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Einen neuen Weg einschlagen – das Projekt „IBIzA“ und die Kampagne „Switch zur Ausbildung“ informieren Studierende über die Vorteile der beruflichen Ausbildung

Unternehmen können jungen Leuten, die am Studium zweifeln, mit der Ausbildung eine interessante Alternative bieten. Das neue Projekt „IBIzA“ bringt beide Seiten zusammen.

Von Eva Müller-Tauber, IHK-Magazin 05-06/2024

Wer rund 100 Mitarbeiter beschäftigt, vertraut in der Regel nicht nur auf den externen Bewerbermarkt. Er qualifiziert auch eigene Nachwuchskräfte – so wie der Edelstahlhandel F. Linster & Co. GmbH in Aschau am Inn. Das 1952 gegründete und in 3. Generation geführte Familienunternehmen bietet derzeit gleich 4 Ausbildungsberufe an.

Isabella Fobe hat die Ausbildung zur Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement bei Linster erfolgreich absolviert. Mittlerweile ist die 27-Jährige bei dem Mittelständler als Verkäuferin fest angestellt – eine Win-win-Situation für Auszubildende und Betrieb, mit der anfangs nicht unbedingt zu rechnen war. Denn Fobe und ihr Arbeitgeber haben erst über einen Umweg zueinandergefunden.

„Ich wusste nach dem Fachabi nicht genau, ob ich eine Ausbildung machen oder studieren soll“, sagt die junge Frau. Also begann sie erst einmal das Studium „Management erneuerbarer Energien“. Das Fach deckte sich zwar mit ihren Interessen, entsprach in der Realität jedoch nicht ihren Erwartungen. „Und ich habe gemerkt, dass mir praxisbezogene Aufgaben mehr Spaß machen“, erklärt Fobe.

Eigenständiges Arbeiten, hoher Praxisbezug

Über eine Stellenanzeige im Internet fand sie schließlich zu Linster. Fobe brach ihr Studium ab und überbrückte die Zeit bis zum Ausbildungsbeginn bei ihrem späteren Ausbildungsbetrieb. „Ich wurde früh in verschiedenen Abteilungen eingesetzt und konnte viel eigenständig arbeiten, das hat mir gut gefallen.“

Neben ihr gibt es im Betrieb noch weitere Kollegen mit ähnlicher Vorgeschichte. „Wir haben in den vergangenen Jahren 4 Studienabbrecher und -abbrecherinnen ausgebildet, ihre Übernahmequote liegt bei 100 Prozent“, sagt Ausbildungsleiterin Sandra Edtmüller.

Die älteren Azubis seien durchweg eine Bereicherung. „Sie sind häufig schon 1 Schritt weiter als die jüngeren direkten Schulabgänger“, so Edtmüller. „Sie wissen auf jeden Fall, was sie nicht möchten, und können auf einige Erfahrungen zurückgreifen, etwa besser mit Prüfungssituationen umgehen.“

BIHK-Projekt als Schnittstelle

Jugendliche auf der Suche nach beruflicher Orientierung auf der einen Seite, Unternehmen auf Azubi-Suche auf der anderen: Das neue Projekt „IBIzA“ (Informations-, Beratungs- und Innovationszentrum zu Alternativen für Studienzweifler) der bayerischen IHKs (BIHK) dient als Schnittstelle, damit beide Gruppen zueinanderfinden können (siehe IHK-Info unten).

„Praxisnahe Alternativen wären für viele Studierende der bessere 1 Schritt ins Berufsleben, denn mehr als 1 Viertel brechen ihr Studium in Deutschland vorzeitig ab. In Bayern jährlich über 10.000 Studierende allein in den MINT-Fächern“, sagt Hubert Schöffmann, bildungspolitischer Sprecher des BIHK.

Für die Ausbildungsbetriebe wiederum werden Studienabbrecher als eine Art stille Reserve immer interessanter: „Fachkräftenachwuchs wird wegen der anstehenden Verrentungswelle der Babyboomer an allen Ecken dringend gesucht“, so Schöffmann. In Bayern sind 2023 nach Angaben der Arbeitsagentur rund 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben.

Vielfältige Aufstiegschancen

„Viele Jugendliche und speziell Gymnasiasten wissen gar nicht, welche Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten ihnen eine Ausbildung bietet. Dass man darauf aufbauend eine Aufstiegsfortbildung absolvieren oder berufsbegleitend studieren kann“, sagt Andreas Tetzlaff, Ausbildungsleiter bei der Versicherungsgruppe Münchener Verein mit 800 Mitarbeitern. Die Möglichkeiten kennt Tetzlaff aus eigener Erfahrung. Er hat selbst seine berufliche Karriere mit einer Ausbildung begonnen und anschließend studiert.

Die Versicherungsgruppe spricht Studienzweifler auf der Website explizit an. Sie will signalisieren, dass diese willkommen sind und keine Scheu haben sollten, sich zu bewerben. „Wir haben bereits in den vergangenen Jahren immer wieder Azubis aus dieser Zielgruppe eingestellt“, berichtet Tetzlaff. Alle wurden bisher übernommen. „Sie sind keine gescheiterten Existenzen, sondern haben eine Lebenserfahrung gemacht und diese hat sie in der Regel in ihrer Entwicklung weitergebracht“, so der Ausbildungsleiter.

Entwicklungsschub durch Lebenserfahrung

Ein Mitarbeiter des Münchener Vereins zum Beispiel hat sein Lehramtsstudium aufgegeben und dafür eine Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen begonnen. „Heute arbeitet er bei uns in der Schadenabteilung und kümmert sich dort um die Azubis“, sagt Tetzlaff. „Er kann so den Lehramtsgedanken abgewandelt umsetzen.“

Unternehmen, die Studienzweifler für eine Ausbildung gewinnen wollen, können sich auf der neuen „IBIzA“-Website (switch-zur-ausbildung.de) präsentieren – so wie die Versicherungsgruppe Münchener Verein. „Wir hoffen, dass Studienzweifler dadurch ebenfalls auf unser Unternehmen aufmerksam werden“, sagt Tetzlaff.

Denn die Zeiten, in denen Postsäcke voller qualifizierter Bewerbungen auf Ausbildungsstellen hereinkamen, seien längst vorbei. Und das, obwohl das Unternehmen vielfältig und auf allen Kanälen und mit durchaus kostenintensiveren Aktionen um Azubis wirbt – vom Speeddating über Messen bis hin zu Social Media wie TikTok.

Gut organisiert und besonders motiviert

Bei der Studiosus Reisen München GmbH gehören Jugendliche mit Fachabitur oder Abitur, darunter viele Studienzweifler, mittlerweile zu einer wichtigen Zielgruppe bei der Ausbildungsplatzvergabe. „Derzeit sind von unseren rund 290 Mitarbeitenden 13 Auszubildende, bis zum Sommer werden es etwa 18 sein und mehr als 1 Drittel ist vom Studium zu einer Ausbildung geswitcht“, berichtet Ausbildungsleiterin Luise Raidl. „Sie können sich meist bereits sehr gut organisieren und sind besonders motiviert.“ Hauptgrund für einen Studienabbruch sei den Rückmeldungen ihrer Azubis zufolge neben dem oft geringen Praxisanteil im Studium die Masse an beruflichen Möglichkeiten.

„Viele werden von der Angebotsvielfalt fast erschlagen, finden sich nicht zurecht und treffen nicht auf Anhieb die für sie beste Wahl“, beobachtet die 31-Jährige. Auch sie selbst habe am Anfang ihrer Berufslaufbahn lange überlegt, wohin die Reise gehen soll, sagt die gelernte Tourismuskauffrau. Schließlich habe sie ihre Vorliebe für den Bereich Personal entdeckt und noch berufsbegleitend ein Studium in Wirtschaftspsychologie absolviert.

Wählen, was einem Spaß macht

Eine der Studiosus-Azubis ist Marlene Bartels. Sie ist derzeit im 3. Lehrjahr und Studienabbrecherin. „Ich dachte, wenn ich Abi mache, dann studiere ich natürlich auch. Aber die viele Theorie in der Uni und die fehlende Routine – direkt nach der Schule – waren nicht meins.“ Ihr sei klar geworden, „dass ich mir etwas aussuchen muss, das mir Spaß macht. Dass ich nicht danach gehen sollte, was vielleicht gut klingt.“

Was sie an der Ausbildung besonders schätzt? „Dass ich mehr Praxis habe und das Gefühl, aktiv etwas beizutragen, und mein eigenes Geld verdiene und eine Routine habe“, sagt Bartels. Das Studium abzubrechen, sei wahrscheinlich eine der schwersten Entscheidungen gewesen, die sie bis dahin habe treffen müssen, räumt die junge Frau ein. „Danach eine Ausbildung zu machen“, fügt sie hinzu, „dafür eine der besten.“


IHK-Info: switch-zur-Ausbildung.de hilft, Azubis zu finden

Mit dem BIHK-Projekt „IBIzA“ (Informations-, Beratungs- und Innovationszentrum zu Alternativen für Studienzweifler) und auf switch-zur-ausbildung.de haben Studierende in Bayern ab sofort eine Anlaufstelle, bei der sie individuell Alternativen zum Studium im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung durchspielen können.

Bei mehr als 200 IHK-Berufen und fast ebenso vielen Weiterbildungsabschlüssen findet sich für zweifelnde angehende Akademiker praktisch aller Studienrichtungen immer eine entsprechende Alternative in der Welt der Berufsbildung. Die berufliche Bildung bietet interessante Vorteile: Für Abiturienten sind Verkürzungen der Dauer und ein (teilweiser) Verzicht auf den Besuch der Berufsschule möglich.

Mit der Ausbildungsvergütung verdienen sie von Beginn an eigenes Geld und mit Weiterbildungen stehen Abschlüsse bis hin zum „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ offen, die einem Studienabschluss gleichwertig sind.

„IBIzA“ läuft bis Mitte 2026 und wird vom Bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert.

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