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Trübe Aussichten für Serienabmahner

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Strengere Regeln – weniger Anreize für Abmahner

Ein neues Gesetz soll Unternehmen besser vor unseriösen Abmahnpraktiken schützen und so den fairen Wettbewerb stärken. Die wichtigsten Änderungen. 

Melanie Rübartsch, Ausgabe 03/21

Es ist eine häufige Masche: Weil es auf seiner Internetseite die Angaben zu Rechtsform und Handelsregister vergessen hatte, wurde ein Reisebüro aus dem Münchner Raum von einem vermeintlichen Wettbewerber und dessen Anwalt abgemahnt: Ein Onlinereisebüro aus Hamburg verlangte eine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe von 5.000 Euro für jede künftige Zuwiderhandlung. Das Reisebüro zweifelte jedoch an der Mitbewerberstellung des Abmahners, recherchierte und klagte gegen die Abmahnung vor Gericht – mit Erfolg: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wertete das Vorgehen des Abmahners als rechtsmissbräuchlich.

Darauf lasse einerseits die hohe Anzahl an Abmahnungen schließen, die das Hamburger Unternehmen an verschiedene Reisebüros adressiert hatte, andererseits die Tatsache, dass es selbst nur in einem sehr geringen Umfang Reiseleistungen anbiete und damit kein wirklicher Mitbewerber sei.

Viele Forderungen der IHKs im Gesetz aufgegriffen

Diese und vergleichbare Rechtsprechung zu Fragen rund um Abmahnungen gegenüber Wettbewerbern wurde nun im neuen »Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs« integriert. »Das Regelwerk soll unseriösen Abmahnpraktiken einen Riegel vorschieben. Dabei hat es viele Forderungen der IHKs aufgegriffen«, freut sich Amelie Winkhaus, Expertin für Wettbewerbsrecht bei der IHK für München und Oberbayern. Mitbewerber sind nun lediglich dann berechtigt abzumahnen, wenn sie tatsächlich ein Konkurrent des Abgemahnten sind. Das heißt: Sie dürfen nicht nur in geringem Maße ähnliche Waren oder Dienstleistungen anbieten.

Vertragsstrafen bei erster Abmahnung nun grundsätzlich tabu

Darüber hinaus sind Abmahnungen unwirksam, wenn der Mitbewerber zum Beispiel eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift geltend macht, insbesondere, wenn die Anzahl unverhältnismäßig im Vergleich zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit ist. Gleiches gilt, wenn der Absender den Gegenstandswert der Abmahnung oder Vertragsstrafen unangemessen hoch ansetzt. Außerdem verringert das Gesetz den Anreiz abzumahnen. Denn jetzt sind Vertragsstrafen grundsätzlich tabu, wenn jemand einen Mitbewerber erstmalig wegen eines Verstoßes gegen die gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten oder das Datenschutzrecht abmahnt und der Adressat in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.

"Fliegender Gerichtsstand" aufgehoben

»Gut ist auch, dass der sogenannte fliegende Gerichtsstand aufgehoben wurde«, sagt IHK-Expertin Winkhaus. Generell ist nun immer das Gericht am Sitz des Abgemahnten zuständig. Im Dezember 2021 tritt noch eine weitere Verbesserung in Kraft: Ab dann können auch Wettbewerbs- und Wirtschaftsverbände oder -vereine nur noch dann abmahnen, wenn sie sich zuvor in eine Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände haben eintragen lassen. »Das soll insbesondere unseriöse Vereine abschrecken, die sich auf Abmahnungen spezialisiert haben«, sagt Winkhaus. Die Juristin erwartet, dass das Gesetz vor allem zum Schutz kleinerer Unternehmen beiträgt.

Jedoch müsse die Praxis zeigen, wie gut dies gelingt. »Problematisch an den neuen Regeln ist nämlich, dass sie an vielen Stellen mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeiten, die im Einzelfall ausgelegt werden müssen.« Damit wird der ein oder andere Fall wohl doch wieder vor Gericht landen.

IHK-Service: Abmahnung erhalten – was tun?

Wer unabsichtlich oder bewusst in irreführender Weise wirbt, Schutzrechte verletzt oder Informationspflichten auf seiner Website nicht einhält, muss damit rechnen, kostenpflichtig abgemahnt zu werden. Hat ein Unternehmer eine Abmahnung erhalten, sollte er ruhig bleiben, das Schreiben gründlich prüfen und sich im Zweifel zügig Rechtsrat bei einem Anwalt oder der IHK holen. »Auf keinen Fall sollte er übereilt eine Unterlassungserklärung abgeben oder Gebühren bezahlen«, rät Amelie Winkhaus, Expertin für Wettbewerbsrecht bei der IHK für München und Oberbayern.

Nützliche Checklisten und weitere Erläuterungen auch zur neuen Rechtslage unter www.ihk-muenchen.de/abmahnung

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