Potenzial der Partnerschaft entfalten«, so Giese.
Wie sich Risiken meistern lassen
Die Möglichkeit eines Scheiterns sollten sich beide Seiten allerdings bewusst machen. Frederic-Amadeus Gaigl, Geschäftsführer der Bohème Digital GmbH in München und selbstständiger Innovationsberater, möchte seine Kooperationserfahrungen nicht missen – auch wenn er nicht nur auf positive Erlebnisse mit seinen Partnerschaften zurückblickt.
Erwartungshaltungen klären
Mit der Bohème-App lassen sich Zeitungen und Zeitschriften digital überall dort lesen, wo es Internetempfang gibt. Bislang standen beispielsweise den Kunden der Deutschen Bahn AG mit dieser App Magazine und Zeitungen zur Verfügung. »Leider sind wir bei manchen Partnern über die Anfangsbegeisterung innerhalb der Innovationsprogramme auch nach zwei Jahren nicht hinausgekommen«, bedauert Gaigl: »Es blieb alles nur im Unverbindlichen stecken.«
Doch auch aufseiten der jungen Firma sieht er Fehler. »Wir haben uns verzettelt, haben großen Aufwand betrieben, um unsere App sehr stark an die Kundenwünsche allein unserer großen Partner anzupassen, und uns dadurch abhängig gemacht und die vielen kleinen Kunden aus den Augen verloren«, erklärt er. Im Gegenzug konnten die Partner dem Start-up nicht das bieten, was es sich erhofft hatte: sich neue Märkte zu erschließen.
Vier Vorteile von Kooperationen
Gaigl bleibt dennoch offen für Kooperationen mit Mittelständlern und größeren Firmen. Er sieht darin gerade in der Krise eine wertvolle Chance für Start-ups. Zumal der Unternehmer vielfältige positive Erfahrungen mit Kooperationen gemacht habe, wie er betont. In der Zusammenarbeit lassen sich nicht nur innovative Technologien testen, sondern auch mehr Reichweite schaffen, neue Zielgruppen erreichen und vor allem weitere Kunden gewinnen.
»Allerdings sollte sich das in Form von mehr Umsatz niederschlagen«, sagt Gaigl. »Vorab müssen daher beide Seiten die Unverbindlichkeit aufgeben, klare Ziele verankern und – falls sie nicht erreicht werden – auch den Mut haben, die Kooperation zu beenden.« Der Unternehmer rät dazu, sich auf einen strategischen Fahrplan zu einigen, bevor die Kooperation startet. »Dann steht einer erfolgreichen, großartigen Partnerschaft nichts mehr im Weg.«
Wie etablierte Unternehmen und Startups am besten vorgehen, wenn sie zusammenarbeiten wollen, zeigt der Kooperationskompass der IHK für München und Oberbayern. Der Ratgeber steht zum kostenlosen Download bereit auf dieser IHK-Website für Mittelstand und Startups.