»Teil der Lösung sein«

Mehr Aufmerksamkeit für die Kreativbranche – dafür setzt sich der neue Bayerische Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft ein. Präsidentin Carola Kupfer über die Folgen der Pandemie, fehlende Mitarbeiter und Kooperationen mit Unternehmen.
HARRIET AUSTEN, Ausgabe 10/2022
Frau Kupfer, wie ist die Lage derzeit? Wird das Kulturleben immer noch durch die Pandemie ausgebremst?
Nicht unbedingt. Im Moment ist es eher so, dass das Publikum zurückhaltend ist und sich daran gewöhnt hat, zu Hause zu sitzen. Viele Häuser der klassischen Kultur haben immer noch eine Auslastung von nur 50 Prozent oder ihnen fehlt Personal. Andere Branchen starteten definitiv durch und nutzten die Zeit, sich über ihre Strategie, ihr Erscheinungsbild und ihre Medien Gedanken zu machen, und beauftragten dazu Werbe- oder Marketingagenturen. Denen geht es richtig gut.
Machen Sie sich Sorgen um den Herbst und Winter? Wie bereiten Sie sich auf eventuelle Einschränkungen vor?
Ja, wir machen uns schon Sorgen, können es aber aktuell nicht einschätzen. Wenn klar wird, dass Berufsverbote für gewisse Branchen kommen, wäre es sinnvoll, schneller darauf zu reagieren. Was vielen das Genick gebrochen hat, war nicht, dass sie überbrücken mussten, sondern dass freie Mitarbeiter weggebrochen sind. Da müsste man den Kleinbetrieben frühzeitig zur Seite stehen, damit das Personaldilemma nicht noch verschärft wird.
Erfolgsmodell Kooperation mit Kreativen
Sie appellieren nicht nur an die Politik, Ihre Branche zu unterstützen, sondern auch an kooperationsbereite Unternehmen. Wie könnte das aussehen?
Nehmen wir einen klassischen Mittelständler, dessen Prozesse nicht mehr up to date sind oder bei dem ein Generationswechsel ansteht und der sich insgesamt anders aufstellen oder lösungsorientierter produzieren muss.
Kreative aus Design, Werbung, Storytelling, Film, Illustration, Presse und Software/Games könnten sich mit dem Unternehmen an einen Tisch setzen und Teil der Lösung sein, denn wir können genau das. Unter dem Strich ist diese Kooperation ein Erfolgsmodell. Das müssen wir stärker kommunizieren und die Kompetenzen bündeln.
Sie haben den Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft (BLVKK) 2019 mitgegründet. Was war der Anlass dafür?
Es begann 2018 mit einem Informationsaustausch zwischen verschiedenen regionalen Kreativnetzwerken. Ich war mit dem Forum Kreativwirtschaft in Regensburg auch dabei. Wir stellten schnell fest, dass wir bayernweit keine politische Lobby haben. Bayern ist kein Eldorado für die Kreativwirtschaft und vor allem viele Einzelkämpfer fühlen sich nicht gehört. Deshalb entschlossen wir uns dazu, eine eigene, gemeinsame Interessenvertretung aus der Branche für die Branche zu gründen, um uns stärker zu organisieren, mit einer Stimme sprechen und Forderungen stellen zu können.
Die Branche reicht von Software/Games über Opernhäuser bis zum selbstständigen Illustrator und ist mit elf Teilmärkten äußerst heterogen und vielfältig. Wie stellen Sie sich mit Ihrem kleinen Team darauf ein?
Wir teilen uns die Aufgaben im vierköpfigen Präsidium und in den Beiräten auf. Jeder betreut ein bestimmtes Thema.
Schon 5.000 Mitglieder
Inzwischen gehören mehr als zehn regionale Vereine, Netzwerke, Verbände oder Unternehmen mit insgesamt 5.000 Mitgliedern zu uns. Da sind ganz tolle Leute dabei, die den Verband mit innovativen, neuen Ideen bereichern. Wir versuchen auch, die verschiedenen Bereiche sinnvoll zu vernetzen, machen die Wechselwirkungen klar und betonen, dass sie voneinander lernen können.
Wo liegen die Schwerpunkte?
Ein großes Thema ist Lobbyarbeit in der Politik. Da sind wir schon gut angekommen. Man kennt uns jetzt. Dann sind wir gerade dabei, uns stärker über Cross-Innovation-Projekte mit anderen Unternehmen auszutauschen. Ein Bereich, um den wir uns auch kümmern, ist die Altersvorsorge und Absicherung für unsere Soloselbstständigen. Unser übergeordnetes Ziel ist aber, den Standort Bayern für die Kultur- und Kreativwirtschaft zu sichern und attraktiver zu machen.
Sie haben in einer Studie festgestellt, dass es in Bayern keine politische und wirtschaftliche Handlungsstrategie für Ihre Branche gibt. Wie wollen Sie das ändern?
Wir haben dafür den Begriff Creative Deal geprägt, den Bayern dringend braucht. Unser Wunsch ist, auf Augenhöhe gemeinsam mit der Staatsregierung eine Strategie zu entwickeln, die die Branche in ihrer Vielfalt beschreibt und berücksichtigt und dann konkrete Maßnahmen für einzelne Themen wie Nachwuchsprobleme, Bildung, Standortqualität, Digitalisierung, New Work oder Cross Innovation auf den Weg bringt. Das ist bisher politisch noch nicht verankert. Das heißt, es gibt keine kompetenten, festen Ansprechpartner auf Entscheiderebene dafür. Andere Bundesländer sind da schon weiter.
Zur Person: Carola Kupfer
Carola Kupfer, Jahrgang 1964, studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Romanistik. Sie ist freie Schriftstellerin, Mitinitiatorin des bundesweiten Bildungsprojekts buch-macht-schule.de und arbeitet auch als Texterin, Ghostwriterin und Kommunikationscoach. Kupfer engagiert sich im Schriftstellerverband, ist Mitgründerin des Forums Kreativwirtschaft in Regensburg und rief den Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft (BLVKK) mit ins Leben, dessen Gründungspräsidentin sie ist. Carola Kupfer hat erwachsene Kinder und lebt in Regensburg.