Sturm der Entrüstung

Miserable Onlinebewertungen bergen unkalkulierbare Risiken – vor allem in großer Zahl. Was können Firmen dagegen tun?
Josef Stelzer, Ausgabe 11/20
Tausendfach nach unten gerichtete Daumen, abwertende Schmähkritiken, üble Beleidigungen, Boykottaufrufe – mitunter reichen unscheinbare Formulierungen und Gesten, um im Internet eine regelrechte Flut an Negativreaktionen auszulösen. Solche Shitstorms treffen Unternehmen lawinenartig. Sie tauchen unvermittelt in Social-Media-Kanälen oder in Blogs und Kommentaren von Bewertungsportalen auf. Praktisch alle Wirtschaftsbereiche kann es treffen, Lebensmittel- oder Fahrzeughersteller ebenso wie Onlinehändler und Dienstleister.
Im direkten Kontakt zu Endkunden
Besonders häufig werden Unternehmen mit direktem Kontakt zu Endkunden zur Zielscheibe. Dabei spielt es keine Rolle, inwieweit die Firmen selbst digitale Plattformen nutzen. Der Imageschaden, den ein solcher Shitstorm nach sich zieht, kann beträchtlich sein. Unternehmen können aber vorbeugen und ihn zumindest eindämmen. Vorausgesetzt, sie sind vorbereitet und reagieren rechtzeitig.
Shitstorms entstehen meist schlagartig, zuweilen ist ihre Ursache auf Anhieb schwer nachvollziehbar. So erging es einem oberpfälzischen Anbieter vegetarischer Lebensmittel, der mit seinen Geschäftsbeziehungen einen Teil seiner Kundschaft offenbar massiv verärgerte. »Nachdem der Unternehmer Geschäftsanteile an eine Großmetzgerei verkauft hatte, erntete er im Internet und in den Netzwerken eine Flut an bissigen Kommentaren«, berichtet der Münchner Social-Media-Berater Josef Rankl (57) von EMarCon.
Bewertungsplattform als Ursache
Dass häufige Negativkommentare das Firmenimage schädigen und womöglich zu anhaltenden Umsatzeinbußen führen können, liegt auf der Hand. Zudem verschlechtern sich die Chancen bei der Rekrutierung von Fachkräften gravierend. Eine Münchner Hausverwaltung etwa suchte intensiv, aber erfolglos nach neuen Mitarbeitern. Die Ursache für ihre gescheiterten Bemühungen entdeckten die Hausverwalter schließlich auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu. »Die zigfach niederschmetternden Einschätzungen über das miserable Betriebsklima und über den unfreundlichen Umgangston führten dazu, dass sich kaum jemand auf die angebotenen Stellen bewerben mochte«, erinnert sich der Berater.
Gute Kunden um faire Bewertung bitten
Gerade auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen kommt es immer wieder vor, dass Unternehmen mit einer Flut von Negativkommentaren überzogen werden. Manche (ehemaligen) Mitarbeiter zeigen sich unzufrieden mit dem Führungsverhalten, andere bemängeln die aus ihrer Sicht unausgewogene Work-Life-Balance. Auch Bewerber lassen ihrem Ärger online freien Lauf. »Wenn ihre Vorstellungsgespräche enttäuschend verlaufen sind oder wenn sie automatisierte Absagen erhalten, führt das in vielen Fällen dazu, dass sie entsprechend schlechte Wertungen abgeben«, sagt Daniel Göbl (35), Senior Consultant beim Münchner Personalberatungsunternehmen Digital Future GmbH.
Was also können Firmen konkret unternehmen?
Grundvoraussetzung ist zu wissen, wo und wie die Firma bewertet wird. Im Normalfall gibt es positive wie negative Bewertungen. Ein sehr guter Weg, den Anteil positiver Bewertungen zu steigern, ist, gute Kunden um eine faire Bewertung zu bitten. Oft wirkt eine freundliche Bitte Wunder und gibt dem Kunden den kleinen Schubs, eine Bewertung abzugeben.
Der Umgang mit Negativkommentaren auf den jeweiligen Plattformen verlangt Fingerspitzengefühl: Es ist zweckmäßig, falsche oder teilweise unrichtige Anschuldigungen rasch mit Fakten zu entkräften. Eine solche Reaktion sollte allerdings gut überlegt sein. Denn wer sich aktiv gegen negative Äußerungen wehrt, zieht womöglich erst recht Aufmerksamkeit auf sich. Dies kann einen Shitstorm sogar noch verstärken, selbst wenn die Vorwürfe sachlich völlig unberechtigt sind.
»Den Dialog mit den Verfassern zu suchen«
Bei üblen Beleidigungen und strafbarem Verhalten können durchaus Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und Schadensersatz bestehen. »Falls negative Kommentare aus Sicht der betroffenen Unternehmen zumindest teilweise berechtigt sind, ist es ratsam, den Dialog mit den Verfassern zu suchen«, empfiehlt Göbl.
Dabei ist es im Grunde zweitrangig, ob es sich um enttäuschte Bewerber oder um verärgerte Kunden handelt, die sich unzufrieden über Produkte oder Service äußern. Unternehmen sollten sich für etwaige Fehler entschuldigen und ernst gemeinte Verbesserungen ankündigen, rät der Personalberater. Womöglich werden negative Äußerungen dann korrigiert und positivere Einschätzungen formuliert.
Mit gutem Ruf mehr Geschäft
Je mehr gute Onlinebewertungen, desto besser. »Denn Kunden verlassen sich auf die Einschätzungen der anderen, sodass letztlich ein Spiegelbild einer echten Reputation entsteht«, ergänzt Social-Media-Berater Rankl. Ebenfalls sinnvoll ist die Einführung eines Reputationsmanagements, mit dem Unternehmen ihr Image verbessern und ihren guten Ruf festigen .Rankl bringt den Nutzen auf den Punkt: »Wer einen guten Ruf genießt, macht einfach mehr Geschäft.«
IHK-Service: Auf das Image kommt es an
Reputationsmanagement besteht aus folgenden Bausteinen:
- Kundenmeinungen erfassen und bewerten
- Social-Media-Monitoring einführen: Facebook, Twitter, Instagram und andere Plattformen beobachten, ebenso Bewertungs- und Videoportale, Blogs, Foren, Webshops
- Positive Bewertungen über das Unternehmen, eigene Marken, Produkte und Dienstleistungen sammeln und verbreiten, hierzu Mitarbeiter sowie zufriedene Kunden aktiv einbinden
- Themen im Blick behalten, mit denen das eigene Unternehmen in den Onlinekanälen auftaucht
- Krisenplan aufstellen und klare Regeln für Mitarbeiter formulieren, wie mit berechtigter oder unberechtigter Kritik umzugehen ist; auf Negativkommentare und Shitstorms entsprechend reagieren, Zuständigkeiten dafür festlegen
Warum es sich lohnt, auf den guten Ruf zu achten:
- Mehr Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei relevanten Stakeholdern
- Vorteile bei der Personalrekrutierung
- Höherer Marktwert des Unternehmens
- Umsatzsteigerungen
- Bessere Marktchancen