Klimaschutz | Mobilität | Standortpolitik
Grün ins Gebirge
Gäste, die umweltfreundlich anreisen und sich am Zielort bewegen – das ist ein wichtiger Aspekt von nachhaltigem Tourismus. Welche Konzepte und Ideen gibt es dazu in Oberbayern?
Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 07-08/2024
Das Rehlegg in Ramsau bei Berchtesgaden ist in Sachen Nachhaltigkeit schwer zu toppen. Seit 2017 ist das Berghotel klimapositiv. Das heißt: Es verhindert mehr klimaschädliche Emissionen, als es verursacht. Von Blockheizkraftwerken über Photovoltaikanlagen bis hin zu regionalen Produkten auf den Tellern kann Inhaber Johannes Lichtmannegger eine lange Liste an Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit aufzählen.
Besonders viel unternimmt er, um nachhaltige Mobilität zu fördern: Seinen Gästen stellt er ein E-Smart-Cabriolet zur Verfügung. „Das fährt den ganzen Tag“, sagt er. Zudem hat er E-Tankstellen installieren lassen, die Angestellten erhalten E-Fahrräder oder E-Autos.
Nachhaltigkeit macht Regionen attraktiv
Das Berghotel ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig Nachhaltigkeit für die gesamte Branche geworden ist. Denn der Tourismus in Oberbayern wächst und damit vergrößern sich die Auswirkungen auf die Umwelt. Um die Attraktivität der Urlaubsregion mit ihrer intakten Natur zu erhalten, liegt es nahe, auf Nachhaltigkeit zu setzen. „Ein entscheidender Aspekt dabei ist die Mobilität der Reisenden, ob auf dem Weg zum Reiseziel oder am Ziel“, sagt Martin Drognitz, Experte für Tourismuswirtschaft bei der IHK für München und Oberbayern. Es sei an der Zeit, umweltfreundliche Transportmittel und -methoden zu etablieren. Nur dann werde langfristig nachhaltiger Tourismus sichergestellt.
Erster Schritt: Ladesäulen für Gäste
Viele Hoteliers leisten mittlerweile einen Beitrag dazu. Häufig ist der erste Schritt, Ladestationen für E-Bikes oder -Autos zu errichten. Sichtbar wird das Angebot etwa über Webseiten wie emobilhotels.com, die Hotels mit entsprechenden Leistungen auflisten. „Das Anbieten einer Lademöglichkeit für Gästefahrzeuge hat sich bei Hotels – analog zum WLAN – inzwischen vom Nice-to-have zum Must-have gewandelt“, sagt Peter Grett von der Agentur Touremo, die sich auf E-Mobilität im Tourismus spezialisiert hat.
Constantin Schwaab, Geschäftsführer der Wirelane GmbH, sieht das ebenso. Das Münchner Unternehmen errichtet und betreibt als Full-Service-Anbieter Ladeinfrastruktur für Elektroautos in der Hotellerie. „Wir haben bereits Hunderte Hotels ausgestattet“, sagt Schwaab.
Für die Betriebe seien Wallboxen oder Säulen mittlerweile wichtig, da immer mehr Menschen mit dem E-Auto anreisen. Und diese Reisenden würden gezielt nach Hotels mit Lademöglichkeit suchen. „Einer der Treiber für unser Geschäft war, dass die Plattform Booking.com vor geraumer Zeit den Filter ‚Aufladestation für Elektro-Autos‛ eingeführt hat“, sagt Schwaab. Wer nicht elektrisch anreist, sollte E-Bikes oder E-Autos einfach vor Ort anmieten können.
Car-Sharing? Gern auch elektrisch!
Hoteliers bieten solche Fahrzeuge entweder in Eigenregie an. Oder sie arbeiten mit einem regionalen Sharing-Dienst zusammen, wie es die Marketinggesellschaft Ammergauer Alpen in Kooperation mit der Ammer-Loisach Energie GmbH bereits vor fast 5 Jahren umgesetzt hat: An ausgewählten Standorten stehen seither die „e-ALOIS“-Sharing-Fahrzeuge zur Verfügung. Sie können im Voraus gebucht, aber auch spontan genutzt werden. Noch gibt es für die 10 Autos nur 6 Ladesäulen im Umkreis. Es sollen aber weitere hinzukommen.
Eine Alternative für individuellen und nachhaltigen Verkehr im Tourismus ist die Vermietung von elektrischen Leichtmobilen. Die sogenannte Fahrzeugklasse L6e bezeichnet leichte, 4-rädrige Kraftfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 Kilometern pro Stunde und einer Reichweite von bis zu 70 Kilometern.
E-Leichtfahrzeuge: passend auch für Teenies
„Die E-Leichtfahrzeuge bieten eine völlig neue und wetterfeste Mobilitätsqualität zum kleinen Preis“, sagt IHK-Mobilitätsexperte Joseph Seybold. Der Fiat Topolino etwa sei für weniger als 10.000 Euro beziehungsweise für Leasingraten in Höhe von 49 Euro pro Monat zu haben. Der Opel Rocks Electric falle mit 8.000 Euro noch günstiger aus. „Hoteliers könnten 2, 3 solcher Fahrzeuge anschaffen und sie vermieten“, sagt Seybold. „Das wäre ein Mehrwert für die Gäste.“ Im Übrigen dürfen schon 15-Jährige die Leichtfahrzeuge nutzen.
Im Gegensatz zu anderen Regionen in Deutschland und im Ausland hat die Tourismusbranche in Oberbayern die Leichtfahrzeuge jedoch bisher nicht im Angebot. Vielleicht liegt es daran, dass der öffentliche Nahverkehr – zumindest auf gewissen Routen – recht gut funktioniert. Damit ein Gast aus dem fernen Hamburg oder dem noch ferneren Peking das auch weiß, hat die Regionalentwicklung Oberland die Kampagne „Mit der Bahn in die Berge“ initiiert.
Touristen “auf die Schiene“ bringen
Tourismus-Vorstand Harald Gmeiner meint dazu: „Die Kampagne zielt auf eine Lenkung der Gäste von der Straße auf die Schiene ab“. Vor allem auf Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Facebook hat die Regionalentwicklung monatelang jede Woche eine neu entwickelte Tour „von Bahnhof zu Bahnhof“ präsentiert. „Mit der Bayerischen Regionalbahn lässt sich die Alpenregion Tegernsee Schliersee perfekt erkunden“, sagt Gmeiner.
Alternativ können die Gäste Angebote wie den „Münchner BergBus“ nutzen. Dahinter steht eine vor 3 Jahren vom Deutschen Alpenverein München & Oberland gestartete Initiative, um Menschen umweltfreundlich in die Berge zu bringen. Im Mai dieses Jahres wurde das Angebot in den ÖPNV integriert, mehrere Linien in verschiedene Alpenregionen werden bis Oktober an 7 Tagen pro Woche verkehren.
Hauseigene App
Lichtmannegger sieht als Hotelier solche Initiativen als positive Ergänzung zu seinen eigenen Investitionen in den umweltfreundlichen Individualverkehr. „Mit der Gästekarte können die Touristen die öffentlichen Transportmittel kostenlos und bequem nutzen“, sagt er. „In 3 Gehminuten vom Hotel entfernt gibt es eine Haltestelle.“ Somit seien 30 Wanderungen ohne Auto möglich. „Auf der hauseigenen Rehlegg-App sind die Fahrpläne abrufbar“, so Lichtmannegger.
Eine Sonderrolle in Sachen nachhaltige Mobilität spielt München, eine der meistbesuchten Destinationen in Oberbayern. Der öffentliche Personennahverkehr bietet hier eine per se nachhaltige Fortbewegungsmöglichkeit.
Antriebswende forcieren
Besonders gut schneide dabei der Bus ab, betont Nico Schoenecker, Geschäftsführer der AutobusOberbayern GmbH. Gemessen am CO2-Ausstoß pro Fahrgast, seien Busse besonders klimaschonend unterwegs. Noch viel umweltfreundlicher sind die Fahrzeuge, wenn sie ohne Diesel fahren.
Antriebswende forcieren
Besonders gut schneide dabei der Bus ab, betont Nico Schoenecker, Geschäftsführer der AutobusOberbayern GmbH. Gemessen am CO2-Ausstoß pro Fahrgast, seien Busse besonders klimaschonend unterwegs. Noch viel umweltfreundlicher sind die Fahrzeuge, wenn sie ohne Diesel fahren.
Deshalb treibt das Münchner Unternehmen die Antriebswende in Richtung E-Mobilität voran. Es will Strom selbst erzeugen, Dieselfahrzeuge umbauen und kauft E-Busse. Gut 30 sollen es bis 2025 sein. Zudem testet AutobusOberbayern den synthetischen Kraftstoff HVO 100. Das Unternehmen rüstet gerade eine Tankstelle in der Lerchenau auf die neue Technologie um.
Ziel 2035: alle MVG-Busse fahren elektrisch
Auch die Münchner Verkehrsgesellschaft mbH setzt auf Nachhaltigkeit. Bis Ende des Jahres 2024 soll ein Viertel der Busflotte elektrisch betrieben sein und bis 2035 der gesamte Fuhrpark mit E-Antrieb fahren.
Insgesamt ist in puncto nachhaltige Mobilität also einiges in Bewegung. So stehen die Chancen nicht schlecht, dass demnächst weit mehr Touristen als bisher in Oberbayern nachhaltig unterwegs sind.
IHK-Info zum Tourismus
Mehr Informationen zu Tourismus und Nachhaltigkeit gibt es auf der IHK-Website.