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„Kultur für alle“

Bernd Wackerbauer ©
Hohe Anziehungskraft – Tollwood-Sommerfestival 2019

Die Tollwood-Festivals in München ziehen jährlich mehr als 1,5 Millionen Besucher an. Viele Angebote sind kostenfrei. Details zum ausgefeilten Konzept.

Von Harriet Austen, IHK-Magazin 05-06/2023

„Wir können jetzt richtig loslegen und auch die Menschen sind wieder da“, freut sich Anja Lechner, seit 2002 Mitglied der Geschäftsleitung der Tollwood GmbH. Vorbei die Zeiten, in denen das Unternehmen wegen Corona Pause machen oder ein Notprogramm fahren musste. Lechner hofft, dass sich beim Sommerfestival ab dem 16. Juni 2023 erneut Lebensfreude einstellt und Tollwood an die hohen Besucherzahlen vor Corona anknüpfen kann. Da ließen sich jährlich mehr als 1,5 Millionen Menschen durch die heitere Atmosphäre der Sommer- und Winterfestivals treiben. Angezogen werden sie von einer bunten Vielfalt aus Musik, Theater, Kabarett und Kunst mit Gastronomie, Kunsthandwerk sowie Informationen über soziale und ökologische Themen.

„Wir möchten mit unserem kulturellen Programm die Menschen inspirieren und mit unserem Umweltengagement zum Handeln bewegen“, beschreibt Lechner das Konzept. Die 1988 von Rita Rottenwallner gegründete Tollwood GmbH ist ein durchstrukturiertes Wirtschaftsunternehmen, das sich als privatwirtschaftliche Gesellschaft für kulturelle Veranstaltungen und Umweltaktivitäten bezeichnet und auf jegliche Subventionen verzichtet. Dahinter steckt der Drang zur Unabhängigkeit, die „unsere Fantasie beflügelt, Ideen zu unterstützen und zu verwirklichen, die wir für gut und wichtig halten“, so Lechner.

Ökologisch und fair

Von Beginn an hat sich das Festival auch als Forum für Ökologie und Umweltbewusstsein verstanden. Die Gastronomie ist längst zu 100 Prozent biozertifiziert und nutzt Mehrweggeschirr; 60 Prozent der Waren und Rohstoffe aus sogenannten Entwicklungsländern stammen aus fairem Handel, Tendenz steigend. „Wir haben beim Festival gezeigt, dass es funktioniert. Diese Erfahrung wollten wir in die Gesellschaft tragen“, sagt Lechner. Sie nennt das „den Stein ins Rollen bringen“.

Mischkalkulation mit langjährigen Sponsoren

Um der Tollwood-Philosophie gerecht zu werden, hat das Management ein Konzept entwickelt, das die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens garantieren und gleichzeitig dazu beitragen soll, die ambitionierten Ziele umzusetzen. Die Vermietung und Verpachtung von Ständen sowie die Eintrittsgelder für Musik-Arena-Konzerte im Sommer und Theaterproduktionen im Winter tragen jeweils 40 Prozent zu den Einnahmen bei.

Die restlichen 20 Prozent stammen von langjährigen Sponsoren, allen voran die Stadtsparkasse München und die Hacker-Pschorr Bräu GmbH. Damit werden die kulturellen Veranstaltungen, die zu 90 Prozent kostenlos sind oder unter dem ortsüblichen Preisniveau liegen, sowie soziale und ökologische Projekte finanziert.

Unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte

Die Mischkalkulation geht auf, weil „wir sorgfältig, vorsichtig und solide planen“, sagt Lechner. Sie verantwortet Organisation und Personal und tritt nach außen auf. Gründerin Rottenwallner versteht sich als „Kopf und Herz“ und zieht im Hintergrund die Fäden – gemeinsam mit einem Team, dessen „kreative Begeisterung“ Tollwood-Sprecherin Stefanie Kneer immer wieder hervorhebt.

Aus diesem Ideenpool entsteht das, was die Besucher seit über 30 Jahren am bundesweit einmaligen Festival schätzen: immer umfangreichere und vielfältigere Angebote, internationale Künstler, spannende Umwelt- und Sozialprojekte, ambitionierte Eigenproduktionen. Es gibt unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte, mit denen sich das Unternehmen zu aktuellen Trends positioniert – wie jetzt im Sommer das Thema Wasser.

Näher dran durch Social Media

Bei allen Aktivitäten soll nicht das quantitative Wachstum im Vordergrund stehen, sondern die Konzentration auf die Qualität des Festivals, das möglichst vielen Menschen „Kultur für alle“ bieten möchte. „Dabei kommen uns die neuen Kommunikationsmöglichkeiten entgegen“, sagt Lechner. Zusätzlich zu den früher ausschließlich eingesetzten Tollwood-Magazinen informiert das Unternehmen jetzt über eine Vielzahl von Social-Media-Kanälen. „Das ist eine tolle Chance“, sagt Kommunikationschefin Kneer, „wir können unsere Kultur- und Umweltthemen mittlerweile das ganze Jahr verbreiten.“

Die Reichweite steigt, Rückmeldungen kommen schneller, die Interaktion mit dem Publikum sowie die stärkere Differenzierung auf verschiedene Zielgruppen sind möglich. „Wir sind näher am Menschen dran“, fasst Lechner zusammen. Resultat: Der Ticketverkauf geht schon vor dem Erscheinen des Magazins los, die Veranstaltungen sind schneller ausverkauft. „Das gibt uns mehr Sicherheit“, freut sich Lechner.

Stichwort: Die Tollwood GmbH
  • 1998 gegründet    
  • 20 Mitarbeiter, während der Festivals circa 150
  • im Sommer etwa 550 Veranstaltungen, im Winter rund 400
  • circa 90 Prozent der Veranstaltungen entgeltfrei oder vergünstigt
  • rund 900.000 Besucher im Sommer, etwa 680.000 im Winter
  • Anbieter: rund 200 Kunsthandwerker, etwa 50 Gastronomiestände
  • Social-Media-Kanäle: Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn, Pinterest, TikTok, YouTube

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