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Nachhaltiges Finanzwesen – mehr Firmen werden berichtspflichtig

Im Zuge von Sustainable Finance müssen auch kleine und mittlere Unternehmen künftig voraussichtlich darlegen, inwieweit ihre Geschäftstätigkeit nachhaltigen Kriterien entspricht. Die Gründe dafür und wie Unternehmen vorgehen können.

Eva Müller-Tauber, Ausgabe 12/2021

Warum ist Sustainable Finance wichtig?
Früher eher ein Randthema, ist Nachhaltigkeit mittlerweile zum Dreh- und Angelpunkt wirtschaftlicher Aktivitäten geworden. So hat die EU im Zuge des Green Deal beschlossen, dass Europa bis 2050 klimaneutral sein soll. Um den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft auf allen Ebenen, also auch auf der sozialen und ökonomischen, voranzutreiben und um die damit verbundenen erheblichen Investitionen stemmen zu können, nimmt die EU den Finanzsektor verstärkt in die Pflicht.

Unter dem Stichwort Sustainable Finance (nachhaltiges Finanzwesen) sollen Finanzmarktakteure Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekte (sogenannte ESG – Environment Social Governance) in ihren Entscheidungen berücksichtigen, etwa bei der Vergabe von Krediten, bei Anlagen oder Versicherungsverträgen.

Inwieweit ist die Realwirtschaft betroffen?
Finanzströme sollen gezielt in nachhaltige Projekte gelenkt sowie Wirtschafts- und Finanztätigkeiten langfristig ausgerichtet werden. Das wiederum wirkt sich auf die Realwirtschaft aus. »Auf viele Unternehmen kommt ein enormer bürokratischer Aufwand zu, weil sie berechnen und offenlegen müssen, inwieweit ihr Handeln den in der Taxonomie festgelegten Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten entspricht«, sagt Claudia Schlebach, IHK-Abteilungsleiterin Unternehmensföderung, Gründung, Gewerberecht.

Ausweitung der Berichtspflicht

Bisher mussten vor allem kapitalmarktorientierte Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ihre Aktivitäten in einem Nachhaltigkeitsbericht darlegen. »Derzeit rückt aber auch der Mittelstand immer stärker in den Fokus der Berichterstattung«, so Schlebach. Zudem beeinflusse Sustainable Finance die Finanzierungsbedingungen und den Zugang zu Krediten. »Für Unternehmen, die die Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllen, könnten sich die Bedingungen verschlechtern beziehungsweise ihnen könnte der Zugang zu Finanzierungen sogar verwehrt werden«, warnt Schlebach.

Welche gesetzlichen Vorgaben schreiben vor, dass Mittelständler und mittelfristig auch kleine Betriebe die Nachhaltigkeit ihrer Aktivitäten offenlegen?
Die europäische Berichtspflicht für große kapitalmarktorientierte Unternehmen (in Deutschland CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) wird nach dem Willen der EU-Kommission in Form einer Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stark ausgeweitet. Es ist vorgesehen, dass ab dem Geschäftsjahr 2023 alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitern unabhängig von der Kapitalmarktorientierung und ab dem Geschäftsjahr 2026 kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) berichtspflichtig werden.

»Das bedeutet, dass sie eine sogenannte nichtfinanzielle Erklärung veröffentlichen müssen«, erläutert Cathleen Sudau (31), Manager Climate & Sustainability Services bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte GmbH in Frankfurt am Main. »Die Ausweitung der Berichtspflicht wird dazu führen, dass sich die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen stark erhöhen wird.«

CAPEX und OPEX umfasst

Zudem verlangt die Sustainable-Finance-Taxonomie der EU, dass alle Unternehmen, die unter die europäische Berichterstattungspflicht fallen, den Anteil ihrer als »ökologisch nachhaltig anzusehenden« Geschäftsaktivitäten in der nichtfinanziellen Erklärung angeben müssen. Dies umfasst Umsatzerlöse, Investitionsausgaben (CAPEX) und Betriebsausgaben (OPEX).

Darüber hinaus müssen Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern (ab 2024 mit mehr als 1.000 Mitarbeitern) aufgrund des Sorgfaltspflichtengesetzes offenlegen, wie die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards in der Lieferkette sichergestellt wird. »Vor allem KMU stehen damit vor der Herausforderung, sich erstmals mit einer Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen zu müssen«, so Sudau.

Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Wie können Firmen Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Praxis angehen?
Die IHK für München und Oberbayern, die Value Balancing Alliance (multinationale gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, den Wert der Beiträge von Unternehmen für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zu messen und zu vergleichen) und Deloitte haben einen Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt. Er zeigt, wie Firmen das Thema in fünf Schritten systematisch angehen können (siehe Kasten unten).

Sudau rät Unternehmen, gleich zu Beginn zu formulieren, wie Nachhaltigkeit individuell definiert wird: »Was verfolgt das Unternehmen damit? Möchte es sich beispielsweise ausschließlich an den gesetzlichen Vorgaben orientieren oder sich eher als Vorreiter gegenüber den Wettbewerbern positionieren?«

Ebenfalls wichtig ist es, Folgendes festzulegen: Welchen Adressatenkreis soll der Bericht erreichen? Dabei ist es ratsam, die unterschiedlichen Interessengruppen (Stakeholder) samt deren Bedürfnissen und wesentlichen Themen zu identifizieren.

Welche ersten Schritte?

»Viele Unternehmen machen bereits mehr in puncto Nachhaltigkeit, als sie wissen, und verfügen an verschiedenen Stellen schon über verwertbares Zahlenmaterial«, macht die Deloitte-Expertin Firmenchefs Mut. »Daher empfiehlt es sich, in einem ersten Schritt eine Bestandsaufnahme durchzuführen und die einzelnen Aktivitäten den ESG-Themen zuzuordnen.« Neben ökologischen Themen (E) wie etwa Energieeinsparung, zählen beispielsweise auch Angebote zum betrieblichen Gesundheitsmanagement (S) und Vorschriften, um den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (G) gerecht zu werden, dazu.

Eine Arbeitsgruppe, die im Idealfall einen Querschnitt aller Abteilungen bildet, aber auf jeden Fall die Bereiche Compliance, Risikomanagement, Human Resources, Umweltmanagement und Kommunikation einschließt, sollte das Thema kontinuierlich im Blick haben und in Absprache mit der Geschäftsführung vorantreiben.

Einfluss auf Förderprogramme

Es ist bereits abzusehen, dass europäische und nationale Förderprogramme an den Kriterien der Taxonomie ausgerichtet werden. Daher rät IHK-Fachfrau Schlebach dazu, bereits jetzt ESG-Risiken zu identifizieren, um nötige Anpassungen, die die eigene Nachhaltigkeitsbilanz verbessern, vornehmen zu können. »Mögliche Lösungsansätze, mit denen sich beispielsweise ökologische Risiken bewältigen lassen, sollten sich auch in den Unternehmenszielen, -strategien und -abläufen spiegeln.«

Und wenn solche Anpassungsideen noch nicht im Detail vorliegen oder Lösungsvorschläge noch nicht umgesetzt sind?
»Dann sollte dies das Unternehmen trotzdem dokumentieren, denn es zeigt damit, dass es sich mit den Themen auseinandersetzt«, erläutert Deloitte-Expertin Sudau.

Abgesehen davon, sei eine Besonderheit der Nachhaltigkeitsperspektive, dass sie über einen Ein-Jahres-Horizont hinausgehe, manchmal sogar über den von Firmen häufig gewohnten Drei-Jahres-Zyklus. »Hier müssen Firmenchefs noch langfristiger, strategischer denken.«

Nutzen für das Unternehmen durch Nachhaltigkeit

Schließlich bringe Nachhaltigkeit auch Vorteile: »Firmen sparen Kosten, sind resilienter und erhöhen zudem ihre Attraktivität als Arbeitgeber«, so Sudau, »gerade jüngere Fachkräfte legen vermehrt Wert darauf, bei Unternehmen beschäftigt zu sein, die nachhaltig ticken.«

IHK-Service: In 5 Schritten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Wie können Firmen die Nachhaltigkeitsberichterstattung angehen? Der Leitfaden von IHK, Value Balancing Alliance und Deloitte empfiehlt folgende Schritte:

  1. eine Status- und Umfeldanalyse durchführen
  2. eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln
  3. ein Management für das Thema Nachhaltigkeit aufbauen, Verantwortlichkeiten, Maßnahmen und Nachhaltigkeitsrichtlinien festlegen, ESG-Themen priorisieren
  4. Daten vollständig und konsistent erheben, validieren sowie den Nachhaltigkeitsbericht verfassen
  5. inhaltliche Verbesserungen im Zuge einer Nachbereitung und mit Blick auf kommende Berichte in einer Roadmap festhalten.

Den Leitfaden gibt es auf der IHK-Website unter Sustainable Finance

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